Familienleben im Lockdown: „Bei uns ist’s wie im Zirkus ohne Zelt“

„Ich schreibe jetzt etwas über den Wahnsinn des Familienmanagements, während Pubertät, Lockdown und Zwergenaufstand. Aber mal ganz von vorne…Ich bin Mama, seit meinem 19. Lebensjahr, denn da wurde meine Tochter geboren.

Vorher war ich so sehr mit dem ‚Selbst-groß-werden‘ beschäftigt, dass es zunächst gar nicht so einfach war, sich mit dem Gedanken an das Mama werden anzufreunden. Die Umstände sprachen auch nicht wirklich dafür, aber wir beide haben es geschafft. Der Weg allein zu zweit ging aber nicht all zu lange gut. Aber 2012 haben wir den besten Bonus Papa der Welt gefunden.

Es hat einfach alles gepasst und so sind wir heute zu fünft.

Es war alles perfekt, wir stritten uns, lachten gemeinsam, machten Ausflüge. Wir haben die Zeit als Familie gelebt wie und wo wir wollten. Bis es plötzlich hieß, dass der erste Coronafall Deutschland erreicht hat und seit dem 16. März 2020 alles einfach nur anders ist. Alle zu Hause, keine Ausflüge ohne Grummeln im Bauch, Zoo zu, Schwimmbad zu, und auch der Urlaub steht in den Sternen. Da soll mal einer einen klaren Kopf behalten. Die Große muss Homeschooling machen, während Nr.2 nicht in die Kita kann und der Minizwerg sich gerade darin übt, seinen eigenen Kopf durchzusetzen. Der Papa darf zur Arbeit – der Glückliche!

Die Mama versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren, die Kinder davon abzuhalten sich gegenseitig zu lynchen und die Bude nicht im absoluten Chaos versinken zu lassen. Neben den Stress durch Frühstück, Mittag- und Abendessen kommt das Pubertier regelmäßig mit hochrotem Kopf ins Wohnzimmer, um sich über die Masse der Aufgaben zu beschweren, weil die Lehrerschaft eindeutig zu viel Langeweile zu haben scheint. Nr.2 versteht mit seinen fünf Jahren noch nicht so ganz, warum gegenseitige Besuche nicht aus dem Ruder laufen sollten und warum dieses blöde Corona einfach die Kita schließen darf. Wie kann ein Virus denn sagen, dass alles zu sein soll? Ja, und der Minizwerg, der tobt aus Sympathie einfach mal mit.

Der Papa kommt nach Hause.

Mama ist mal wieder genervt. Das Küchenfenster stand offen und sein erster Satz zur Begrüßung ist: ‚Schön zu hören, dass bei uns keiner Angst vorm Jugendamt hat.‘ Ja, es ist oft laut und wir sind definitiv nicht die ‚Heile-Welt- Familie‘, das bekommt dann auch gerne mal die Nachbarschaft mit. Aber keine Sorge, Frau Müller hat noch nie geklingelt. Bisher.

Aber wenn das so weitergeht, kann ich nicht dafür garantieren, dass Nachbar Hans-Werner mich nicht abholen lässt, um mich zu therapieren. Denn Hans-Werner arbeitet in der Psychiatrie und seine mitleidigen Blicke, wenn wir uns über den Gartenzaun grüßen, sagen mir immer wieder: ‚Nanina, bleib ruhig. Auf Mord folgt Knast, da kommst du dann noch weniger irgendwo hin. Also lieber den Lockdown überstehen und gut!‘

Kaum haben wir uns von einer Krise erholt, ist er schon wieder da: Der Tyrann in meinem Fünfjährigen.

Er versucht seine Langeweile damit zu vertreiben, überall Löcher zu graben und vor sich hin zu knurren, weil er mal Dino, mal Tiger, mal Monster ist. Spazierengehen, um eventuell etwas den Kopf frei zu bekommen? Paaah, dazu hat er natürlich keine Lust. Sich nur hüpfend im Wohnzimmer von Wand zu Wand zu bewegen, ist dagegen kein Problem. Der Minizwerg versucht es nach zu machen, stolpert. Tischkante. Blut. Och nööööööö.

