Ich bin krank und meine Kinder finden das unverschämt

„Mama, wann bist du wieder gesund?“ – „Bestimmt bald, mein Schatz.“

„Jetzt?“ – „Nein, jetzt leider noch nicht.“

„Warum?“ – „Weil Kranksein manchmal leider etwas länger dauert“.


„Neeeeeein! Ich will doch JETZT Kuchen backen.“

Gebrüll. 

Dieses Gespräch führe ich mit meinen Kinder, zwei und vier Jahre alt, momentan jeden Tag. Seit fünf Tagen. Mindestens drei Mal am Tag.

Es rumort in unserer Familie. Ich habe es mir nämlich das erste Mal, seitdem unsere Kinder auf der Welt sind, erlaubt, krank zu sein. Mein Ältester ist viereinhalb Jahre alt. Ich finde, ich habe mir also ziemlich viel Zeit gelassen, bis mich ein Grippevirus erwischt hat und für eine Woche mehr oder weniger dauerhaft ins Bett befördert hat.

Wahrscheinlich ist mein normalerweise perfekt funktionierendes Immunsystem genau das Problem. Es hat dafür gesorgt, dass ich alle Magen- und-Darm-Viren sowie grippalen Infekte, die die Familien um uns herum ausgeknockt hatten, bisher ausgelassen habe. Deshalb kennen mein Sohn und meine Tochter es einfach nicht, wenn die eigene Mama ein Komplettausfall ist.

Klar, sie hatten mal mitbekommen, wenn ich erkältet oder übermüdet war oder über Bauchschmerzen klagte.

Aber meine Krankheiten liefen, wie wohl bei den meisten Mamas, immer nebenbei – nicht der Rede wert, weil schließlich gibt es ja so viel wichtigere Themen im Leben: „Mama, dürfen wir heute wieder Paw Patrol schauen?“ oder „Mama, Gespenster sind nicht echt, oder?“ Bei so viel Spannendem will natürlich keiner wissen, wie es gerade in den Nasennebenhöhlen der Mutter ausschaut.

Sorry, Kinder, aber diesmal war es leider anders. Nix nebenbei, sondern volle Dröhnung. Ich lag stundenlang mit hohem Fieber und Schüttelfrost im Bett und in den schlimmsten Zeiten konnte mich auch kein Paracetamol oder Ibuprofen in die Senkrechte hieven.

Die Kinder hatte es durch ein Wunder nicht erwischt, zum Glück! Oder sollte ich doch lieber sagen – leider? 

Natürlich wünsche ich meinen Kindern nicht ernsthaft, krank zu werden. Aber es gab in den letzten Tagen mehrmals diese Momente, in denen ich es mir wünschte, dass sie meine Situation zumindest ein bisschen, ein mini-kleines-bisschen, nachvollziehen können.

Wie schwindelig es einem werden kann, wenn man schnell aus dem Bett springen muss, weil das eine Kind dem anderen das Spielzeug weggenommen hat und beide heulen. Mir wurde schwarz vor Augen auf dem Weg ins Kinderzimmer…

Wie mir jeder einzelne Knochen noch mehr tut, weil einer von beiden oder beide gleichzeitig auf mich drauf springen, um mich zum Spielen zu animieren.

Wie arg mir jedes Wort im Hals schmerzt, und sie mir trotzdem ein Buch nach dem anderen anschleppen, sich an mich kuscheln und befehlen: „Mama, vorlesen bitte.“

Selbst als der Babysitter für ein paar Stunden vorbei kam und mein Mann früher vom Büro nach Hause eilte, um die Kinder zu beschäftigen, ließen sie nicht von mir in meinem Bett ab.

Sie empfanden meine Krankheit als einen Affront.

Als jemanden, der ihnen die wertvolle Zeit mit ihrer Mutter stiehlt. Kein gemeinsamer Spielplatz-Besuch am Nachmittag. Keine Kissenschlacht. Keine Kuchenbacken. Keine bzw. wenige Kuscheleinheiten (ja, meine größte Furcht war, dass ich die Kinder anstecke).

Also ignorierten sie mein Kranksein abwechselnd oder erklärten ihm den Krieg. Dass ich dabei in die Schusslinie gerate, egal.

Ich weiß, sie verstehen es einfach nicht. Sie können es nicht verstehen. Mein Sohn ist gerade in der Phase, dass er sich wünscht, krank zu sein, weil er es schön findet, auch mal vom Kindergarten zu Hause bleiben zu dürfen und etwas mehr Fernsehen zu schauen. Meine Tochter verwendet seit Wochen schon „Bauchweh“ als Synonym dafür, dass ich ihren Bauch streicheln soll.

Sie wissen nicht, wie sich richtige Schmerzen anfühlen – und das ist gut so.

Könntet ihr jetzt trotzdem ENDLICH. AUS. MEINEM. SCHLAFZIMMER. RAUS. DANKE.

Tamara Müller
Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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