Krise nach der Kita: Wie dein Kind beim Abholen nicht mehr durchdreht

Wir Mamas kennen das: Die Erzieherin übergibt unser Kind beim Abholen mit einem entspannten und fröhlichen „Heute war alles super, wir hatten einen schönen Tag.“ Doch an der Garderobe geht es schon los mit dem Trödeln, Bocken und Trotzen.

Genau so geht es mir sehr oft mit meiner Tochter – und das seit ziemlich langer Zeit. Seit sie ein Jahr alt ist, geht sie in die Betreuung, anfangs in eine Krippe, nach unserem Umzug dann einige Monate zu einer liebevollen Tagesmutter und seit einem Dreivierteljahr in den Kindergarten.

Wir hatten Glück und haben tolle Einrichtungen gefunden, in denen sich unsere Tochter immer sichtbar wohl fühlte und schnell Anschluss fand. Trotzdem ist es beinahe täglich wie ein Spaziergang auf sehr dünnem Eis, sie ohne Streit und Trotzanfälle aus dem Kindergarten und durch den Nachmittag zu kriegen.

In unserem Kindergarten sah ich neulich einen Aushang über einen Vortrag zum Thema „Krise nach dem Kita-Alltag“. Bingo! „Ich bin also nicht allein“, dachte ich mir. „Da gehe ich mal hin, vielleicht lerne ich ja was dazu.“

Gesagt, getan. Was ich aus diesem Vortrag mitgenommen habe, habe ich hier für euch zusammengetragen, denn ich bin mir sicher, dass auch für euch der eine oder andere hilfreiche Punkt dabei ist – so wie für mich.

Warum ist mein Kind also plötzlich knatschig, wo es laut Erzieherin doch den ganzen Tag ein Sonnenschein war?

Das liegt sehr wahrscheinlich an einem der folgenden drei Gründe, die oft auch fließend ineinandergreifen:

  1. Dein Kind braucht (mehr) Zeit für den Situationswechsel.
  2. Es möchte sich bei dir nach einem anstrengenden Tag fallen lassen.
  3. Es fühlt sich übergangen und möchte wirklich gesehen werden.

Wenn dir diese drei Gründe bewusst sind, brauchst du nur noch ein klitzekleines bisschen Einfühlungsvermögen, und schon kannst du deinem Kind so begegnen, dass es gar nicht erst mit Trotz reagiert. Wie das gehen soll? Hier ein paar Beispiele:

1. Situationswechsel

Dein Kind sitzt im Sandkasten des Kindergartens und schaufelt eifrig vor sich hin. Du kommst von der Arbeit, vom Einkaufen oder Ähnlichem, bist müde, vielleicht auch hungrig und willst schnell nach Hause.

Dein Kind spielt jedoch ungerührt weiter, als hättet ihr alle Zeit der Welt. Jetzt kann es schnell passieren, dass du dich provoziert fühlst, sauer wirst und es zur Eile drängst. Und dann geht es los: Dein Kind sträubt sich und bockt, du fängst an zu schreien oder packst dein Kind, um es zum Auto zu schleppen.

Dann stell dir doch mal folgende Situation vor: Du beschäftigst dich gerade mit etwas, das dir große Freude macht. Zum Beispiel schneidest du im Garten die Rosen, schaust eine spannende Szene deiner Lieblingsserie oder liest gerade in deinem neuen Buch.

Da kommt dein Partner und sagt: „Schatz, leg das mal weg und komm mit.“ Du fragst dich: „Warum sollte ich?“ Wenn dein Partner dann sagt „Weil ich es sage, darum. Jetzt komm, Lesezeit ist zuende!“ wirst du sicher nicht gehorchen, sondern dich weigern, deine Tätigkeit zu unterbrechen. Schließlich hat dein Partner auch auf deine Interessen Rücksicht zu nehmen.

Was uns diese Szene sagt: Denke daran, wie du dir wünschst, dass andere mit dir sprechen und begegne deinem Kind genauso: auf Augenhöhe – im Wortsinn und auch bildlich gesprochen. Setze dich zu ihm an den Sandkasten, frage, was es macht und zeige ehrliches Interesse.

