„Ich lese alle Chats meiner Tochter – Warum ihr das auch tun solltet”

„Ich gebe es offen zu, ich kontrolliere das Smartphone meiner 13-jährigen Tochter regelmäßig und ich kann das nur allen Eltern empfehlen. Und weil ich mir schon denken kann, dass hier gleich eine Welle der Empörung über mich hereinbricht: Ich tue das nicht heimlich, hinter dem Rücken meiner Tochter, sondern direkt vor ihren Augen.

Chatnachrichten, Direktnachrichten, Kommentare: Ich lese alles, was meine Tochter im Netz von sich gibt.

Es ist nicht so, dass ich das genieße, ganz im Gegenteil. Es ist alles andere als ein Spaß sich die ganzen Teenagerunterhaltungen reinzuziehen, glaubt mir. Trotzdem tue ich es. Ihr meint, ich sollte meiner Tochter mehr Privatsphäre gönnen? Dann möchte ich euch mal kurz daran erinnern, wie wir damals groß geworden sind.

Als ich so alt war, wie meine Tochter jetzt, gab es nur wenige Glückliche, die ein eigenes Festnetztelefon in ihrem Zimmer hatten. Die Leitung mussten sie sich dann aber trotzdem mit den Geschwistern teilen. Von einem Handy oder sogar einem Smartphone waren wir noch weit entfernt. Also hat es zwangsläufig die ganze Familie mitbekommen, wen wir so angerufen haben und oft auch gehört, was so besprochen wurde.

Ganz automatisch wussten meine Eltern meistens, mit welchen Leuten ich Kontakt hatte, worum es gerade in meinem Leben ging.

Das war für mich manchmal peinlich, aber eben auch normal. Schließlich waren meine Eltern die Erwachsenen im Haus, die besser wussten, wie das Leben funktioniert und ich war ein verwirrter Teenager, der noch nicht wusste, was falsch und was richtig ist. Warum sollten unsere Kinder also mit deutlich mehr Privatsphäre aufwachsen als ich damals?

Nur weil wir jetzt im digitalen Zeitalter leben, heißt das ja nicht, dass wir weniger Verantwortung für unsere Kinder haben. Deswegen hat meine Tochter eine kleine Vereinbarung unterzeichnet, als sie ihr erstes Smartphone bekommen hat. Darin stimmt sie zu, dass ihr Handy ein Familieneigentum ist, das ihr Vater und ich jederzeit ohne Anlass kontrollieren dürfen. Also ist die Grundregel klar: Wenn du etwas schreiben willst, was ich nicht lesen sollte, dann war es vermutlich sowieso nichts Gutes!

Klar, viele von euch werden mich und meine Erziehungsmethoden fürchterlich unentspannt finden.

Aber soll ich euch mal was sagen? Ich bin froh, dass wir es so handhaben. Vermutlich weiß ich mehr über eure Kinder, als ihr es tut. Klar, manchmal ist meine Tochter mega genervt, wenn ich mir ihr Handy schnappe, um die Nachrichten zu lesen, aber da muss sie durch. Ich glaube sogar, dass sich unser Verhältnis durch diese Maßnahme verbessert hat.

Seitdem sie weiß, dass ich es eh lesen werde, erzählt sie mir vieles von vornherein. Sie gibt mir also freiwillig viel mehr Informationen, besonders seitdem sie gemerkt hat, dass ich nicht direkt ausflippe, wenn ich von ihren Teenager-Missetaten lese. Außerdem gab es schon einige Situationen, in denen ich froh war, dass ich freien Zugang zu ihrem Handy hatte. Einmal habe ich zum Beispiel gesehen, dass ein Junge aus ihrer Klasse sie nach einem ‚sexy Bootie-Pic‘ gefragt hat (meine Tochter und ich mussten es gemeinsam googeln).

Dadurch, dass ich viel mitbekomme, kann ich meiner 13-Jährigen Redeangebote machen und eingreifen, wenn es nicht anders geht.

Wisst ihr, was eure Teenager wirklich beschäftigt? Höchstwahrscheinlich nicht. Dafür weiß ich, dass die kleine 12-Jährige aus dem Volleyballverein meiner Tochter gerade nur noch eine Mahlzeit pro Tag isst, um abzunehmen. Dass ein Junge aus der Nachbarschaft an der Schule gemobbt wird und die Tochter unseres Dorfpastors auf TikTok einen rassistischen Spruch gelassen hat, der sie ein Leben lang verfolgen könnte.

Die Kinder, von denen ich hier spreche, sind die unauffälligen, die immer nett grüßen und gute Noten mit nach Hause bringen. Manchmal bin ich total geschockt, all diese Dinge über sie zu erfahren. Es ist anstrengend, die vielen Nachrichten auf den unterschiedlichen Plattformen zu verfolgen, es ist verwirrend und es kann schmerzhaft sein. Und das obwohl ich eine erwachsene Person bin, die mit beiden Beinen im Leben steht. Wie um alles in der Welt soll ein Teenager das verarbeiten, wenn wir ihn damit alleine lassen?

Einmal habe ich auch andere Eltern kontaktiert, um sie über eine alarmierende Nachricht ihres Kindes zu informieren.

Das ist allerdings nach hinten losgegangen. Erst wurde alles abgestritten, dann wurde es peinlich. Letztendlich ging die Freundschaft meiner Tochter zu dem anderen Mädchen deswegen in die Brüche.

Ich glaube, viele Eltern sind eigentlich ganz froh, dass sie nicht wissen, was ihre Kinder alles von sich geben und sie sich nicht damit auseinandersetzen müssen. Aber dann sollten sie auch nicht überrascht sein, wenn ihr Schatz irgendwann zu einem völlig anderen Menschen wird, als sie erwartet hatten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich jetzt gerade auch etwas auf dem Handy eurer Kinder befindet, womit ihr nie im Leben gerechnet hättet und was euer Bild von ihnen grundlegend verändern würde.

Ich möchte euch warnen: Eure Kinder können wirklich fies sein, auch wenn ihr das nicht wahrhaben wollt.

Genauso hat meine Tochter schon sehr unangenehme und gemeine Dinge getextet und das, obwohl sie wusste, dass ich es wahrscheinlich lesen werde. Natürlich wollen wir Eltern lieber glauben, dass unsere Kinder Engel sind. Aber wenn wir uns nicht damit auseinandersetzen, wer sie stattdessen wirklich sind (besonders dann, wenn sie sich hinter einem Bildschirm befinden), dann sehe ich schwarz für diese Generation.“


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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg. Am liebsten erkunde ich mit ihm die vielen grünen Ecken der Stadt. Auch wenn ich selbst keine Mama bin, gehören Babys und Kinder zu meinem Leben dazu. Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert und ich komme als „Tante Lena“ zum Einsatz. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Jess
Jess
1 Jahr zuvor

Das man (grad auf den neueren Smartphones, auch sieht wann wie oft zb messages „geöffnet“ wurde oder wieviel „Benachrichtigungen“ eingegangen sind“ oder man bei WhatsApp sieht wieviel Nachricht, Sprachnachrichten, Videos u Fotos ein und ausgegangen sind, hat bei meiner Tochter zwar länger gedauert, bis sie es kapiert hat, inzwischen versteht Sie so aber auch, daß das Internet/Smartphone (Netz) eben echt ’niemals vergisst‘

Geht Niemandwasan
Geht Niemandwasan
2 Jahre zuvor

Dass man Nachrichten auch einfach direkt nach dem Erhalt oder Versandt löschen kann ist dir noch nicht in den Sinn gekommen?