Das hilft mir, wenn ich kurz vorm Durchdrehen bin

Ich stelle immer öfter fest, dass es nur kleine Änderungen oder Angewohnheiten braucht, um mehr Harmonie in den Alltag zu bringen und uns vorm Durchdrehen zu bewahren. Gemeinsames Lachen zum Beispiel, oder eine einfache, regelmäßig angewendete Atemübung.

Neulich kam bei mir nämlich mal wieder alles zusammen: Stress im Job, eine neue Wutphase der Tochter, der Mann auf Geschäftsreise im Ausland, Chaos in der Wohnung, dazu Arzttermine, die Steuererklärung und und und… Eines Nachmittags war ich (wieder einmal!) mit den Nerven am Ende und kurz davor, mich zum Durchdrehen einfach für drei Tage einzuschließen.

Da erinnerte ich mich plötzlich an einen Yogakurs, den ich vor Jahren gemacht hatte. Genauer gesagt an die sich innerlich ausbreitende Ruhe und Gelassenheit, die ich empfand, wenn wir zu Beginn der Stunde eine meditative Atemübung machten.

Dabei atmeten wir über sechs Sekunden langsam ein, hielten dann den Atem eine Sekunde und atmeten auf sechs Sekunden wieder aus. Das ganze fünf bis zehn Minuten lang.

Ich dachte: Warum probiere ich das nicht einfach zwischendurch, wenn ich merke, dass mich der Stress übermannt? Es hat mir damals den Kopf frei gemacht und mich vorm Durchdrehen bewahrt, vielleicht klappt es auch jetzt.

„Dein Atem ist dein bester Freund“, hatte meine Yogalehrerin immer gesagt. „Er ist immer bei dir.“ Wie wahr!

… und bald übe ich mich meiner Tochter, beruhigend zu atmen. Foto: Bigstock

Der Atem ist so selbstverständlich, dass wir ihn gar nicht groß beachten. Doch er ist eine ganz besondere Körperfunktion, nämlich die einzige der autonomen Körperfunktionen, die wir selbst steuern können (in einem gewissen Rahmen zumindest). Nicht umsonst hört man wohl ständig den Ratschlag: „Atme doch erstmal tief durch!“

In einem Artikel bei Tonic las ich kurze Zeit später ein Interview mit der angehenden Psychaterin Patricia Gebarg, die mit ihrem Mann Richard Brown unter anderem das Buch The Healing Power of the Breath herausbrachte, auf deutsch etwa „Die heilende Kraft des Atems“.

Die beiden beschreiben, dass die erwähnte Atemübung nicht nur die Sauerstoffversorgung des Gehirns ankurbelt, sondern durch den entspannenden Effekt auch die körperliche Stressreaktion beeinflusst, inklusive der Regulierung der Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol.

Ich versuchte es also und machte die Atemübung, wenn ich nachts wach lag, weil mein Kopf voll war mit all den Dingen, die ich am nächsten Tag erledigen musste. Ich atmete, wenn meine Tochter beim Abholen in der Kita mal wieder störrisch gelaunt war – und ich kurz vorm Durchdrehen. Ich atmete, wenn ich mich über ein Jobtelefonat ärgerte.

Und siehe da: Mein Puls wurde langsamer, der Kloß im Hals verschwand und ich konnte viel besonnener mit diesen Momenten umgehen.

Das tolle an der Atemübung ist, dass niemand merkt, wenn ich sie mache. Sie ist für alle anderen unsichtbar und so muss ich mir auch nicht komisch dabei vorkommen.

Übrigens habe ich festgestellt: Je regelmäßiger ich mir diese fünf bis zehn Minuten des Atmens nehme, auch wenn ich gerade nicht gestresst bin, desto ausgeglichener fühle ich mich auch nachhaltig.

Als nächstes habe ich mir vorgenommen, sie auch mal gemeinsam mit meiner Tochter zu üben. Abends vor dem Schlafengehen zum Beispiel. Oder um wieder zueinander zu finden, wenn wir beide einfach gereizt sind. Mal sehen, vielleicht wird daraus ja ein neues, entspannendes Ritual, das schon bald nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken ist.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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