Helikopter-Mutter: „Meine Kindheit war geprägt von ihrer Kontrolle.”

„Ich bin 29 Jahre alt und komme aus dem Saarland und ich bin das Kind einer Helikoptermutter. Meine Kindheit war geprägt von reiner Kontrolle. Soweit ich zurück denken kann, wurde ich mit emotionaler Erpressung und Angst erzogen. Ich bin Einzelkind und daher hat meine Mutter ihren kompletten Fokus auf mich gelegt. Mein Vater war zwar auch da, aber sie kontrolliert ihn genauso wie mich.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich damals nichts machen durfte, was auch nur ansatzweise hätte gefährlich sein können. Dazu gehörte zum Beispiel, dass ich nie Videospiele spielen durfte, weil sie süchtig machen. Bei uns Zuhause gab es keinen Computer, weil meine Mutter das nicht wollte. ‚Du brauchst den ja eh nicht. Wenn du etwas für die Schule brauchst, kannst du es ja bei Familienmitgliedern oder Freunden am Computer machen‘, war immer ihre Aussage.

Ich durfte keine Animes schauen.

Die Synchronisation ist ja so schrecklich, ich hätte ja nie richtig sprechen können, wenn ich es geschaut hätte. Als kleines Mädchen wollte ich einem Karnevalsverein beitreten, um dort in der Tanzgarde mittanzen zu können. Sie hat es mir nie erlaubt, weil Tanzmariechen Futter für Pädophile sind. Ich durfte auch oftmals nicht alleine zur Schule laufen, da es ja so viele gefährliche Menschen da draußen gibt.

Ich durfte nicht alleine durch Wälder gehen, weil mir dort ja Pädophile im Busch auflauern könnten und dort hört niemand meine Schreie. Und nein, das war nicht einmal mit einer gemeinsamen Freundin erlaubt, da ein ausgewachsener Mann auch locker mit zwei 14-jährigen Mädchen fertig werden würde. Meine Mutter neigt leider bei Problemen sehr dazu, das Ganze zu dramatisieren und immer vom Schlimmsten auszugehen.

Geheimnisse durfte ich vor meiner Mutter nicht haben und es war auch schlicht und ergreifend unmöglich.

Ich habe oft versucht, die Dinge, welche ich ihr nicht anvertrauen konnte, meinem Vater anzuvertrauen, aber sie merkte sehr schnell, wenn etwas war und hat ihn dann so lange unter Druck gesetzt, bis er mein Geheimnis verraten hat. Selbst bei meinen Freunden musste ich aufpassen, denn auch die wurden ausgequetscht, bis sie meiner Mutter gesagt haben, was mit mir los ist. Wenn ich früher meine Ruhe wollte, aber sie ein Thema besprechen wollte, hat sie mir diese nie gelassen.

Sie trieb mich so weit, dass ich mein Zimmer abschließen musste. Was dann passierte, schockierte mich. Als sie bemerkte, dass ich meine Tür abgeschlossen habe, hat sie sie einfach aus dem Türrahmen getreten. Dies sind nur ein paar Beispiele aus meiner Kindheit und wenn ihr denkt, dass es besser wurde, als ich Erwachsen wurde, irrt ihr euch gewaltig.

Ich bin mit 24 Jahren von Zuhause ausgezogen, um mit meinem Partner zusammenzuziehen und da ging der Spaß so richtig los.

Angefangen hat alles damit, dass sie unsere Wohnung kritisiert hat und das einfach nur, weil ich bestimmte Dinge im Haushalt anders mache als sie. Sie wollte mir auch sofort erklären, wie ich was zu machen hätte und wenn ich nicht sofort einwilligte, dann endete das Ganze in einem riesigen Streit. Offene Briefe mussten mein Partner und ich sofort wegräumen, wenn klar war, dass sie vorbeikommen würde, weil sie diese ohne Erlaubnis lesen würde.

