An die Mutter, die meint, ein Wunschkaiserschnitt gehöre verboten

Dies ist ein Brief von Mutter zu Mutter. Ich schreibe ihn, weil ich manche Sätze in den letzten Jahren einfach zu oft gelesen habe. Sätze, die verletzen, Sätze, die keine Frau, die ein Kind unter ihrem Herz trägt, hören oder lesen sollte. Und nicht nur mich haben diese Sätze verletzt, sondern viele andere, tausende Frauen auch.

An die Mutter, die meint, ein Wunschkaiserschnitt gehöre verboten! Dieser Brief ist für dich:

„Hallo,

ich schreibe dir heute diese Zeilen, weil ich dir lange genug zugehört habe, versucht habe dich zu verstehen, andere vor dir beschützt habe und weil ich nun, nach dem Lesen dieses Satzes und vieler weiterer, immer und immer wieder, nach 6 Jahren eigener Mutterschaft und zwei Kindern, einfach müde bin.

Ich bin so müde die immer gleichen, verletzenden Sätze zu lesen, ich bin müde all diese Frauen, die in einem meiner Schutzräume landen, mühsam wieder aufzubauen, nachdem du sie emotional vernichtet hast. Ich bin müde, dich in Schutz zu nehmen, müde zu glauben, du hättest einen Grund so etwas zu sagen, einen nachvollziehbaren Grund, einen wirklich guten Grund. Denn anders kann ich mir all diese verletzenden Sätze nicht erklären.

Es muss ein sehr guter Grund sein, wenn man einem anderen Menschen verbal eine solche Ohrfeige verpasst. Was ist dein Grund?

[…]

In den letzten Jahren haben du und viele andere Frauen, sehr viele verletzende Sätze geschrieben, Sätze, die auf dich vielleicht nicht so verletzend wirkten zwischen meterdicken Mauern, an denen deine eigenen Worte abprallen konnten und dich nicht wirklich haben spüren lassen, dass sie aus deinem Kopf in den einer anderen gekrochen sind, einfach so.

[…]

„Wunschkaiserschnitte gehören verboten!“

So oft schon habe ich das gelesen und nie verstanden. Ich bin so erzogen worden, die Welt meiner Mitmenschen zu respektieren, ich missioniere nicht und egal, wie unmöglich ich etwas finde, noch nie kam mir in den Sinn, einem anderen Menschen durch ein Verbot etwas wegzunehmen, was für ihn wichtiger ist wie für mich.

Ich setze mich für selbstbestimmte Geburten ein, für jede Frau, ich verfolge die prekäre Lage der Hebammen und ich bin nicht geknickt, wenn Frauen, nachdem sie mein Buch gelesen haben, sich für eine vaginale Geburt entscheiden und ja, das kommt vor und als ich von der ersten Frau hörte, der es so ging, musste ich weinen vor Freude, weil ich wusste, ich hatte den schwierigen Drahtseilakt, bei diesem Thema neutral zu bleiben, hinbekommen. Ich möchte informieren und keine Richtung vorgeben.

[…]

Kaiserschnitte sind heute ein Teil der Geburtshilfe, sie sind wichtig, sie retten Leben, große und kleine, immer und immer wieder. Ohne sie würde es düster aussehen und ich denke in dem Punkt sind wir uns einig. Doch um diesen Punkt geht es dir nicht, richtig? Es geht dir um die Frauen, die es sich erdreisten, sich einen Kaiserschnitt zu wünschen, obwohl ihre Vagina grünes Licht gegeben hat für eine natürliche Geburt. Die Gründe dafür sind so vielseitig wie die Frauen selbst, um die geht es auch nicht. Genau, die Gründe sind egal, denn selbst wenn eine Frau ihn wollte, weil das Datum so schön aussieht neben ihrem Hochzeitsdatum – die Frage ist, was interessiert es dich?

Und vor allem, geht es dich was an? Hat es dich etwas anzugehen? Entbinden wir in Deutschland in einer Gemeinschaft oder geht jede ihren Weg für sich?

