AstraZenaca-Stopp und die Gefahr der Pille: Ist dieser Vergleich richtig?

Weil AstraZeneca im Verdacht steht, Thrombosen der Hirnvenen auszulösen, wird nicht mehr mit der Vakzine geimpft. Nun ziehen viele einen Vergleich zu den Nebenwirkungen der Antibabypille. Denn: Wieso wird die eigentlich seit Jahrzehnten so selbstverständlich verschrieben?

Am Montag teilte das Bundesministerium mit, dass die Corona-Impfungen mit AstraZeneca vorerst gestoppt werden. Es wird vermutet, dass die Impfung in Zusammenhang mit Fällen von Thrombosen der Hirnvenen stehe. Klingt erstmal gar nicht gut, oder? Wer möchte sich schon freiwillig einem solchen Risiko aussetzen – und sei es auch gering. Nun ja, offenbar Millionen Frauen und Mädchen, die die Antibabypille nehmen. Überspitzt gesagt.

„Venöse Thromboembolien“ durch die Pille

Ungefähr sieben Millionen Frauen verhüten alleine in Deutschland mit der Pille. Bei korrekter Anwendung gilt sie als besonders sicher. Doch die Pille greift stark in den Hormonhaushalt ein, hat zahlreiche, unschöne Nebenwirkungen. Eine davon sind „venöse Thromboembolien“, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mitteilt. Hm, und warum genau gibt es dann bei AstraZeneca so einen Aufschrei?

Auch auf Social Media wird der Vergleich zwischen AstraZeneca und der Antibabypille immer wieder gebracht. Katarina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, twitterte beispielsweise: „Übrigens: die neueste Generation der Antibabypille hat als Nebenwirkung Thrombosen bei acht bis zwölf von 10.000 Frauen. Hat das bisher irgendwen gestört?

Warum dann die Aufregung um AstraZeneca?

Tenor in den Medien: Bei Antibabypillen kann es doch auch zu Thrombosen kommen. Warum dann die Aufregung um AstraZeneca? Mittlerweile bezieht auch das Bundesgesundheitsministerium zu dieser Frage Stellung:Es ist richtig, dass für Anti-Baby-Pillen Thrombosen, auch mit tödlichem Verlauf, als sehr seltene Nebenwirkung bekannt sind und in der Patienteninformation aufgeführt sind.“ Über dieses Risiko muss jede Frau, die mit der Pille verhüten möchte, von ihrem Arzt oder ihrer Ärztin aufgeklärt werden.

Bei der AstraZeneca-Impfung steht die vermutete, seltene Nebenwirkung der Sinusvenenthrombose bisher noch nicht in der Patienteninformation. Außerdem gäbe es hier den „arzneimittelrechtlichen“ Unterschied zwischen der Impfung von Gesunden und dem Verschreiben eines Arzneimittels. Hm, eigentlich kuriert die Pille aber auch keine Krankheit. Sie soll doch eigentlich einem gesunden Menschen helfen, eine Schwangerschaft zu verhindern. Warum wird das anders bewertet als eine Impfung, die vor Corona schützen soll? Der arzneimittelrechtliche Unterschied will mir als Otto-Normalverbraucherin also nicht so ganz einleuchten.

Es geht um „Vertrauen und Transparenz“

Das Bundesgesundheitsministerium hat aber noch eine weitere Begründung: „Vertrauen und Transparenz sind bei Arzneimittelverordnung immer wichtig, bei Impfungen wegen der breiten Anwendung bei Gesunden aber ganz besonders.“ Es geht also in erster Linie darum, das Vertrauen in den neuen Impfstoff nicht zu erschüttern. Impfungen gelten als DAS Instrument im Kampf gegen die Pandemie. Schließlich sind wir mehr oder weniger auf ihre Wirkung angewiesen, wenn wir irgendwann mal wieder aus einem Zustand des On-Off-Lockdowns kommen wollen, oder?

Denn im Gegensatz zu den neuen Impfstoffen haben wir uns an die Pille als selbstverständliche Verhütungsmethode schon gewöhnt. Ist eben so, war schon immer so, geht halt nicht anders. Noch nie hat mir ein Frauenarzt oder eine Frauenärztin eine andere Verhütungsmethode vorgeschlagen. Eine betonte sogar noch, dass die Pille gut für Haut und Haare sei. Na super, da nehme ich doch ein Thromboserisiko gern in Kauf, Hauptsache, die Haare stimmen – Ironie aus.

Ist AstraZeneca nun also deutlich harmloser als die Antibabypille – und vor allem als Corona?

Eine Frage, die sich für mich nicht pauschal beantworten lässt, aber der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Diskussion ist. Der Fall AstraZeneca zeigt aber deutlich, wie viel Gewicht das kritische Auge der Öffentlichkeit hat. Nur weil es auch schon andere „alltägliche“ Medikamente mit starken Nebenwirkungen gibt, ist das ja kein Freifahrtschein. Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach glaubt übrigens, dass der Impfstoff bald wieder eingesetzt wird, wie er der Welt sagt. Das Risiko der Vakzine sei sehr gering, vor allem im Vergleich mit der Erkrankung Covid-19, die gerade bei Älteren vielfach tödlich verlaufe.

Karl Lauterbach ist übrigens auch der Meinung, dass der Vergleich zwischen dem Verhütungsmittel und dem Impfstoff hinkt und wahrscheinlich schlichtweg unmöglich ist: „Die Thrombosen, die es nach Einnahme der Pille gibt, sind nicht in der Schwere vergleichbar mit den Thrombosen, über die wir hier sprechen“, sagte er im Deutschlandfunk. Ähnlicher Meinung ist auch das Paul-Ehrlich-Institut, das das Aussetzen der Impfung mit AstraZeneca ja empfohlen hatte: Den Experten ist die Häufung einer speziellen Form von sehr seltenen Hirnvenenthrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplättchen in zeitlichem Zusammenhang mit AstraZeneca-Impfungen aufgefallen – ganz anders als die Thrombosen, die die Pille auslösen könnte. Die Untersuchungen stehen noch aus, daher die Impfpause dieser Vakzine.

Es ist abzuwarten, wie es weitergeht mit AstraZeneca. Und mit der Pille, auf die das Augenmerk vieler jetzt wieder gelenkt wurde.

Bei mir bleibt ein ungutes Gefühl: Ist es nicht unfair, dass die starken Nebenwirkungen der Pille oft unter den Tisch fallen? So gesehen freut es mich, dass AstraZeneca auch diese Diskussion neu entfacht. Immerhin: Inzwischen hinterfragen immer mehr Frauen die Antibabypille, ihre Nebenwirkungen sind heute vielen bewusst. Das zeigen auch die Zahlen: Während vor 10 Jahren noch 46 Prozent aller bei den gesetzlich versicherten Mädchen und Frauen mit der Pille verhüteten, waren es schon 2019 nur noch 31 Prozent.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Niki.st@gmx.at
3 Jahre zuvor

Durch eine Schwangerschaftsvergiftung nehme ich keine Pille mehr, da es zu gefährlich für mich ist. Also hat schon jeder selbst das Mitspracherecht. Bei den Impfungen leider nicht. Finde das ist ein gravierender Unterschied!