Bei Sabrinas Tochter Leonie wurde schon während der Schwangerschaft eine schwere Fehlbildung der Gefäße festgestellt. Die Ärzte waren ratlos und rieten Sabrina, die Schwangerschaft abzubrechen. Sie entschied sich trotzt aller Ängste dagegen, und heute ist Leonie ein fröhliches kleines Mädchen, das gut mit seinen Einschränkungen leben kann. Sabrina möchte mit ihrer Echten Geschichte Mut machen und setzt sich für mehr Akzeptanz und Verständnis ein:
„Ich war 2020 schwanger mit meinem ersten Kind, meiner Tochter Leonie. Mitten in der Schwangerschaft wurde plötzlich und unerwartet eine komplexe Fehlbildung der Gefäße bei Leonie festgestellt. Die Erkrankung ist bei meiner Tochter wahnsinnig selten und unglaublich komplex, was uns natürlich große Angst gemacht hat.
Schon in der Schwangerschaft haben wir einiges mitmachen müssen.
Uns wurde sogar in der 23. SSW zu einem Abbruch der Schwangerschaft geraten.
Die Ärzte in der Pränataldiagnostik waren mit den Diagnosen leider total überfordert. Und ich hätte mir sehr gewünscht, dass ich besser aufgeklärt worden wäre.
Das fängt schon bei den pränatalen Tests an. Mir war zum Beispiel nicht bewusst, dass man in Deutschland ein Kind bis zur Geburt „abtreiben“ kann, wenn es schwer krank ist. Ich wusste nicht, dass ich plötzlich mitten in der Schwangerschaft vor unglaublich schweren Entscheidungen stehen würde, die ich nie habe treffen wollen.
Ich wurde auch wahnsinnig einseitig und negativ beraten. Ärzte, die selbst wenig über die seltene Erkrankung meines Kindes wussten, haben mir zum Abbruch der Schwangerschaft geraten bzw. mich geradezu in diese Richtung gedrängt.
Ich musste sehr viel selbst aktiv werden, über die Erkrankung recherchieren und habe dann Gottseidank einen Verein gefunden, der mir helfen konnte und mich an die richtigen Ärzte verwiesen hat. Bis dahin wurde mir von den Ärzten wirklich wenig Hoffnung gemacht.
Meine Tochter kam dann als Frühchen in der 35. SSW zur Welt und direkt auf eine Neugeborenen-Intensivstation.
Im ersten Lebensjahr von Leonie haben wir sehr, sehr viel Zeit im Krankenhaus verbracht, teilweise mehrere Monate am Stück. Unzählige Operationen und tolle Ärzt*innen konnten aber ihr Leben retten.
Für uns war die lange Zeit im Krankenhaus natürlich sehr belastend. Vor allem, da die meiste Zeit mitten im Corona-Lockdown stattgefunden hat, und wir so auch auf die Unterstützung von Freunden und Familie verzichten mussten. Teilweise konnten mein Mann und ich auch nicht gleichzeitig in der Klinik sein, sondern mussten uns immer abwechseln.

Sabrina musste nach der Geburt viel zeit mit Leonie im Krankenhaus verbringen.
Foto: privat
Insgesamt kann ich aber rückblickend sagen, dass man viel mehr schaffen kann als man jemals denkt. Und wir sind heute auch irgendwie dankbar für diese Zeit, weil sie unserem Kind das Leben gerettet hat, und wir auf dem Weg auch ganz vielen wunderbaren Menschen begegnet sind, die wir sonst vielleicht nie kennengelernt hätten.
In den darauffolgenden Jahren wurde uns immer mehr bewusst, was Leonies Fehlbildung eigentlich für sie (und uns) bedeutet.
Da ihr linkes Bein sehr stark von der Gefäß-Fehlbildung betroffen ist, kann sie es nicht bzw. nur sehr eingeschränkt benutzen. Sie hat also nie Laufen gelernt, und ihr Beinchen ist heute nur halb so lang wie das gesunde Bein und komplett instabil, weil die Knochen nicht richtig ausgebildet sind.
Erst mit 4 Jahren hat sie vor wenigen Monaten mit Hilfe einer speziell auf sie angepassten Orthoprothese langsam angefangen, laufen zu lernen. Aber das war ein sehr langer und schwerer Weg bis dahin.Die Phasen des Erfolgs und der Weiterentwicklung wurden immer wieder von erneuten Operationen und Krankenhausaufenthalten unterbrochen

Da Leonies eines Bein deutlich kürzer ist, hilft ihr eine Orthese beim Laufen.
Foto: privat
.
Außerdem muss Leonie ihr Leben lang Medikamente nehmen, die das Thromboserisiko senken, also Blutverdünner. Sie muss immer wieder an den Gefäßen operiert werden, und ihr betroffenes Bein kann sehr leicht brechen, weswegen wir auch immer bei allem sehr vorsichtig sein müssen.
Leonie ist heute ein unglaublich starkes, fröhliches 4-jähriges Mädchen.
Sie hat unterschiedliche Fortbewegungs-Hilfen: Vom Rolli über ein Therapie-Fahrrad bis hin zu ihrer Orthoprothese. Das Wichtigste ist: Leonie ist mobil!