Die wenigsten Frauen entscheiden sich aus Lust und Bequemlichkeit zu einem Kaiserschnitt, sie haben Gründe, gute Gründe, sie möchten sich nicht zu etwas genötigt fühlen, was für andere Normalität, aber für sie eine Hürde darstellt und sie haben es satt, sich zu rechtfertigen. Es gab Zeiten, da haben Frauen ihre BHs verbrannt, damit jede Frau in diesem Land leben, lieben und entscheiden darf, wie sie es für richtig hält. Sie möchten entscheiden ob sie studieren und was und wo, wen sie heiraten, ob sie überhaupt heiraten, wann und mit wem sie Kinder wollen, wo sie arbeiten und mit wem, wen sie in ihre Entscheidungen mit einbeziehen und wen nicht. Wir haben noch nicht das Ziel erreicht, aber wir sind nah dran, Frauen dürfen in Deutschland freier leben als in vielen anderen Ländern, sie haben eine Stimme und verdammt nochmal, sie haben gelernt, sie einzusetzen und sie lachen dabei, sie haben keine Angst mehr, sie ducken sich nicht mehr, sie schnappen sich ihre Freiheit und zeigen ihr die Welt und sie lieben es.

Ich nehme an, du hast deine Gründe für diese Einstellung, verstehen kann und will ich sie jedoch nicht, nicht mehr.

Mir ist der Unterschied zwischen einer natürlichen Geburt und einem Kaiserschnitt bewusst, aber wer bist du, dass du mich in meinem Leben beschneidest, dass du Entscheidungen für mich treffen möchtest? Gott? Meine Vorgesetzte? Meine Mutter?

Es ist mein Körper, nicht deiner und es ist der meines Kindes und nicht deines und ich werde noch viele weitere Entscheidungen treffen, die nichts mit dir oder deinem Leben zu tun haben, Entscheidungen, die dir vielleicht genauso wenig in den Kram passen werden, was ist damit? Bei diesem Satz frage ich mich immer, wie eine Welt aussehen würde, in der jeder alles verbieten lassen könnte, was nicht in sein Lebenskonzept passt. Wir würden wohl nach wenigen Wochen alle in kahlen Höhlen mit nichts am Körper, verhungernd und elendig zugrunde gehend, der Menschheit Lebewohl sagen können. Stell dir vor, jemand käme auf die Idee, dir etwas zu verbieten, einfach so, weil er es für sich selbst als falsch erachtet, er wird dich nicht fragen, warum du dies oder jenes tust, es wird ihm egal sein, er möchte es nicht, Punkt, schwupps, verboten. Wie gesagt, wenige Wochen und wir hätten nichts mehr, niemand, weil es immer jemanden gibt, der sich an irgendetwas stört, dem es einfach nicht passt und der der Meinung ist, das kann weg, brauch ich nicht, raus damit, runter von der weltlichen Speisekarte.

Auch bei einem Wunschkaiserschnitt entsteht neues Leben – Kinder, die lachen, weinen, leben und lieben, sie haben Namen. Manche Frauen sehen in einem Kaiserschnitt die einzige Option, überhaupt Kinder in ihr Leben zu lassen, für diese Frauen bedeutet ein Wunschkaiserschnitt ein Leben, ein neues Leben, ein Stück Freiheit. Bei einem Kaiserschnitt kommen Babys auf die Welt, sie verwandeln sich dabei nicht in Zombies oder sind grün-rosa-gestreift, sie haben auch keine Hörner oder werden später einmal alle böse Verbrecher, die kleine Tante-Emma-Läden ausrauben. Es sind Babys. Welchen Unterschied macht es für dich, wo das Baby einer anderen geboren wird? Bekommst du davon Halsweh? Erhöht dein Vermieter die Miete? Wird dir der Strom abgestellt? Oder glaubst du, bei jedem Kaiserschnitt stirbt irgendwo ein Einhorn?

Was macht das mit dir und deinem Leben, wenn eine andere Frau, hunderte Kilometer von dir entfernt, ihrem Baby in einem OP den ersten Kuss seines Lebens schenkt und nicht wie du, in einem Kreißsaal?

