Wenn Kinder ertrinken: Das sind die Alarmsignale

Mit den Freibädern startet auch die Hochsaison für den Tod durch Ertrinken. 2018 sind in Deutschland 71 Menschen unter 20 Jahren ertrunken, die meisten davon waren Kinder, die meisten davon ertranken in den Monaten Juni, Juli und August. Dazu kommen noch ungefähr fünf Mal mehr Badeunfälle, bei denen es gerade noch gut ausgegangen ist. Kinder ertrinken – das ist leider keine Seltenheit, sondern eine der häufigsten Todesursachen bei den Kleinen.

Und das kommt tatsächlich auch daher, dass wir in Hollywood-Filmen „lernen“, wie es aussieht, wenn jemand im Wasser untergeht: Er winkt mit den Händen, bewegt sich wild im Wasser hin und her und schreit, sobald er an der Oberfläche ist. Großes Drama! Und auf jeden Fall nicht zu übersehen.

Das ist allerdings tatsächlich nur eines: eine spannende Hollywood-Szene. Leider. Denn im echten Leben ist es ganz anders, wenn Kinder ertrinken – und Erwachsene übrigens auch. Es geht nämlich lautlos und ohne das ganze Geplansche vor sich. Und das führt dazu, dass viele Kinder sogar ganz in der Nähe ihrer Aufsichtspersonen untergehen und diese es oft nicht oder zu spät bemerken. Besonders tragisch: Manchmal sehen Eltern sogar bei zu, wie ihre Kinder ertrinken und haben keine Ahnung, was da gerade vor sich ging.

Wenn Kinder ertrinken, sieht das meist ganz unspektakulär aus. Foto: @Bigstock

Darum warnen jedes Jahr zahlreiche Experten vor dem lautlosen Tod und erklären, wie Kinder ertrinken:

  1. Hilferufe sind unmöglich

Wenn Kinder ertrinken, kommen sie nur Sekunden oder gar Millisekunden wieder an die Oberfläche. Schaffen sie es, Mund oder Nase aus dem Wasser zu bekommen, holen sie tief Luft. Fürs Schreien müssten sie ausatmen, einatmen und dann ihre Stimme benutzen. Dafür bleibt aber weder Zeit noch genügend Sauerstoff.

  1. Winken ist unmöglich

Die Arme werden instinktiv seitlich von sich gestreckt, um das Wasser nach unten zu drücken und wieder nach oben zu kommen. Das macht ein wildes Wedeln mit den Armen unmöglich. Weil es außerdem sehr anstrengend ist, sich immer wieder hochzudrücken, fehlt die Kraft, um den Arm ganz nach oben zu heben und zu winken, um sich bemerkbar zu machen. Um es überspitzt zu sagen: Menschen, die ertrinken, können nicht kurz damit aufhören, um zu winken oder nach einem Rettungsring zu greifen.

  1. Keine Beinbewegungen

Der Körper bleibt während dieser ganzen Zeit aufrecht und versucht, möglichst nach oben zu kommen. Dass jemand dabei mit den Füßen tritt, ist sehr unwahrscheinlich. Es sieht also für Nicht-Rettungsschwimmer oft so aus, als würde derjenige absichtlich tauchen. Instinktiv versuchen Ertrinkende außerdem eher, in Rückenlage zu kommen, um den Mund aus dem Wasser heben zu können. (Schwimm-)Bewegungen mit den Beinen führen aber dazu, dass sich der Körper in die Brustschwimmer-Lage bewegt, sind also kontraproduktiv.

  1. Es geht sehr schnell

Nur 30 bis 60 Sekunden lang schafft es ein Ertrinkender, an der Oberfläche zu bleiben, bis er beginnt, tiefer zu rutschen. Sobald der Kopf unter Wasser ist, droht eine Hypoxie, also die Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff. Nach nur zwei bis drei Minuten ohne Sauerstoff drohen große Schäden bis zum Tod. „Das ist eine ganz kurze Zeit, bis man das Kind vermisst oder es gesehen hat und sich wieder zu ihm umdreht“, so Holger Till von der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie gegenüber dem Standard.

  1. Kinder unter drei Jahren sind besonders gefährdet

Dazu kommt noch ein Reflex, den Kinder unter drei Jahren haben, nämlich der Totstellreflex. Er führt dazu, dass Kinder unter drei sogar in seichtem Wasser ertrinken können. Sie können den Kopf nicht mehr aus dem Wasser heben: „Die Kleinkinder bekommen Angst vor dem Wasser und wehren sich nicht, selbst bei kleiner Tiefe, wo man sich als Erwachsener denkt: „Steh halt schnell auf“, erklärt Holger Till.

Ist man also mit Kindern am Wasser unterwegs, sollte man bei folgenden Punkte sofort aufmerksam werden:

  • Der Kopf ist nicht hoch über dem Wasser, der Mund auf Höhe des Wasserspiegels
  • Der Kopf ist nach hinten geneigt, der Mund offen
  • Die Augen sind glasig und leer oder geschlossen
  • Die Haare sind über dem Gesicht, der Stirn, den Augen
  • Die Beine werden nicht oder kaum bewegt
  • Der Körper ist in einer vertikalen Lage
  • Tiefes Luftholen
  • Scheinbare Versuche, sich auf den Rücken zu rollen oder als würde das Kind eine unsichtbare Leiter erklimmen wollen

Bemerkt man eines oder mehrere dieser Merkmale, muss man SOFORT  handeln und dem Kind zu Hilfe eilen.

Und, na klar: Immer, wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob ein Kind ein Problem hat oder nicht, ist es besser nachzusehen. Besser einmal zu oft – als nicht oft genug.

Rebecca
Schon seit rund einer Dekade jongliere ich, mal mehr, mal weniger erfolgreich, das Dasein als Schreiberling und Mama. Diese zwei Pole machen mich aus und haben eines gemeinsam: emotionale Geschichten!

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