Kinder in der Pandemie: „Enttäuschung das neue ‚Normal`!“

„Hallo, ich bin Christina, Mama von einem wundervollen Sohn. Ich weiß, dass momentan alle Familien wegen Corona eine harte Zeit durchmachen. Trotzdem kocht in mir gerade alles so hoch, dass ich meiner Traurigkeit und Verzweiflung einfach Luft machen muss. Ich habe es einfach so satt, mein Kind ständig enttäuschen zu müssen!

Mein Sohn hat Ende Januar Geburtstag und ist kürzlich neun Jahre alt geworden. Eigentlich ist er ein sehr extrovertiertes, fröhliches Kind, das gerne Menschen um sich hat. Entsprechend kommt er im Lockdown nur schlecht damit zurecht, von seinen Freunden isoliert zu sein. Wir haben bis zuletzt gehofft, dass er an seinen Geburtstag wenigstens wieder zur Schule gehen kann, um dort ein paar Gleichaltrige zu sehen. Aber wieder wurden wir enttäuscht.

Natürlich haben wir versucht, ihn darauf vorzubereiten, dass sein Geburtstag dieses Jahr anders wird als sonst.

Ganz in Ruhe haben wir ihm alles erklärt und er hat verständnisvoll genickt. Aber in seinen Augen habe ich die Enttäuschung gesehen. In mir krampfte sich alles zusammen, ich versprach ihm, dass wir so schnell es geht nachfeiern werden. Aber selbst in meinen Ohren hörten sich meine Worte leer an. Wer weiß denn schon, wann er wieder so richtig Geburtstag feiern kann?

Natürlich haben wir als Familie versucht, das Beste aus dem Tag zu machen. Es gab eine tolle Fußball-Torte für ihn, liebevolle Geschenke von uns Eltern und sein bester Freund kam später vorbei. Bei Minusgraden haben die beiden dann immerhin im Garten eine Weile einen Ball hin und her kicken können. Trotzdem lag das Gefühl der Enttäuschung irgendwie über allem. Und wisst ihr, was ich besonders erschreckend finde?

Das Gefühl kommt mir schon richtig normal vor!

Aber ist das denn verwunderlich? Gefühlt mache ich als Mama seit einem Jahr nichts anderes als mein Kind immer wieder zu vertrösten und ihm ständig neue Enttäuschungen überbringen zu müssen. Da ist nämlich nicht nur der Geburtstag, sondern auch sein geliebtes Fußballtraining, dass schon seit Monaten nicht stattfindet.

Eigentlich ist mein Sohn nämlich leidenschaftlicher Fußball-Spieler. Vor Corona ist er zweimal die Woche zum Training gegangen, am Wochenende fanden dann oft Spiele statt und mein Mann und ich haben ihn am Spielfeldrand angefeuert. Mein kleiner, großer Junge ist einfach ein unglaubliches Energiebündel, das Training hat ihm geholfen, sich ausgeglichen zu fühlen. Das fehlt ihm jetzt, ich merke, wie er immer unruhiger und unzufriedener wird.

Doch nicht nur der Sport, auch das Gemeinschaftsgefühl der Mannschaft fehlt ihm.

Mit den Jungs beim Fußball konnte er sich richtig austoben, sich gemeinsam über Siege freuen und über ein gegnerisches Tor ärgern. Ich bin überzeugt davon, dass er dabei auch Lektionen lernt, die wichtig für sein ganzes Leben sind. Das alles ist jetzt natürlich auf Eis gelegt. Im Sommer durften sich die Kinder kurze Zeit wieder zum Training treffen – allerdings nur mit Mindestabstand und für bestimmte Übungen. Trotzdem hättet ihr mal das Strahlen meine Sohnes sehen sollen, als es wieder auf den Platz ging!

Nach wenigen Wochen war aber auch das wieder vorbei. Die Fallzahlen stiegen wieder und seitdem gibt es gar kein Training mehr. Dann hat auch noch die Schule geschlossen und meinem Kind wurden sämtliche soziale Kontakte mit Gleichaltrigen genommen. Dabei bin ich als Mama überzeugt davon, dass genau die in seinem Alter ganz wichtig sind, um sich weiterzuentwickeln.

Zuerst hat er seinem Unmut noch Luft gemacht und wir haben viel darüber gesprochen, was ihn bewegt. Aber mittlerweile zieht er sich immer mehr zurück, möchte von sich aus gar nichts mehr unternehmen. Ich spüre deutlich: Auch für ihn fühlt es sich mittlerweile so an, als sei der Zustand der Enttäuschung normal.

Mir tut es einfach nur weh, meinen früher so fröhlichen und unbeschwerten Sohn so zu sehen.

Corona hat ihm beigebracht, sich nie zu sehr auf etwas zu freuen. Immer davon auszugehen, dass vielleicht das Schlimmste passiert. Nie ohne Hintergedanken voller Freude zu sein. Das finde ich so falsch, denn die Dinge, die er sich jetzt verbietet, sind doch genau die, die eine Kindheit eigentlich unbeschwert machen.

Während ich am Anfang noch überzeugt war, dass wir schon bald wieder unseren Alltag leben können, fällt es mir mittlerweile selbst schwer daran zu glauben. Trotzdem weiß ich, dass es wichtig ist, dass ich für meinen Sohn stark bleibe. Dass ich ihm unbeirrt Optimismus vorlebe – selbst wenn sich das wie eine Lüge anfühlt.

Immerhin wird das Wetter langsam wieder schöner, die Sonne hilft, dunkle Gedanken zu vertreiben – auch bei meinem Sohn. Nach einem langen Spaziergang hat er mich vor ein paar Tagen sogar seit langem mal wieder nach dem Fußballtraining gefragt: ‚Mama, kann ich bald wieder zum Training?‘ Ich habe geantwortet: ‚Ganz bestimmt, es kann nicht mehr lange dauern!‘ Jetzt hoffe ich mehr als alles andere, dass ich mein Kind nicht schon wieder enttäuschen muss.


Vielen Dank, liebe Christina, dass du uns deine Geschichte erzählt hast! Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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