Wie tief muss in dir ein Schmerz sitzen, der dich glauben macht, er würde weniger werden, wenn andere Frauen auf dem selben Wege ihr Kind zur Welt bringen, wie du es vorhattest? Wird der Schmerz dadurch erträglicher? Ich lese diese Sätze häufig von Frauen, die einen Notkaiserschnitt hatten. Mir persönlich tut das weh, ich fühle ihren Schmerz bis in meine Fingerspitzen und doch frage ich mich, wie kann man dann einer anderen etwas wegnehmen wollen, wenn man selbst gerade an so etwas zugrunde geht? Geteiltes Leid ist halbes Leid, oder wie? Findest du das wirklich richtig? Es ist dein Schmerz, befass dich bitte auch mit ihm, lass ihn zu und schiebe ihn nicht zu mir. Ich habe meine eigenen Schmerzen. Die meisten Entscheidungen im Leben werden entweder aus Liebe oder aus einem Schmerz heraus getroffen, bei einem Wunschkaiserschnitt trifft oft beides zusammen.

[…]

„Frauen, die sich einen Kaiserschnitt wünschen, sind schwach!“

Was bedeutet Schwäche? Wenn Schwäche bedeutet, auf sich und das eigene Bauchgefühl zu hören, in sich zu gehen und gegen gesellschaftliche Erwartungen zu kämpfen, mit Ärzten zu diskutieren um sich freiwillig in einen OP zu legen und sich bei Bewusstsein den Bauch öffnen zu lassen, dann bin ich wohl schwach und alle anderen auch. Stark ist, wer zu sich selbst steht, wer abwägt und sich nicht den allgemeinen Erwartungen ohne zu hinterfragen ausliefert. Schwach ist nur der, wer sich selbst aufgibt, um jemand zu sein, von dem man glaubt, dieser jemand sein zu müssen, für die Welt, die Gesellschaft, für alle anderen. Nein, wir sind vieles, aber mit Sicherheit nicht schwach.

Nach einem Kaiserschnitt hat man Schmerzen und das nicht zu knapp, wir haben Narben und setzen unsere Körper ganz anderen Risiken aus, als in einem Kreißsaal. Nein, schwach sind wir nicht, wir sind stark, denn wir stehen zu unseren Schwächen und dazu, einen anderen Weg gehen zu wollen, auch wenn wir damit bei vielen auf Widerworte treffen und Sätze, wie deine, lesen müssen. Sätze, die uns verletzen und die uns zeigen, wer von uns beiden wirklich schwach ist. Wir sind es nicht!

Ich wünsche mir, dass du an meine Worte denkst, wenn du das nächste Mal dabei bist, einer Frau zu sagen, sie soll doch besser abtreiben oder ihr Entscheid gehöre verboten.

Stell dir vor, in irgendeiner Parallelwelt sitzt du auf der anderen Seite deines Computers, du trägst ein Kind unter deinem Herzen und liest diese Worte und dann denkst du an die Vergewaltigung vor 10 Jahren, an deinen Ex-Mann, der dich geschlagen hat und du daraufhin euer erstes gemeinsames Kind verloren hast, an die Worte deiner Mutter, die dir erzählte, wie sie dich mit der Saugglocke geholt haben und sie dabei so gerissen ist, dass jeder Mann, der sie so das erste Mal sah, erschrak, an deine beste Freundin, die sie im Kreißsaal ausgelacht haben, als sie vor Schmerzen schrie und mit der du ein Jahr lang die Tränen geteilt hast, weil ihr Baby tot zur Welt kam und niemand auf sie hatte hören wollen, an deinen Vater, der im Sterben liegt und seinen Enkel kennen lernen will, an den Moment, als dein erstes Kind bewusstlos zur Welt kam, blau war und die ersten Wochen nicht bei dir sein konnte, weil es auf die Intensivstation musste, an deinen Freund, der seit 3 Monaten in Afghanistan kämpft und sich nichts sehnlicheres wünscht, als bei der Geburt seines Sohnes dabei sein zu dürfen, an deinen kleinen Bruder, der seit seiner Geburt schwer behindert ist, weil die Ärzte zu spät bemerkten, dass er nicht genug Sauerstoff bekam, an die Angst, die dich lähmt, an den Wunsch, ein eigenes Baby im Arm zu halten, an die Hürde, die die Geburt für dich darstellt.

