An alle Mamas, die vor mir Kinder bekommen haben: Entschuldigung.

Es gibt viele Dinge, die man erst so richtig verstehen kann, wenn man selbst Mama ist. Das hat rein gar nichts mit fehlender Empathie oder Desinteresse zu tun. Diese Gefühle, die man für sein Kind hat, kann man vorher nicht in ihrer Intensität nachvollziehen.

Genau so ging es mir auch, bevor ich Mama wurde. Und habe so unwissentlich und ohne böse Absicht zahlreichen Frauen in Gedanken Unrecht getan. Einige von ihnen kenne ich persönlich, andere nur aus Erzählungen. Einige von ihnen stehen mir sehr nahe, andere nicht. Aber ganz egal, über welche von ihnen ich mir eine Meinung gebildet hatte – ich möchte mich entschuldigen. Von ganzem Herzen.

Denn erst als Mama weiß ich, was jede einzelne von ihnen durchgemacht hat.

Entschuldigung an die Mama, die immer so müde war: An Parties und Clubs war nicht mehr zu denken, und das verstand sogar ich. Aber dass nun sogar gemütliche Filmabende oder Mädelsrunden so früh enden mussten – das hielt ich insgeheim für etwas übertrieben… Es tut mir so leid. Erst, als ich selbst die völlige Verzweiflung unter andauerndem Schlafentzug erlebt habe, habe ich gemerkt: Mein inneres Augenrollen war eine echte Frechheit. Ich hätte mich lieber darüber freuen sollen, dass du dich überhaupt zu einem Filmabend aufraffen konntest. Mich geehrt fühlen, dass du die Zeit, in der du wertvollen Schlaf hättest nachholen können, mit mir verbracht hast.

Dauermüde – eine echte Qual. Foto: Bigstock

Entschuldigung an die Mama, deren Baby auf der Frühchenstation lag: Als ich hörte, dass ihr Kind zu früh geboren wurde und noch lange im Krankenhaus lag, fand ich das traurig. So hatte sie sich die erste Zeit mit ihrem Baby sicher nicht vorgestellt. Aber das wird schon, nur, jetzt auch noch so viel Zeit im Krankenhaus verbringen zu müssen…. Ja, genauso ist es. Und noch viel schlimmer. Das weiß ich jetzt, nachdem meine Tochter zu früh auf die Welt kam. Nein, so hatte ich es mir nicht vorgestellt. Und ja, nachdem ich schon während der Schwangerschaft fünf Wochen im Krankenhaus lag, hatte ich eigentlich gründlich die Nase voll davon. Aber viel schlimmer als das war die Angst. Eine Angst, wie ich sie vorher noch nie hatte. Und die Verzweiflung. Mein zartes Mädchen, kaum angekommen auf der Welt, angeschlossen an Schläuche und piepsende Monitore. Umgeben von Schwestern und Ärzten, die zwar sehr liebevoll waren, aber eben auch all die nötigen Untersuchungen an diesem kleinen Körper vornehmen mussten. Und jeden Tag die Furcht davor, schlechte Nachrichten bekommen.

