Viele Familien wissen aktuell nicht, wie sie ihre Lebenshaltungskosten in den nächsten Monaten stemmen sollen. Die Preise sind sprunghaft angestiegen und im Herbst droht schon eine enorme Nebenkostenabrechnung. Die Regierung versucht zwar gegenzusteuern und hat ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht, doch 300-Euro-Energiepauschale und 100-Euro-Kinderbonus reichen längst nicht aus, um die Mehrkosten zu decken.
Wie mag es also Menschen gehen, die von Hartz IV leben müssen?
Im März meldete das Statistische Bundesamt eine Inflation von 7,3 Prozent, Nahrungsmittel verteuerten sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 6,2 Prozent. Der Hartz-IV-Regelsatz wurde aber nur um drei Euro angehoben. Klingt alles andere als fair, oder? Focus.de hat deswegen mit einer Mutter gesprochen, die gemeinsam mit den drei Kindern und ihrem Mann von Hartz IV lebt – und ihre Antworten dürften einige überraschen.
„Ganz ehrlich: Wenn Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger in diesen Tagen besonders laut jammern, kommt mir das fast so vor, als hätte der ein oder andere nur auf den nächsten Vorwand gewartet”, sagt die Frau im Gespräch mit Focus. Sie würde die Preissteigerung zwar auch bemerken, aber eher in dem Sinne, dass am Ende des Monats statt 60 Euro nur noch 30 Euro übrig wären.
„Von nicht satt werden kann also keine Rede sein.”
Die Mutter setzt sogar noch einen drauf: „Ich schäme mich, wenn ich Leute so reden höre. Es stimmt, wir müssen rechnen und leicht ist es gewiss nicht. Fakt ist aber: Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt.”
Sie nennt ein Beispiel: „Eine Familie bei uns im Haus, auch sie leben von Hartz IV und haben ebenfalls drei Kinder. Da fallen gegen Monatsende immer mal wieder so Sprüche wie: Ab jetzt geht nur noch Toastbrot. Oder: Mehr als Nudeln ist gerade nicht drin. Die Wahrheit ist, dass diese Leute schlicht nicht mit Geld umgehen können. Sie planen nicht.”
Das sind Aussagen, die viele Hartz-4-Empfänger sicherlich nicht lustig finden.
So wies der Sprecher des gemeinnützigen Kinder- und Jugendwerks Arche, Wolfgang Büsche, schon 2018 darauf hin, dass zwei Millionen Kinder in Haushalten leben, in denen die Eltern von Hartz IV leben. Dort fehle das Geld an allen Ecken und Enden, viele Kinder würden mangelhaft ernährt.
Also, was genau macht denn bei der Mutter und ihrer Familie den Unterschied? Sie teilt ihre Tipps mit dem Focus und erzählt: Einmal im Monat macht sie einen Großeinkauf im Supermarkt. Dafür leihen sie sich ein Auto von Freunden, da sie sich kein eigenes leisten können. „Unsere Tour geht dann durch mindestens fünf bis sechs Läden. Zwischendurch fahren wir nach Hause und laden aus.”
„Sechs Stunden Einkaufen sind alles in allem keine Seltenheit.”
Es gibt zwar auch einen Supermarkt, der für die Familie fußläufig zu erreichen wäre, aber der ist viel zu teuer. „Das Auto der Freunde können wir nicht beliebig oft leihen. Wir müssten also die Bahn nehmen, was drei Euro je Person und Fahrt bedeutet. Das würde den Rahmen sprengen.”
In Vorbereitung auf diesen Großeinkauf informiert sich die Mutter über sämtliche Angebote der Supermärkte, um sicherzustellen, dass sie die Produkte immer zum günstigsten Preis kauft. „Es lohnt sich absolut, hier ein wenig zu puzzeln und alles mit der Liste abzugleichen, die wir in den Wochen davor penibel geführt haben. Wir kaufen zu bestimmt 80 bis 90 Prozent Angebote. Anders geht es nicht.”
Doch eine Ausnahme gibt es:
Beim Fleischkauf geht für die Hartz-IV-Familie die Qualität vor, dafür fahren sie sogar zum örtlichen Metzger. „(…) Wenn man überall sonst den Preisfuchs spielt, muss das drin sein. Schon allein wegen der Gesundheit.” Außerdem seien sie und ihr Mann vor einiger Zeit auf E-Zigaretten umgestiegen, denn das sei günstiger als herkömmliche Filterzigaretten.
Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg: Die Familie besitzt vier Gefrierschränke, sodass die Mama oft vorkocht und einfriert. „Alle vier gehe ich jeweils vorm Einkaufen gründlich durch. Essen wegwerfen ist für mich eine Sünde – wenn man bedenkt, dass die Menschen anderswo Hunger leiden.” Sie ist außerdem stolz darauf, dass es bei ihr kein Fertigessen gibt, sondern sie jeden Tag frisch kocht.
In ihrem Freundeskreis befinden sich übrigens noch weitere Hartz-IV-Familien, denen die Mutter mit ihren Strategien gerne weiterhelfen würde.
Doch leider stößt das nicht immer auf Begeisterung. Die Einkaufsmethode habe zum Beispiel bei einer befreundeten Familie eine Zeitlang funktioniert. „Aber dann sind sie irgendwann wieder nachlässig geworden und statt sich ehrlich zu machen stoßen sie ins Horn, in das aktuell so viele stoßen. Die Kinder würden zum Monatsende oft nicht satt und so weiter. Mag sein, dass man sowas mit der Zeit selbst glaubt.”
Andere würden sich von der Vorzeige Hartz-IV-Familie verraten oder unter Druck gesetzt fühlen. Trotzdem lässt sich die Sparfuchs-Mama nicht entmutigen, denn sie ist überzeugt, dass ihre Methoden nicht nur ihr Leben erleichtern, sondern auch für ihre Kindern eine wichtige Lektion sind: „Wir sprechen oft darüber, ich möchte nicht, dass sie auf diesen Jammerzug aufspringen. Sie sollen schätzen, was sie haben.”
Auch die alleinerziehende Mama Jana ist auf Hartz IV angewiesen. Im Beitrag „Hartz IV und trotzdem ein gutes Leben” spricht die Mutter aus unserer Community über ihre Erfahrungen.