Denke daran, bevor du diese Sätze tippst, schließe die Augen, reiß die innere Mauer nieder und überlege dir genau, was für ein Mensch du sein wolltest, als du ein Kind warst, als du jung warst, als du das erste Mal bei deiner Gynäkologin diesen süßen kleinen schlagenden Punkt bewundern durftest und sich dieses Geräusch seines Herzschlages für immer in deinen Kopf gekuschelt hat.

Denke darüber nach, was für ein Mensch, was für eine Frau, was für eine Mutter du wirklich sein möchtest und entscheide dich. Doch denke daran, wie auch immer du dich entscheidest, ich werde da sein, immer, irgendwo, in deiner Nähe und egal wie müde es mich macht, ich werde nie aufhören für diese Frauen da zu sein, an die sich deine Worte richten und ich werde alles tun, um dich zum Schweigen zu bringen, damit wir irgendwann alle einfach wieder Mütter sein können, alle gemeinsam und jeder für sich.

Denn Mütter sind Mütter!“

Nancy Bujara


Dieser Artikel beleuchtet das Thema „Wunschkaiserschnitt“ aus der Sicht von Nancy und gibt ihre Meinung wider. Der Text repräsentiert nicht die Meinung von „Echten Mamas“.

Das ist nur ein Textauszug, der kompletten Brief „An die Mutter, die meint, ein Kaiserschnitt gehöre verboten“ ist auf k wunschkaiserschnitt.net erschienen.

Nancy Bujara hat ein Buch über Wunschkaiserschnitte geschrieben: „Wunschkaiserschnitte – Für eine selbstbestimmte Entscheidung“.

Zur Autorin:

Nancy Bujara, im verschneiten April 1984 mit einem leidenschaftlichen Schreibherz zur Welt gekommen, wohnhaft im Süden von Leipzig, ausgebildete, lösungsorientierte Kurzzeitberaterin und -therapeutin in stetiger Fortbildung, glücklich verliebt, verlobt, verheiratet, die Zweisamkeit gekrönt durch zwei bezaubernde Kinder, aktuell in Elternzeit, tätig als für die Arbeit brennende, freie Autorin und Bloggerin, seit 2011 als stolze Selfpublisherin auf dem Büchermarkt, verrückt nach Schokolade Vollnuss und herzhaftem Lachen – Lebensphilosophie: „Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar!“ (Astrid Lindgren)

Wiebke Tegtmeyer
Nordisch bei nature: Als echte Hamburger Deern ist und bleibt diese Stadt für mich die schönste der Welt. Hier lebe ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Nach meinem Bachelor in Medienkultur an der Uni Hamburg, einem Volontariat zur Online-Redakteurin und einigen Jahren Erfahrung als (SEO-)Texterin bin ich nach meiner zweiten Elternzeit bei Echte Mamas gelandet. Hier kann ich als SEO-Redakteurin meine Leidenschaft für Texte ausleben, und auch mein Herzensthema Social Media kommt nicht zu kurz. Dabei habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung von der Schwangerschaft über die Stillzeit bis hin zum Babybrei beschäftigt. Und wenn ihr auf der Suche nach einem Vornamen für euer Baby seid, kann ich euch garantiert passende Vorschläge liefern. Außerdem nutze ich die Bastel-Erfahrungen mit meinen beiden Kindern für einfache DIY-Anleitungen. Wenn der ganz normale Alltags-Wahnsinn als 2-fach Mama mich gerade mal nicht im Griff hat, fotografiere ich gern, gehe meiner Leidenschaft für Konzerte nach oder bin im Volksparkstadion zu finden.

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