Gastbeitrag: „Kofferpacken mit Kindern? Danach bin ich urlaubsreif.“

Ich packe für den Urlaub.

Das sechs Wochen alte Baby sitzt in ihrer Wippe auf dem Bett und nörgelt.

Einen Schnuller möchte sie immer noch nicht.

Das große Kind ist gerade mit dem Mann vom Spielplatzbesuch heimgekommen und hüpft, fröhlich, rotbackig und laut singend, auf der väterlichen Seite vom Bett.

Auf meiner Seite vom Bett befinden sich neben besagter Babywippe ungefähr drei Zentner frische Wäsche.

Man könnte meinen, ich wasche für sämtliche meiner Ahnen und das benachbarte Mehrfamilienhaus gleich mit.

Das Baby nörgelt lauter, die Große stellt unmissverständlich klar, dass sie möchte, dass ich ihr zugucke.

Ich merke, wie mein Stresspegel steigt.

Ich lächle der Großen aufmunternd zu, schubse die Wippe vom Baby an, murmele beruhigende Worte und streichle das weiche Köpfchen.

Dann beeile ich mich und versuche möglichst sinnvoll die Wäsche in einzelne Berge zu häufen und beim Zusammenlegen gleich schon in Urlaubs- und Schrankwäsche zu unterteilen.

Zeitsparen will ich.

Nicht alles zweimal in die Hand nehmen müssen.

Mein bester Freund beim Packen sind Wäschenetze in verschiedenen Größen.

So kann man die diversen Kleidungsstücke einigermaßen geordnet und vor allem platzsparend in den Koffer werfen, ohne, dass sich nach dem Öffnen am Urlaubsort, sofort die Büchse der Pandora in die unschuldige Ferienwohnung entleert.

Das Baby meckert jetzt lauter.

Nix da, Mama, ich möchte jetzt auf den Arm. Sofort!

Die Große hüpft. Wäschestücke fallen vom Bett auf den Schlafzimmerboden.

Mein Augenlid zuckt.

Ich atme durch und erkläre ihr, dass ich nicht will, dass die Wäsche durcheinander kommt.

Okay, Mama.

Die Große hüpft weiter.

Das Baby schreit nun.

Ich erkläre grollend und wahrscheinlich am allermeisten mir selber, dass ich jetzt diese Wäsche abarbeiten muss, wenn irgendjemand aus der Familie im Urlaub bekleidet rumlaufen möchte.

Die Große hüpft.

Ein Wäscheberg stürzt ein.

Seine Ausläufer rollen mir vor dem Bett vor die Füße.

Das Baby schreit. So doll, dass es einen roten Kopf bekommt.

Ich bin gestresst.

Beuge mich zum Baby und rede beruhigend auf sie ein. Dabei kicke ich aus Versehen ein paar frisch zusammen gedüddelte Socken unters Bett.

Ciao.

Wahrscheinlich sehe ich sie nie wieder.

Der Mann kommt rein und nimmt sich dem Baby an.

Das Baby meckert, weil es nicht bei Mama auf dem Arm ist.

Die Große hüpft.

Wäsche fällt vom Bett.

Der Mann schunkelt das schimpfende Baby durch die Wohnung.

Ich lege in Windeseile die Wäsche zusammen und packe einen Teil der mit-in-den-Urlaub-Klamotten des großen Kindes in eins der Wäschenetze.

Im Urlaub soll es schneien und kühler werden.

Sie braucht also langärmelige Shirts und Hosen, versuche ich zu denken. Unterhemden. Und natürlich unbedingt den Schneeanzug.

Hastig werfe ich mit Wäscheteilen um mich, sehe ein bisschen so aus, als ob ich matrixmäßig imaginären Kugeln ausweichen würde und irgendwie stimmt das ja auch, denn ich fühle mich grade mit so Einigem bombardiert.

Die Große hüpft und fordert mich weiterhin eindringlich auf, ihr zu zuschauen.

Das Baby schimpft unüberhörbar auf Papas Arm; der wiederum hopst durchs Wohnzimmer und summt energisch ein Schlaflied.

Wäsche fällt vom Bett.

Ich weiß, dass das Baby müde ist und nur in Ruhe auf meinem Arm an der Brust einschlafen will.

Ich weiß, dass die Große grade so sehr Zeit mit mir braucht.

Ein Kind fragt eben nicht, ob man Zeit mit ihm verbringt, ein Kind ruft und hüpft und will, dass du zuguckst. Oder es möchte mit dir spielen. Und zwar jetzt gleich.

Beide Kinder muss ich grade warten lassen.

Wiedermal unerfüllte Bedürfnisse aufgrund von Hausarbeit.

Wiedermal flammt das schlechte Gewissen in heißen Schüben in mir auf.

Ich will doch eigentlich nur den nötigen Teil erledigt haben, um dann mit den Kindern einen schönen Urlaub zu verbringen.

Ich werfe mit Wäsche um mich.

Versuche, zwischen all dem Geschrei und Gehüpfe meine Gedanken zu hören und meine verbliebenen Gehirnzellen auf Effizienz zu steuern.

Dann, endlich, der erste Berg scheint bezwungen, drei Unterbumbeln noch und dann ab dafür.

Die Große hüpft.

Zusammengelegte und für den Urlaub sortierte Wäsche fällt vom Bett.

Mein Augenlid zuckt.

Das Baby schreit.

Der Mann summt.

Hier hat grade niemand mehr Nerven fürs Packen.

Ich nehme das Baby.

Fast augenblicklich schläft sie auf meinem Arm ein.

Die Große hört auf zu hüpfen und verlässt das Schlafzimmer mit der Aussicht auf ein Stück Himbeerkuchen. Den habe ich uns früher am Tag nach dem Einkaufen vom Bäcker besorgt.

Es wird still zwischen den Wäschebergen.

Noch zwei Tage bis zur Abfahrt. Wo sind eigentlich die Koffer?

——

UNSERE GASTAUTORIN: CHARLOTTE GÖHRING

Charlotte

Charlotte. Foto: privat

Vielen Dank, liebe Charlotte, für deinen Text.

Charlotte Göhring, 33 Jahre alt, wohnt und schreibt in Freiburg im Breisgau – und hat schon einen anderen Text bei uns veröffentlicht, den findet ihr hier.

Auf ihrem Blog „Gigantica vs. Dinkelkeks“ erzählt sie ehrlich und direkt aus dem Alltag mit ihren zwei Töchtern (geboren 2017 & 2021), dem Spagat zwischen Frau- & Mama-sein und von Begegnungen mit ihrer Peergroup: anderen Müttern.

Mit einem Augenzwinkern und einer gehörigen Portion Sarkasmus nimmt sie weder sich selbst noch festgefahrene Elternweisheiten ernst.

Wer noch mehr über ihre ganz persönlichen Alltagsherausforderungen zwischen Beziehung, Mental Load, selbsterklärten Fitnesszielen und der aktuellen Stilldemenz lesen möchte, folgt ihr auf Instagram unter @dusslige_rapunzel.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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