Dann schaffe einen Übergang vom Spiel zum Heimgehen, indem du zum Beispiel sagst: „Ok, jetzt backst du mir noch einen letzten schönen Sandkuchen, und dann machen wir uns auf den Heimweg, abgemacht?“ Schon hast du deine Chancen, friedlich zum Auto zu kommen, immens erhöht.

2. Fallenlassen

So wohl sich dein Kind im Kindergarten auch fühlt, sein Tag dort ist dennoch anstrengend. Es muss sich an viele Regeln halten, sich sozial einfügen, konzentrieren und so weiter. Das ist alles gut und wichtig für seine Entwicklung, erfordert aber eben auch viel Energie.

Wenn du dein Kind abholst, hat es meist nur einen Wunsch: Sich fallen zu  lassen und auszuruhen. Denn wo kann es besser, es selbst sein, als bei seiner Mama? Schließlich liebst du dein Kind, wie es ist, und das weiß es auch.

Manchmal wirkt dieses Sich-fallen-lassen ein bisschen wie Klammern oder Quengeln. Manchmal auch so, als wolle sich dein Kind auf nichts einlassen und als wäre es mit allem, was du ihm anbietest, unzufrieden. Dabei ist es höchstwahrscheinlich einfach nur erschöpft und ein wenig überfordert.

Egal, wie es sich bei deinem Kind äußert: Du kannst dir in jedem Fall sicher sein, dass es ein Zeichen für eine sehr gute Mutter-Kind-Bindung ist, wenn du das alles „abkriegst“.

Wenn dein Kind dir so begegnet, gib ihm Zeit und frag nach seinen Wünschen, kurz: Lass es bei dir ankommen und gib ihm die Ruhe und das Verständnis, das du dir nach einem anstrengenden Tag auch ersehnst.

Das heißt natürlich nicht, dass du ihm alles durchgehen lässt und es zuhause erst einmal zwei Stunden fernsehen darf, nur weil es das will. Setze weiterhin Grenzen und mache klare Aussagen, aber verpacke dein „Nein“ in warme Worte und gehe dabei auf dein Kind ein, indem du ihm Kompromisse anbietest.

Zum Beispiel so: „Ich möchte nicht, dass du jetzt fernsiehst. Aber ich lese dir gern eine Geschichte vor. Dabei können wir auch ein bisschen kuscheln. Und heute Abend darfst du dann den Sandmann schauen, einverstanden?“

Kuscheln und Körperkontakt sind in dieser Situation übrigens genau so wichtig wie liebe Worte und Verständnis. Dein Kind lädt über den Körperkontakt seinen Speicher an Glückshormonen auf. Kuscheleinheiten regen das Gehirn nämlich an, unter anderem die Botenstoffe Serotonin und Oxytocin auszuschütten. Sie sorgen für Wohlbefinden und ein starkes Bindungsgefühl.

3. Gesehen werden

Beim Abholen ist es oft sehr wuselig im Kindergarten. Da sind die Erzieherinnen, die vielleicht noch die eine oder andere Information loswerden möchten, andere Eltern, mit denen du kurz quatschen möchtest, oder auch andere Kinder oder Geschwister, die auch mit dir reden wollen.

Während du allen anderen Aufmerksamkeit schenkst, kann es schnell passieren, dass du dein eigenes Kind übergehst und einfach „mitschleifst“.

Du ahnst es schon: Dein Kind findest das natürlich gar nicht schön. Schließlich hat es sich so auf dich gefreut und möchte nun auch deine Aufmerksamkeit.

Schenke sie ihm, indem du dein Kind zum Beispiel auf den Arm nimmst und in das Gespräch mit der Erzieherin einbeziehst. Lass es gemeinsam mit der Erzieherin vom Tag erzählen.

Damit bringst du es wiederum auf Augenhöhe (auch im wörtlichen Sinn) und erfüllst ihm das menschliche Grundbedürfnis, ernst genommen und gesehen zu werden. Je mehr dir das gelingt, desto harmonischer werdet ihr schließlich den Kindergarten verlassen.

Allen also einen schönen, entspannten und friedlichen Nachmittag!

 

Tamara Müller
Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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