Sie hat sich sehr oft in Entscheidungen eingemischt, welche ich mit meinem Partner getroffen habe und immer versucht, diese schlecht zu machen, weil es ja nicht ihre waren. Sie durfte mir und meinem Partner immer ins Wort fallen, aber wehe, mein Partner oder ich haben sie gebeten, uns ausreden zu lassen. Dann wurde uns vorgeworfen, dass wir keinen Respekt vor älteren Personen hätten.

Kurz und gut: sie wollte alles kontrollieren.

Irgendwann brach ich unter diesem Druck so zusammen, dass ich eine Therapie begonnen habe. Meine Mutter hat mich gewarnt, dass Therapeuten furchtbar manipulativ sind und mir Probleme einreden wollen, die es gar nicht gibt und ich das sowieso nicht nötig hätte, weil ich durch sie immer ein schönes Leben gehabt hätte. Es kam wie es kommen musste: Es stellte sich heraus, dass ich durch meine Mutter so große Probleme habe, dass ich sogar für mehrere Wochen in eine Klinik musste.

Als sie das erfuhr, hat sie mir vorgeworfen, dass ich von jetzt an nur noch dazu verdammt wäre, Medikamente zu mir zu nehmen und es mit mir nur noch bergab gehen würde. Was soll ich sagen? Dem ist nicht so. Natürlich ist mein Weg nicht leicht und ich habe sehr viele Probleme durch die Art und Weise, wie ich erzogen wurde, aber ich fange jetzt endlich an zu leben. Und zwar so, wie ich es will. Bevor ich in die Klinik gegangen bin, habe ich den Kontakt zu meiner Mutter abgebrochen, was ein sehr wichtiger Schritt für mich in Richtung Freiheit war.

Allerdings nutzt sie immer noch die Ressourcen, die ihr möglich sind, um mich zu kontrollieren.

Sei es durch meinen Vater, der Kontrollanrufe in ihrem Namen macht, oder durch meine Tante, die mich für sie aushorcht und ihr dann alles mitteilt und ihr sogar meine kompletten Posts auf Social Media zeigt. Sogar meine Wohnung wird von ihr beschattet und jede Aktivität hat sie genau im Auge. Da mein Partner und ich im Moment in einer Trennungsphase sind, bin ich dabei, mir eine Wohnung in einer Stadt zu suchen, wo sie nicht einfach so mal hinfahren und mich kontrollieren kann.

Warum erzähle ich euch das alles?

Ganz einfach: Oft bekomme ich in meinem Umfeld und auf Social Media mit, wie über Kinder von Helikoptermüttern gescherzt wird, weil es Kinder sind, die nichts können und nichts wollen. Dieses Thema ist allerdings eine sehr ernste Sache und nicht einfach zum Lachen. Es ist nicht so, dass wir als Kinder von Helikoptermüttern nichts wollen. Stellt euch vor, ihr wärt in eurem Zuhause an allem gehindert worden, was ihr gern gemacht hättet. Dann kommt ihr unter andere Menschen und sollt diese Dinge plötzlich machen.

Ihr kriegt sie nicht hin und fangt euch damit auch noch dumme Sprüche ein, was für das ohnehin schon angekratzte Selbstvertrauen nicht gerade förderlich ist. Also was macht ihr? Ihr probiert es alleine, wenn keiner hinschaut oder am besten gar nicht, um keine Kritik zu kriegen, weil ihr diese nicht verkraften könnt, weil ihr sowieso immer die seid, die alles falsch machen.

Zudem leben wir mit einer schrecklichen Angst.

Ich kann nicht Mal alleine abends rausgehen, ohne Angst vor Gefahren zu haben, die an jeder Ecke lauern könnten. Situationen, in denen ich allein am Bahnhof stehe und plötzlich kommt eine männliche Person dazu, um auch auf den Zug zu warten, machen mir schreckliche Angst. Darum nochmal zum Abschluss: Verurteilt niemanden. Ihr wisst nicht, was diese Person durchmachen muss. Es könnte Gründe haben, welche ihr euch in euren Träumen nicht einmal vorstellen könnt.“


Liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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