Alles gut, erstmal abtupfen, anschauen, puuuuuusten und Ruhe bewahren. In der Ruhe liegt die Kraft. Das Pubertier hat mitbekommen, dass etwas passiert sein muss. Erste Frage beim Betreten des Wohnzimmers: ‚Darf ich mit in die Notaufnahme?!‘ Aber natürlich, mitten in einer Pandemie, machen wir einen Familienausflug in die Notaufnahme (Stellt euch bitte genau jetzt ein ‚SARKASM!‘-Schild vor). Aber gut, war sowieso nicht nötig, denn im ersten Moment sah es viel dramatischer aus als es war. Der Papa kommt nach Hause und was zuvor noch nörgelnde Kinder waren, freut sich jetzt riesig, ein ‚neues‘ Gesicht im Zirkus ohne Zelt zu sehen.

Ja, all das, was vorher noch so schlecht war, ist für etwa 10 Minuten vergessen.

Gefühlt nur dafür, um meine Müdigkeit als ungerechtfertigt darzustellen. Doch dann kommt er wieder, der altbekannte Satz ‚Mama, es ist soooooo langweilig.‘ Okay, lass uns auf den Spielplatz gehen. In unserem kleinen Dörfchen sollte der nicht zu voll sein. Also anziehen und los… als wir angekommen sind, stellen wir fest, dass der Spielplatz jetzt auch noch gesperrt ist – Corona Maßnahme. *Innerlich in sich zusammen sackend* geht es also noch ein paar Meter weiter, es ist kalt, aber da ist ein kleines Gewässer, an dem die Kinder spielen können.

Nass und frierend, dann wieder nach Hause. Ab in die Wanne. Ihr ahnt es, Auftritt Papa, er hat Feierabend. Und Wochenende. Kein Homeschooling, ausschlafen (vergesst es, es ist nur Wunschdenken), gemeinsam frühstücken und einfach irgendwo hin fahren. STOP. Corona, #stayathome, Lockdown, wir bleiben also zu Hause. Gehen vielleicht mal gemeinsam raus, bauen uns einen eigenen kleinen Spielplatz in den Garten.

Die Augen der Nachbarskinder werden riesengroß vor lauter Neugierde.

Der Pool hat ein Leck, ein neuer muss her. Dann steht er, das Wasser ist drin, die Temperaturen im Keller. Aber der Sommer wird bestimmt noch warm. Wir geben wirklich alles, um es uns auch zu Hause so richtig schön zu machen. Mehr schlecht als recht, je größer die Kinder, desto höher die Ansprüche, aber es geht nun mal alles nur im Maß der Möglichkeiten.

Dann dieser Wechselunterricht. Da soll mal einer Durchblicken. In die Kita dürfen wir unsere Nr.2 auch wieder bringen, aber nur zwei Tage in der Woche. Der Kleinste ist es gar nicht mehr gewohnt, dass er und Mama auch mal alleine sind. Wahnsinn. Wir können mal wieder raus. In den Vogelpark, Menschen sehen. Ein kleines Stück Hoffnung auf Normalität. Corona ruht. Dann sind die großen Ferien vorbei, es geht zumindest in Schule und Kita ‚normal‘ weiter. Aber der Rest…Tja, ihr wisst es ja selbst.

Der Herbst kommt, die Zahlen steigen.

Zum Glück noch recht moderat, das Pubertier darf seinen Geburtstag feiern, kurz danach… Peng. Da ist er wieder. Der Lockdown. Aber erstmal nur in „light“, figurfreundlich oder so… Auf jeden Fall spannend. Kurz vor Weihnachten dann das, was keiner wollte, aber doch wahr wurde: der HARTE Lockdown 2.0. Der Wahnsinn beginnt von vorne, und wir sind noch mittendrin.

Tja, wir haben es bis hierher überlebt, dann schaffen wir den Rest auch noch. Irgendwann wird es eine neue Krise geben und eines weiß ich jetzt schon ganz sicher: Schlimmer geht’s immer. Ich versuche das Ganze trotz allem irgendwie noch ein bisschen mit Humor zu nehmen. Am Ende können wir nur dankbar seufzen, wenn wir heil aus der Sache rausgekommen sind.

Zu guter Letzt bleibt mir wie in jedem guten Roman nur noch eines: Die Danksagung. Danke fürs Lesen.

Bleibt gesund und macht das Beste daraus!“


Vielen Dank, liebe Nanina, dass du uns deine Geschichte erzählt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

WIR FREUEN UNS AUF DEINE GESCHICHTE!
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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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