„Ich bin keine Rabenmutter, nur weil ich in Vollzeit arbeite“

„Es begann schon während meiner Schwangerschaft: Diese mitleidigen Blicke, die kritischen Kommentare, immer wenn ich von meinem zukünftigen Leben als Mama sprach. Ihr fragt euch, was ich meine? Ich bin Mama und arbeite in Vollzeit – schuldig im Sinne der Anklage!

Ihr meint jetzt bestimmt, dass ich übertreibe, schließlich ist es mittlerweile völlig normal, dass Mamas arbeiten! Nun ja, in unserer Kita bin ich die einzige Mama, deren Kind mit anderthalb Jahren den ganzen Tag dort verbringt, weil ich in Vollzeit arbeite. Die meisten anderen Mamas haben eine Teilzeitstelle. So ist mein Sohn oft der Letzte, der abgeholt wird.

Bin ich eine Rabenmutter?

‚Das muss doch nicht sein, dass so ein kleines Würmchen den ganzen Tag von seiner Mama getrennt ist‘, hörte ich neulich meine Nachbarinnen im Hausflur über mich sprechen. Und sogar Freundinnen rümpfen die Nase, dass ich beruflich nicht kürzertrete: ‚Na ja, ich könnte das nicht‘-Kommentare und entsetzte Blicke beim Mädelsabend, wenn ich vom Leben mit Vollzeit-Job und Kind erzähle, geben mir endgültig das Gefühl, eine Rabenmutter zu sein.

Bevor unser Sohn geboren wurde, hatten mein Freund und ich uns alles so schön ausgemalt: Er ist selbstständig und seine Auftragslage schwankt, ich habe einen krisensicheren Job mit einem guten Gehalt. Also war klar, dass ich nur ein Jahr in Elternzeit gehe, um meine Stelle nicht zu gefährden. Ein weiteres halbes Jahr überbrückte mein Mann, er nahm weniger Aufträge an und arbeitete von zu Hause. So konnte unser Kleiner sich nach und nach an die Kita gewöhnen, bevor er mit anderthalb Jahren ganztags dort blieb.

Fiese Kommentare anderer Frauen

Im Vorfeld sah ich darin gar kein Problem, schließlich mag ich meinen Job. Ein Jahr lang verbrachte ich intensiv Zeit mit meinem kleinen Wunder, danach war mein Mann an der Reihe. Jetzt, nach anderthalb Jahren, haben wir durch die ganztägige Betreuung keine finanziellen Einbußen mehr und können unseren Lebensstandard einigermaßen halten. Was ich nicht eingeplant hatte, sind die fiesen Kommentare anderer Frauen und das daraus entstehende schlechte Gewissen meinerseits.

Denn die Freude darüber, dass unser Sohn von Anfang an gerne in die Kita ging und ich problemlos wieder zurück in den Berufsalltag fand, wurde schnell durch die verständnislosen und abschätzigen Blicke der anderen Mamas getrübt. Ich habe oft das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, nur weil ich diejenige bin, die den Großteil des Geldes nach Hause bringt.

Kein Mann muss sich rechtfertigen, wenn er weiterhin in Vollzeit arbeitet

Ich fand es immer wichtig, finanziell abgesichert zu sein und sich nicht auf einen gutverdienenden Ehemann zu verlassen, wie es bei früheren Generationen oft der Fall war. Denn wohin das führen kann, wird spätestens beim Thema Altersarmut deutlich, die meistens Frauen betrifft. Deswegen möchte ich auch mit einem gewissen Stolz auf meinen Vollzeit-Job blicken: Ich kann für mich selbst sorgen und bin nicht von meinem Partner abhängig.

Außerdem empfinde ich die ständige, unterschwellige Kritik an meinem Leben als berufstätige Mama als unfair! Noch nie habe ich gehört, dass ein Mann kritisiert wurde, der trotz kleiner Kinder Vollzeit arbeitet. Im Gegenteil, die meisten haben für solche Väter nur lobende Worte – schließlich arbeiten sie hart für ihre Familie.

Ich habe genug vom schlechten Gewissen!

Neulich weinte mein Sohn morgens in der Kita, weil er sich beim Jacke ausziehen den Kopf gestoßen hatte. Eine andere Mama in der Garderobe missinterpretierte das offenbar als Abschiedsschmerz und kommentierte: ‚Tja, für Kinder ist es eben doch das Beste, wenn Mama bei ihnen ist!‘ Diese unbedachte, aber anmaßende Bemerkung traf mich hart und gleichzeitig merkte ich in dem Moment ganz deutlich: Ich habe genug!

Genug vom schlechten Gewissen und den anderen Müttern, die mir das Gefühl geben, als Mama zu versagen. Ich machte mir noch einmal bewusst, warum ich mich für diesen Weg entschieden habe und habe mir seitdem fest vorgenommen, mich nicht mehr von anderen Frauen verunsichern zu lassen. Schließlich muss jede selbst für sich und ihr Kind den besten Weg finden, ungeachtet dessen, was andere Mamas vielleicht darüber denken.

So lange es meinem Kind gut geht, ist doch alles okay, oder?!

Trotzdem gibt es etwas, was ich mir von anderen Mamas wünschen würde: Mehr Toleranz und Verständnis für eine Mama, die es anders macht. Schließlich kann es sich nicht jede Frau leisten, weniger zu arbeiten, wenn die Kinder da sind. Und manchmal ist es auch einfach schön, im Job voll aufzugehen und Karrierechancen wahrzunehmen.

