Ja-Umgebung statt Nein-Umgebung für dein Baby und Kleinkind

„Nein, Finger weg! Das geht sonst kaputt.“ „Nein, das ist nichts für dich.“ „Warum hörst du denn nicht? Nein hab ich gesagt!“ Stell dir mal vor, dein Partner würde so mit dir reden. Du wärst bestimmt ganz schön frustriert. Und wahrscheinlich auch traurig. Kein schönes Gefühl, so ausgebremst und ausgeschimpft zu werden. So geht es auch unseren Kleinen, wenn sie nicht in einer Ja-, sondern (wie recht häufig der Fall) einer Nein-Umgebung aufwachsen. Du tust deinem Baby und Kleinkind einen großen Gefallen, bei euch Zuhause eine kindgerechte, positive Ja-Atmosphäre zu schaffen. Eine echte Ja-Umgebung statt Nein-Umgebung für dein Baby – was meint das genau?

Ja-Umgebung: Nicht mehr so häufig „Nein“ sagen müssen

Die Ja-Umgebung ist eine Umgebung für kleine Kinder, in der möglich wenig „Nein“ notwendig ist. Babys und kleine Kinder sollten sich gemäß ihrer Entwicklung frei bewegen können. Doch sobald unsere Kleinen mobiler werden und anfangen, ihre Umwelt aktiv zu erforschen und zu entdecken, bekommen sie von uns Eltern im Alltag häufig das Wörtchen „Nein“ zu hören. Auf der einen Seite sind wir natürlich stolz auf jeden Entwicklungsschritt, den die Mäuse machen. Auf der anderen Seite machen sie damit mehr und mehr die Wohnung unsicher.

So ging es mir auch mit meinem Sohn Bruno, als er anfing zu krabbeln und sich überall hochzuziehen. „Nein“ war dann auch eines der ersten Wörter, die der Zwerg gelernt hat. Das hat mich wirklich zum Nachdenken gebracht. Ich habe mich gefragt: Sage ich im Alltag wirklich so häufig „Nein“? In welchen Situationen passiert das? Was für Auswirkungen hat das auf Bruno? Und können wir das irgendwie ändern?

Das machen zu viele „Neins“ mit deinem Baby

Natürlich gibt es viele sinnvolle Grenzen, die wir Eltern dem Baby und Kleinkind gegenüber mit einem klaren „Nein“ kommunizieren sollten. Nämlich immer dann, wenn es um Gefahren geht (Steckdosen, Herd…) Dinge, die man anderen Menschen nicht zufügen darf (Hauen, beißen) oder Besitzverhältnisse („Nein, das kannst du jetzt nicht einfach nehmen, das ist das Auto von Valentin“). Solche Grenzen geben dem Zusammenleben einen Rahmen. Das Kind lernt auf diese Weise auch, seine eigenen Grenzen zu erkennen und abzustecken.

Grenzen sollten allerdings nicht einengen. Kinder haben einen angeborenen Forscherdrang. Und das ist auch gut so. Auf diese Weise entdecken und erfahren sie die Welt. Grenzen sollten sie in diesem natürlichen Drang nicht einschränken. Sie sollten ihnen nicht die Neugierde rauben, Neues zu entdecken. Durch zu viele „Neins“ von den Erwachsenen werden sie gehemmt, ängstlich und trauen sich nicht mehr, ihrem inneren Entdeckerdrang nachzugehen. Für Babys und kleine Kinder ist erst mal alles, was sie sehen, Spielzeug. Auch die zerbrechliche Vase, die wir von Oma geerbt haben. Oder das Buch von Mama. Bruno beispielsweise hatte eine Phase, in der er mit Hingabe auf Papier herumgekaut hat. Dabei war es ihm völlig wumpe, ob es sich dabei um Altpapier oder um Mamas neues Buch handelt…

Ja-Umgebung statt Nein-Umgebung: Dein Baby und Kleinkind kann sich frei entfalten

Der erste Impuls in solchen Momenten ist dann häufig, loszuschimpfen. Doch: Wir können nicht davon ausgehen, dass unser Kind versteht, was gefährlich, empfindlich oder zerbrechlich ist oder an welchen Gegenständen wir (aus welchen Gründen auch immer) besonders hängen. Es macht niemals etwas kaputt, um uns zu ärgern. Daher ist es auch kontraproduktiv, mit den Mäusen zu meckern. Wenn wir empfindliche Dinge in Reichweite der Kinder stehen oder liegen lassen, liegt das allein in unserer Verantwortung. Um auf das Beispiel mit dem Buch zurückzukommen: Ich lege meine Bücher seitdem einfach so weit oben ab, dass Bruno nicht mehr ran kommt. So verfahre ich auch mit allen anderen Dingen, die er nicht in die Finger bekommen soll.

