Kinderärztemangel: Praxis an Nachfolger zu verschenken – und keiner will sie

In Deutschland verschärft sich der Kinderärztemangel zunehmend. Dies gilt besonders in ländlichen Gegenden, hier müssen verzweifelte Eltern oft Praxen in einem immer größer werdenden Radius abtelefonieren, um ihre Kinder unterzubringen. Fakt ist: Es fehlt mancherorts an medizinischem Nachwuchs für die Praxen – eine echtes Problem für die Gewährleistung der Gesundheit von Baby und Kleinkind.

Die Gründe für den Kinderärztemangel sind bekannt:

Ironischerweise ist die Zahl der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland laut Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in den letzten Jahren deutlich angestiegen: Zwischen 2014 und 2023 um rund 1.000 Mediziner auf 8.395 Kinderärzte. Aber: Immer mehr Ärzte arbeiten inzwischen in Teilzeit. Das führt dann in Summe zu einem Minus in den vorhandenen Kapazitäten. Und: Es gibt nicht selten Fälle, in  denen Ärzte entschieden haben, nur noch Privatpatienten zu behandeln, wie u.a. das ZDF berichtet.  Das passiere vor allem, „weil der bürokratische Aufwand für Abrechnungen mit gesetzlichen Krankenkassen zu hoch sei“.

Seit langem schlagen Kinder- und Jugendärzte Alarm, weil das Gesundheitssystem gesundheitspolitisch gegen die Wand gefahren wird. Ausgerechnet beim Thema Kindergesundheit sei „extra stark gespart” worden. Ambulante Ärzte bekämen ihren Arbeitsaufwand nicht angemessen vergütet und immer mehr Kinderärzte würden deswegen ihre Praxis schließen.

Am häufigsten entsteht der Kinderärztemangel aber tatsächlich dann, wenn in einer Region einer oder gar mehrere Ärzte in den Ruhestand gehen und keine Nachfolger finden.

Einer dieser Fälle geht gerade durch die Medien:

Kinderarzt Bernd Zerfraß aus Kirn (Rheinland Pfalz) ist 70 Jahre alt und sucht seit sage und schreibe zehn Jahren (!) einen Nachfolger, der seine Praxis übernehmen soll. Das berichtet u.a. der SWR. Er möchte irgendwann in den Ruhestand gehen – und das macht den Eltern der rund 1.600 Kindern große Sorgen. Denn diese Menge an kleinen Patient*innen auf die Ärzte der umliegenden Ortschaften zu verteilen, ist nahezu unmöglich.

Inzwischen geht Bernd Zerfraß soweit, dass er seine Praxis verschenken möchte – inklusive allen Geräten, Mitarbeiter*innen und seinem Kundenstamm. Geschätzt ein Wert von rund 140.000 Euro! Er möchte potentiellen Nachfolgern die Übernahme so einfach und schmackhaft wie möglich machen: „Ich dachte, dass es angenehm wäre für einen eventuellen Nachfolger, wenn er ohne Schulden einfach hierherkommen und dann praktizieren kann.“ Ein paar haben sich die Praxis auch schon angesehen, „zugegriffen“ hat aber niemand.

Bernd Zerfraß kennt die Gedanken, die sich die potenziellen Nachfolger machen:

Kirn ist verhältnismäßig ländlich, viele jüngere Kolleg*innen möchte nicht in die kleine Stadt ziehen. Sondern eher ins naheliegende, deutlich größere Bad Kreuznach: „Ich blicke mit Neid auf die Kollegen in Bad Kreuznach. Da wurden in den letzten sechs, sieben Jahren mindestens fünf Praxen übernommen.“

Zudem würden viele Kinderärzte die Selbstständigkeit scheuen. Denn im Gegensatz zu einer Anstellung in einer Klinik o.ä. bringe ein eigener Betrieb natürlich noch viele weitere Sorgen und Tätigkeiten mit sich, wie die Verantwortung für Angestellte, die Buchhaltung etc.

Bernd Zerfraß sieht aber auch die vielen Vorteile der Arbeit in seiner Praxis: Keine Nacht- oder Wochenend-Dienste, 6 bis 8 Wochen Urlaub im Jahr, ausreichend zu tun – „Man müsste bewusst alles falsch machen, um hier nicht über die Runden zu kommen,“ wird er in der BILD zitiert.

Ein weiteres Problem neben dem Kinderärztemangel: Auch die Hausarztpraxen werden weniger

„Es werden auch immer weniger Hausärzte. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Versorgung sicherlich schlechter werden wird. Das wird ein Problem werden, was ich nicht lösen kann“, sagt Zerfaß gegenüber dem SWR.

Es bleibt also spannend, was aus der Praxis in Kirn wird. Wir drücken die Daumen, dass die Aufmerksamkeit in den Medien Bernd Zerfraß und vor allem auch den Eltern seiner Patient*innen einen tollen Nachfolger beschert!

Übrigens, passend zum Thema: Falls du dich fragst, woran du erkennst, dass du mit deinem Kind einen Kinderarzt oder sogar ein Krankenhaus aufsuchen musst: Das erklären wir dir HIER >>>

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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