Solange mein Kind zufrieden ist und ich glücklich bin, ist doch alles in Ordnung, oder?“

Liebe Nadine, vielen Dank, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir und Deiner Familie alles Liebe!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, berührend, spannend oder mutmachend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected].

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
7 Comments
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen
Susi Sorglos
Susi Sorglos
5 Monate zuvor

„hatten mein Freund und ich uns alles so schön ausgemalt: Er ist selbstständig und seine Auftragslage schwankt“

Mit Blick darauf, dass es wohl in den meisten Familien so ist, dass der Besserverdiener bzw. derjenige mit dem sichereren Job mehr arbeitet (und das aufgrund der schlechteren Bezahlung vieler „Frauenberufe“ eben weiterhin häufig der Mann ist)… wo ist denn Papa plötzlich verschwunden? Mama bringt und holt und Papa mit der schwankenden Auftragslage wird mit keinem Wort mehr erwähnt?

Wenn für Mama das „mein Kind ist immer das Letzte“ (meins auch und um im „mein Kind bleibt nie länger als bis x“ zu gewinnen müsste ich auch so weit runter mit den Stunden, dass ich es gleich lassen kann), warum holt Papa es dann nicht in Zeiten geringerer Auftragslagen früher? Oder nutzt die Chancen der Selbständigkeit zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie? Warum hängt es immer immer immer an der Mutter?

Sabrina
Sabrina
1 Jahr zuvor

Vollzeitarbeitende Mamas ich applaudiere Euch! Ich schätze euch absolut, ihr leistet alle grandioses. Der Sprung zwischen Karriere und Kind ist nicht einfach. Bin Mama einer 6jährigen, mein Partner arbeitet in 2Schichen und ich im 3 Schicht Betrieb – Vollzeit! Auch ich kenne Unverständnis, mildes belächeln und Mitleidstouren anderer – selbst aus dem Familienkreis! Mein Papa meinte erst vor kurzem, dass mein Kind in der Schule untergehen würde da ich nie da sei. Wie kommt er drauf? Rechtfertigen, schlechtes Gewissen, Gedanken die mich beschäftigen… Aber Altersarmut? Nein danke! Meine Tochter versteht mich besser als mein Papa – kann sich das jemand vorstellen? Eine 6jährige weiss wieso ich arbeite in Vollzeit aber Erwachsene nicht? Hut ab vor meiner Kleinen.
Wir können unter anderem die wenige Zeit viel mehr genießen, die wir zusammen als Familie erleben da wir weniger vom Familiären Haushaltsalltag gestresst sind als jeder andere.

arija
arija
1 Jahr zuvor

Frag doch mal dein Kind, ob es gern den ganzen Tag in der KITA ist.

Ramona
Ramona
1 Jahr zuvor

Ich bin alleinerziehend (10 und 6) und arbeite Vollzeit. Meine Kinder sind beide nach meinen Elternzeiten Vollzeit in der Krippe und der Kita gewesen. Die Große ist jetzt in der 4. Klasse und Nachmittags 2 Stunden alleine zuhause.
Hier in meiner Region (Städtisch, Mecklenburg-Vorpommern) ist das normal. Ich musste mich Gott sei Dank noch nie dafür rechtfertigen. Klar würde ich gerne weniger arbeiten. Aber ich möchte mir und meinen Kindern auch was bieten können. Klassenfahrten, Eis Essen gehen, Frisch kochen, Urlaub, Wochenendausflüge. Das geht nicht ohne Geld. Und meine Kinder verstehen das. Wir genießen die Zeit, die wir gemeinsam verbringen und beide entwickeln sich toll.

Melanie
Melanie
2 Jahre zuvor

Ich bin auch Mama und arbeite Vollzeit. Ich verlasse morgens um halb sieben das Haus und bin abends um halb sechs wieder da. Kita und demnächst Schule/OGS muss mein Mann machen, da er flexibler anfangen kann bei der Arbeit. Unser Kind ist voll und ganz zufrieden mit der Situation. Er geht gerne in die Kita und er ging auch immer gern zur Tagesmutter. Ich finde, ich habe ein Recht auf ein eigenes Leben. Ich bin gerne Mama, trotzdem gehe ich auch gerne arbeiten.

maria
maria
2 Jahre zuvor

Ich habe auch schon, bevor mein Kind überhaupt geboren ist, nur negative Kommentare zu hören bekommen, dass ich ab einem bestimmten Punkt keine 100 % Elternzeit, sondern einen kleinen Teil meiner Stelle weiter machen möchte. Meist bekommt man dann zu hören dass man es bereuen wird wenn man sich dann täglich zwei Stunden im Homeoffice mit Arbeit beschäftigen muss. Ich sehe das anders. Ich mag meine Job und seine Kopf täglich noch mit etwas anderem zu fordern finde ich nicht verwerflich.
Bei unserer Planung macht der Papa dann die Eingewöhnung in der Kita während ich wieder Vollzeit in meinem Job einsteige.

Karoline
Karoline
2 Jahre zuvor

Danke für diesen tollen Beitrag. Unsere Kinder sind noch nicht mal da und ich hab jetzt schon das Gefühl, dass ich mich rechtfertigen muss, weil mein Mann und ich uns die Elternzeit teilen und ich „nur“8 Monate in Elternzeit gehe und dann Vollzeit arbeiten gehe.