Wenn die Umgebung nicht kindgerecht ist, führt das nicht nur dazu, dass wir Mamas gezwungen sind, ständig „Nein“ zu sagen. Auch für uns selbst kein besonders schönes Gefühl! Wir fokussieren uns damit im täglichen Zusammenleben auf das Negative, nicht das Positive. Je mehr wir dem Kind verbieten, desto frustrierter, gelangweilter und eventuell auch „bockiger“ wird das Kind, und umso mehr haben wir das Gefühl: Mann, warum kann er denn nicht einmal auf mich hören! Dem Kind mangelt es zudem an Erkundungen und Abenteuern, es fokussiert sich sehr auf seine Bezugsperson. Sprich, wir sind noch mehr als sowieso schon gefordert, mit unserem Baby oder Kleinkind aktiv zu spielen. Es macht daher für die ganze Familie Sinn, in eurem Zuhause eine Ja-Umgebung satt einer Nein-Umgebung für dein Baby und Kleinkind zu schaffen.

Mit diesen Tipps schaffst du eine Ja-Umgebung

Begib dich auf die Höhe deines Kindes und betrachte den Raum: Was ist gefährlich, was zerbrechlich, was könnte für das Baby oder Kleinkind spannend sein? Ist alles sicher, so dass sich das Baby und Kleinkind ungehindert in der ganzen Wohnung bewegen kann? Sind alle Treppen und Steckdosen gesichert? Putzmittel und Medikamente gut verschlossen? Kabel außer Reichweite des Kindes? Schubladen gesichert, so dass es sich nicht die Finger klemmen kann? Liegen Dinge herum, die das Baby oder Kleinkind verschlucken kann? Halte dich dabei an die Faustregel: Alles, was durch eine Toilettenpapierrolle passt, ist kein Babyspielzeug!

Auf der anderen Seite schau: Hat dein Kind ausreichend Platz für alle Bewegungsbedürfnisse? Rollende Babys brauchen genügend Platz, um in alle Richtungen rollen zu rollen, Krabbelkinder brauchen längere Strecken zum Krabbeln. Babys und Kleinkinder, die sich hoch ziehen oder schon laufen, sollten dies ebenfalls sicher und ungehindert in der Wohnung tun können. Gibt es außerdem Möglichkeiten zum Entdecken und Erkunden? Wie zum Beispiel Kisten, Schränke oder Schubladen mit ungefährlichen Alltagsgegenständen, wie zum Beispiel eine Küchenschublade, die mit bunten Tupperdosen gefüllt ist und ungehindert aus- und eingeräumt werden kann? In der Montessori-Pädagogik gibt es übrigens viele tolle Ideen, wie du eine Umgebung schaffst, die die Selbständigkeit und Entdeckerfreude der Kinder fördert.

Von „Nein“ zu “Ja“ bei uns Zuhause

Seit wir bei uns Zuhause eine Ja- statt einer Nein-Umgebung haben, ist der Alltag viel entspannter und harmonischer geworden. Ich muss nicht ständig hinter Bruno her sein und darauf achten, was er eventuell „anstellen“ könnte. Der kleine Abenteurer wirbelt glücklich und zufrieden durch die Wohnung, ohne, dass er dabei ständig gemaßregelt oder zurückgehalten wird. Denn hier leben nicht (mehr) nur mein Mann und ich. Sondern eben auch ein kleiner, aktiver, neugieriger Junge, der das Recht hat, sich frei zu entwickeln und zu entfalten. 

Brunos Sprachentwicklung hat in den letzten Wochen übrigens rasante Sprünge gemacht. Es sind viele neue Wörter dazugekommen. Unter anderem das schöne Wort: „Jaaaaa!“

Corinna Siemokat
Ich arbeite seit über zehn Jahren als Journalistin. Studiert habe ich Modejournalismus/Medienkommunikation, schreibe mittlerweile aber viel lieber über Frauen- und Familienthemen als über Fashion. Ganz besonders am Herzen liegt mir das Thema Vereinbarkeit. Dafür setze ich mich auch in meinem Job als Office Managerin bei Coworking Toddler (Kinderbetreuung + Coworking Space) ein. Ich lebe mit meinen zwei Söhnen (6 und 2 1/2 Jahre alt) in Berlin. Mit zwei kleinen Jungs Zuhause ist es oft wild und turbulent (die Autonomiephase bei K2 lässt grüßen…). Eine prima Inspirationsquelle für meine Artikel bei Echte Mamas! Wenn zwischen Spielplatz, Sporthalle und anderen spannenden Aktivitäten mit den Kids noch Zeit bleibt, gehe ich gerne joggen, zum Yoga oder entspanne in der Badewanne.

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