Dank ihrer Orthese ist Leonie mobil und kann mit ihren Eltern auf Erkundungstour gehen.
Foto: privat
Als Mama von so einem besonderen Kind habe ich eine ganze neue Sichtweise und einen völlig anderen Blickwinkel auf das Leben gewonnen.
Dafür bin ich heute sehr dankbar. Mir ist durch Leonies Erkrankung bewusst geworden, wie schnell sich das Leben von einem Tag auf den anderen komplett ändern kann. Als wir in der Schwangerschaft mit dieser schweren Diagnose konfrontiert waren und niemand wusste, ob unser Kind überhaupt leben wird, wenn es auf die Welt kommt, hat uns das natürlich den Boden unter den Füßen weggezogen.
Von einem Moment auf den anderen war ich keine glückliche Schwangere mehr, sondern musste fürchten, dass mein Kind nie leben wird.
Seitdem sage ich: ‚Man hat immer tausend Probleme. Bis man ein gesundheitliches Problem hat, dann hat man nur noch EIN Problem‘.
Was ich damit meine, ist, dass man im Alltag oft sehr beschäftigt ist, mit vielen tausend kleinen Problemchen. Aber es wird einem erst so richtig bewusst, dass das eigentlich keine wirklichen Probleme waren, wenn es quasi um Leben und Tod geht.
Diese Erfahrung hat mich sehr ehrfürchtig gemacht, und ich versuche heute, vieles gelassener anzugehen und mir immer wieder bewusst zu machen, was es für ein Geschenk ist, dass wir einfach gesund sind. Natürlich gelingt mir das als Mama mit zwei kleinen Kindern auch nicht jeden Tag, aber ich erinnere mich regelmäßig daran.
Natürlich gab es viele schwere Zeiten, und ich wünsche es niemandem, dass man Angst um das Leben seines Kindes haben muss.
Mein Herzensthema ist es heute, die Inklusion in unserer Gesellschaft voranzutreiben.
Für mich fühlt sich das oftmals an, wie ein Kampf gegen Windmühlen: Während die Pränataldiagnostik immer besser darin wird, vorgeburtlich Erkrankungen oder Fehlbildungen aufzudecken, stecke ich all meine Energie in die Stärkung der Akzeptanz von Vielfalt. Denn es ist oft nicht die Erkrankung oder Behinderung an sich, die Betroffene Familien als Hindernis wahrnehmen, sondern mangelndes Verständnis oder Bürokratie, die einem das Leben schwer machen.

Heute ist Leonie trotz ihrer Behinderung ein fröhliches, starkes kleines Mädchen.
Foto: privat
Mir ist es wichtig zu sagen: Das Leben ist bunt und ich wünsche mir für alle Kinder, dass man sie so akzeptiert, wie sie sind.
Ein großes Thema sind meiner Meinung nach fehlende Berührungspunkte mit behinderten Menschen/Kindern. Und da setze ich mit meinem Instagram-Kanal. Ich schaffe Berührungspunkte mit dem Thema. Ich zeige mein Mama-Leben mit einigen Extra-Herausforderungen authentisch und nahbar.
Mir ist es wichtig, dass mein Account nicht nur für betroffene Familien eine Mutmach-Insel ist, sondern eben genau dieser Berührungspunkt für alle anderen, der im echten Leben oft fehlt. Man trifft nicht jeden Tag ein Kind mit einer Behinderung auf dem Spielplatz.
Viele unserer Kinder haben auch im Kindergarten und in der Schule keine Freund*innen, die eine Behinderung haben etc. Deshalb ist mir die Aufklärung so wichtig. Ich möchte zeigen: Das Leben ist auch mit einer Behinderung schön. Es liegt an uns, was wir daraus machen.“
Liebe Anne, vielen Dank, dass du eure mutmachende Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft!
Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.
Wir freuen uns auf deine Geschichte!
Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]