„Ich möchte mich nicht mehr für meine Fehlgeburten schämen“

„IV Gravida, I Para – Ein Ausdruck der in jedem Mutterpass steht. Das einzige, was sich dabei von Mama zu Mama unterscheidet, sind die Zahlen. Denn ‚Gravida‘ bedeutet Schwangerschaften und ‚Para‘ bedeutet Kinder. In einem Fall ist damit für alle, die einen prüfenden Blick in meinen Mutterpass werfen, direkt ersichtlich, dass ich zwar schon viermal schwanger war, bisher aber nur ein lebend Kind zur Welt gebracht habe.

Das hört sich ganz schön schrecklich an, oder?

Gehörst du zu den Müttern, für die dieses Thema weit entfernt ist? Gott sei Dank, dann musstest du nie die Grausamkeit einer Fehlgeburt erleben. Neben mir gibt es aber noch so viele weitere Frauen, die genau das gleiche durchgemacht haben wie ich. Wir leiden darunter, dass das Thema Fehlgeburt immer noch gesellschaftlich tabuisiert wird. Denn immer noch wird nur selten öffentlich darüber gesprochen.

Wir haben einen Kinderwunsch, wir werden schwanger, freuen uns wahnsinnig auf unser Kind. Aber bis zur 12. Woche trauen wir uns nicht, diese Freude zu zeigen oder mit anderen zu teilen. Denn statistisch gesehen passieren die meisten Fehlgeburten in den ersten 12 Wochen. Danach gehen die meisten davon aus, dass die Schwangerschaft bleibt, und du darfst endlich die frohe Kunde in die Welt hinaus rufen.

Leider ist das wirklich nur die Statistik.

Denn es gibt sie, die Mütter, die auch nach der 12. Woche noch eine Fehlgeburt erleiden. Weil die meisten werdenden Eltern die Schwangerschaft dann schon öffentlich gemacht haben, bekommt es in dem Fall natürlich jeder mit. Vielleicht kennst du niemanden, dem das passiert ist. Aber lass es dir gesagt sein, es gibt diese Frauen. Ich nenne sie bewusst auch Mamas, weil sie immerhin schon schwanger waren.

So wie ich. Denkt mal an den Anfang des Textes zurück: Schon viermal war ich schwanger, aber nur eines meiner Kinder lebt. Mein Mann und ich versuchen es aktuell zum fünften Mal und meine Ängste sind groß. Ich weiß nicht, ob ich es noch mal schaffe, ein Kind lebend zur Welt zu bringen. Schließlich ist es schon dreimal schiefgegangen: Einmal war es ein Spontanabort, einmal eine Missed Abortion mit späterer Ausschabung und einmal eine Eierstockschwangerschaft.

Wieder zur Statistik: Von 100 Frauen erleiden 30 bewusst eine Fehlgeburt.

Ich bin also eine von den 30. Meine drei verlorenen Kinder nenne ich Sternchen, so wie viele Mamas, deren Schwangerschaften vorzeitig geendet haben. Es wissen nur wenige Menschen aus meinem Umfeld darüber Bescheid. Erst Jahre nach meiner ersten Fehlgeburt konnte ich endlich darüber sprechen.

Aber wieso sollte ich das auch erzählen? Damit andere wissen, dass ich unfähig bin, ein Kind auszutragen? Ich schäme mich dafür. Ich schäme mich dafür, dass ich eine Fehlgeburt hatte, nein, dafür, dass ich mehrere hatte. Aber wenn ich versuche, rational darüber nachzudenken, finde ich meine Scham doof! Warum sollte sich eine Mama dafür schämen müssen?!

Was kann ich denn dafür?

Ich habe nicht geraucht, nicht getrunken, mich gesund ernährt, Folsäure eingenommen. Alles, was man halt so macht. Und trotzdem ist es immer wieder schiefgegangen. Gleich dreimal. Ich habe nichts falsch gemacht und schäme mich trotzdem, deswegen halte ich es geheim. So denken leider viele Sternchen-Mamas, und das finde ich falsch. Wenn ihr noch mal daran zurückdenkt, wie viele Frauen von einer Fehlgeburt betroffen sind, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch euch passieren kann – oder einer lieben Freundin vielleicht schon passiert ist.

Also warum sollte sich eine Mama ganz alleine mit dem Thema auseinandersetzen müssen, warum den Schmerz still alleine ertragen. Wenn wir alle offener und mutiger damit umgehen würden, dann wäre es leichter, darüber zu sprechen. Dann wüsste man, an wen man sich wenden könnte. Das würde mir sehr helfen.

Deswegen möchte ich mit meiner Geschichte Mut machen: Redet darüber!

Fehlgeburten passieren immer wieder und das ist verdammt grausam. Aber es passiert, auch wenn es niemand von uns verdient hat. Wir sollten uns nicht mit dem Schweigen darüber für etwas bestrafen, für das wir nichts können.”


Vielen Dank, liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), dass du uns deine Geschichte erzählt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, berührend, spannend oder mutmachend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected].

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt. Auch wenn ich selbst keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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