Die Anzahl der künstlichen Befruchtungen steigt jedes Jahr. Laut IVF(In-vitro-Fertilisation)-Register (Stand 2016) sind so bisher in Deutschland mehr als eine Viertelmillion Kinder gezeugt worden – weltweit sind es sogar um die acht Millionen.
Die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung kann ein wahrer Segen für Paare sein, die sich ein Kind wünschen, es aus gesundheitlichen Gründen aber nicht auf natürlichem Wege bekommen können.
Die Behandlung ist für die betroffenen Frauen allerdings häufig sehr anstrengend. Immense Hormongaben und die seelische Belastung sind nur zwei Komponenten, die diesen Weg zum Wunschkind zur einer echten Herausforderung machen.
Bis vor einigen Jahren gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Kinder einer erfolgreichen IVF-Behandlung haargenau dieselben Voraussetzungen hätten wie Kinder, die auf natürlichem Wege gezeugt wurden.
Ein „ganz normales“, gesundes Kind – der schönste Lohn für die Tortur einer Kinderwunschbehandlung. Der die Eltern ihren vorausgegangenen, zum Teil jahrelangen Leidensweg vergessen lässt.
Doch leider gibt es jetzt ausgerechnet an der Gesundheit der Kinder „aus der Petrischale“ Zweifel. Die Autoren einer neuen Studie bezweifeln, dass künstlich gezeugte Kinder genauso gesund sind wie Kinder, die normal gezeugt wurden.
Ihre Studie wirft neue Fragen auf: War es etwa naiv anzunehmen, dass sich Embryonen, die mit Pinzette und Petrischale, mit Pipette und Mikroskop auf den Weg gebracht werden, genauso entwickeln wie all jene, die durch Geschlechtsverkehr entstehen? Kann der Mensch die Natur eben doch nie genau kopieren? Und vor allem: Welche Folgen kann diese Methode für die IVF-Baby haben?
Laut der Studie haben Jugendliche, die dank einer künstlichen Befruchtung das Licht der Welt erblickt haben, schon früh Gefäßprobleme. Und diese können im Laufe des Lebens ernste Folgen haben.
Mediziner und Ärzte untersuchten für die neue Studie gesunde Jugendliche. Ihre Motivation: Bereits im Jahre 2012 hatte sich in einer Studie gezeigt, dass die Gefäße von IVF-Kindern vorzeitig gealtert waren. Ihre Gefäße waren steifer als normal und hatten so Schwierigkeiten, sich bei Sauerstoffbedarf und durch Medikamentengabe zu weiten. Zudem waren Schichten der Gefäßwand dicker als bei natürlich gezeugten Jugendlichen, möglicherweise ein Zeichen für eine beginnende Gefäßverkalkung.
Das hatte Auswirkungen auf den Blutdruck: Die Petrischalenkinder zeigten geringfügig höhere Werte, acht von 52 Probanden hatten bereits Bluthochdruck. Bedenklich, denn Bluthochdruck schädigt die Blutgefäße und gilt als einer der Hauptrisikofaktoren für Herzerkrankungen und Schlaganfälle.
Auch andere Studien hatten bereits vorher gezeigt, dass die künstliche Befruchtung nicht ganz ohne Risiken ist. So haben Kinder, die durch künstliche Befruchtung entstanden sind, ein deutlich höheres Risiko, an der genetischen Erkrankung Beckwith-Wiedemann-Syndrom zu erkranken, eine Neigung zu Diabetes, und scheinen etwas häufiger Herzfehler oder Fehlbildungen der Gliedmaßen zu haben. Darauf haben zwar teilweise auch die Fruchtbarkeitsprobleme der Eltern einen Einfluss – aber trotzdem:
Es scheint einen Unterschied zu machen, ob ein Kind im Labor oder aber in Mamas Eileiter entsteht.
Woher aber rührt denn nun dieser Unterschied? Yutang Wang von der Federation University in Australien gibt zu Bedenken: „Die Techniken der künstlichen Befruchtung beinhalten die Manipulation von Embryonen zu einer Zeit, in der sie besonders anfällig gegenüber externen Störungen sind. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass künstliche Befruchtung die Anfälligkeit gegenüber einzelnen Erkrankungen erhöht.“
Experten sind sich relativ sicher, dass besonders das Nährmedium, in dem die befruchtete Eizelle einige Tage lang schwimmt, ehe sie eingepflanzt wird, einen großen Einfluss auf die gesundheitlichen Punkte hat. Es besteht aus vielen verschiedenen Bestandteilen. z. B. Glukose, Laktat oder hormonell wirksamen Substanzen. Leider ist nicht bekannt, welche Zusammensetzung unbedenklich und welche vielleicht risikoreich ist.
Das ist natürlich tragisch – müssen Frauen, die den steinigen Weg der künstlichen Befruchtung erfolgreich gegangen sind, im Anschluss nun auch noch um die Gesundheit ihres Kindes bangen?
Die Studienlage weist darauf hin. Eines geben Experten allerdings zu bedenken: Die meisten Studien haben mütterliche Faktoren wie das Alter oder Erkrankungen der Patientinnen herausgerechnet. In der Realität steigt das Alter der Männer und Frauen, die eine künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen, seit Jahren deutlich an. Und das erhöht die Gefahr einer komplizierten Schwangerschaft, einer Behinderung des Kindes und auch, dass es im Laufe seines Lebens diverse Erkrankungen entwickelt.
Als die größten Risiken für die Gesundheit von Kindern gelten tatsächlich ein höheres Alter ihrer Eltern oder aber Erkrankungen der Eltern, die ihnen eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege nicht erlauben würden.