Entschuldigung an die Mama, die am Stillen verweifelt ist: Ich bin ganz ehrlich. Bevor ich Mutter wurde, war mir dieses Thema herzlich egal. Ich wusste, dass Freundinnen von mir stillen, nicht stillen oder das Stillen irgendwann aus verschiedenen Gründen aufgegeben hatten. So what!? Verhungern tut ja nun kein Kind. Entschuldigung!!!! Inzwischen verstehe ich, dass einen dieses Thema fertigmachen kann. Eine Mama möchte das Beste für ihr Kind und hört von allen Seiten, dass dies nun mal Muttermilch ist. Natürlich wollte ich auch stillen und malte mir während der Schwangerschaft aus, wie schön es wohl sein würde. Um es kurz zu machen: Es klappte nicht. Ich versuchte und versuchte es, legte meine viel zu kleine Tochter an, hing gefühlt ständig an der Milchpumpe… und kaum etwas passierte. Bis mein Freund mich, als ich wieder mal tränenüberströmt an der Pumpe saß, sanft ermunterte, mich nicht so zu quälen. „Du sollst unser Baby genießen und dir keine Vorwürfe für irgendwas machen.“ Ich hätte es vielleicht nicht tun sollen, aber: Ich gab auf. Und es fühlte sich nicht nach einer Niederlage an, sondern nach einer unglaublichen Erlösung. Und genau deshalb weiß ich nun, dass Stillen oder Nicht-Stillen sehr wohl ein großes Thema ist. Und wir keine Mama dieser Welt verurteilen sollten – wie auch immer sie ihr Kind ernährt. Jede von uns gibt ihr Bestes und jede von uns macht es so, wie es zu ihr und ihrem Baby passt. Und das voller Liebe.

Stillen oder Fläschchen? Hautsache, es ist viel Liebe mit im Spiel. Foto: Bigstock

An die Mama, die eine frühe Fehlgeburt hatte: Als ich hörte, dass sie ihr Kind in den ersten Wochen verloren hatte, fand ich das natürlich schlimm! Aber insgeheim, da hätte ich es noch viel schlimmer gefunden, wenn sie schon weiter in der Schwangerschaft gewesen wäre. Ihr Baby schon „menschlich“ ausgesehen und sie seine Bewegungen gespürt hätte. Ich hatte keine Ahnung. Und ich weiß jetzt, dass so viele Menschen betroffenen Frauen genau so eine  Meinung mit auf den Weg geben, gedacht als Trost. Aber nein, das ist kein Trost – sondern eine Ohrfeige. Denn von dem Moment an, ab dem du weißt, dass dein Kind in dir heranwächst, liebst du es. Malst dir dein Leben als Mama aus. Möchtest diesen kleinen Menschen behüten, koste es, was es wolle. Dein größter Wunsch ist Erfüllung gegangen. Wenn dir all das genommen wird – dann stirbt sicher auch ein Teil von dir. Diese Erfahrung wurde mir erspart, aber ich schäme mich für meine Gedanken von damals.

Entschuldigung an die Mama, die (zumindest in Gedanken) immer bei ihrem Kind war: Ein Mädels-Abend im Restaurant oder ein Kurztrip übers Wochenende. Manchmal hatten meine Mama-Freundinnen dafür Zeit und das war toll! Nur: Wieso mussten sie „ständig“ zu Hause anrufen und so oft über ihre Kinder sprechen? Waren sie nicht weg, um abzuschalten? Ja, waren sie. Aber ich habe gelernt, dass man sein Mama-sein nicht einfach abstreift – und das auch gar nicht will. Meine Tochter ist in meinem Herzen immer dabei, sie ist ein Tel von mir. Und natürlich denke ich, wenn ich nicht bei ihr bin, regelmäßig darüber nach, wie es ihr wohl gerade geht, ob sie mich auch vermisst oder ob sie schon selig schläft. Ich genieße es wahnsinnig, auch einmal etwas für mich zu tun – ganz ohne „Mama, Mama, Mamaaaaa!“. Und doch vergesse ich meine Kleine natürlich nie, sauge jede Info von zu Hause auf – und freue mich, wieder heimzukommen. Ich bin offiziell eine Glucke geworden.

An all die Mamas, über die ich gedacht habe

„Mann, die lässt ihrem Kind aber viel durchgehen.“

„Dem Kleinen würde ich als Mutter aber was erzählen!“

„Ich wünschte, mein Kleiderschrank wäre so gut bestückt wie der ihres Kindes.“

„Immer macht sie sich so viele Sorgen. Völlig übertrieben!“

„Die könnte sich aber auch mal wieder etwas mehr zurechtmachen.“

Entschuldigung. 

Ich hätte so viel von euch lernen können. Ihr seid umwerfend, stark und voller Liebe.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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