An den Vater meines Kindes: „Warum muss ich mir eigentlich immer alles merken?“

Dein Mann übernimmt seinen Anteil im Haushalt und bei der Kinderbetreuung? Das ist super! Aber selbst dann sind die Aufgaben oft nicht ganz so fair verteilt, wie es aussieht. Bei der Arbeitsteilung werden nämlich oft die „kleinen“, unsichtbaren Dinge vergessen – der sogenannte Mental Load. Das ist der Denksport, den wir täglich betreiben, wenn wir versuchen, den Überblick zu bewahren. Meistens sind es doch wir Mamas, die den Überblick darüber haben, wann neue Kleidung gebraucht wird, der nächste Zahnarztbesuch ansteht oder der beste Kumpel des Kindes Geburtstag feiert.

Unsere Leserin Pia hat in einem Brief für ihren Mann festgehalten, wie sich das für sie anfühlt.

„Lieber Vater meines Kindes…

eines vorweg: Ich liebe und schätze dich – als meinen Partner und den Vater meines Kindes. Ich bin mir sicher, dass du für mich genauso empfindest. Aber manchmal kommt deine Wertschätzung nicht bei mir an. Und ich weiß, dass auch du oft das Gefühl hast, dass ich deine Beiträge zu unserem Alltag nicht genügend würdige, sondern nur schimpfe, dass mir alles über den Kopf steigt. Das Problem ist: Wir reden nie über all die unsichtbare Arbeit, die unser Familiengetriebe am Laufen hält. 

Gestern hast du unseren Sohn zu spät aus der KiTa abgeholt. Sonst mache ich das, aber diesmal hatte ich einen Arzttermin. Diesmal saß unser kleiner Schatz allein mit einer genervten Erzieherin vor der Tür, als du endlich aufgetaucht bis. Und als ich später mit geschwollenem Kiefer nach meiner Zahn-OP vor dir stand, hast du mir vorgeworfen, dass ich dich nicht noch einmal daran erinnert habe, dass die KiTa an diesem Tag früher schließt. Wie bitte?!

Wieso muss ich auch noch an deine Termine denken?

Als ich endlich wieder ordentlich sprechen konnte, haben wir uns gezofft.  ‚Machst du mir gerade Vorwürfe? Ich mache doch schon viel‘, hast du ganz entgeistert erwidert –  nachdem du mir vorgeworfen hast, dass ich dich nicht an deinen Termin erinnere.

Da ist mir zum ersten Mal  aufgefallen, dass ich mich selten entspannt zurücklehnen kann, wenn du eine Aufgabe übernimmst.  Meistens muss ich mir nämlich merken, wann, was, wie, wo zu erledigen ist – und dich dann darauf aufmerksam machen. Von alleine wäre dir nicht aufgefallen, dass unser Sohn in der KiTa keine passende Wechselwäsche mehr hat und er statt der Größe 116 längst die 122 trägt. Du hättest auch die U-Untersuchung vergessen, die ich in den Kalender eingetragen habe, auf den du nie schaust.

Du verstehst nicht, warum ich erschöpft bin, obwohl du doch gestern den Abwasch übernommen hast? Vermutlich denkst du, die Hauselfen achten darauf, dass wir immer Toilettenpapier, Windeln und Nudeln im Haus haben. Dass Sonnencreme, Sonnenhut und UV-Shirt in der Tasche für den Badeausflug stecken. Dass die KiTa morgen geschlossen hat, weil die Erzieher eine Schulung machen. Ein Großteil meiner Arbeit ist nämlich für dich unsichtbar. Aber gerade diese andauernde Aufmerksamkeit, die von mir verlangt wird, laugt mich aus.

Ich habe da einen Vorschlag…

Wahrscheinlich habe ich solche Aufgaben zu lange so selbstverständlich übernommen, dass du dich daran gewöhnt hast. Vielleicht mache ich dich zu wenig auf diese mentale Arbeit aufmerksam, weil mir das Aufrechnen so kleinlich vorkommt. Aber wenn du mir sagst, dass ich dir doch einfach sagen solle, was du tun kannst, heißt das für mich: Du hast nicht das Gefühl, auch mal selbst sehen oder daran denken zu müssen, was wir gerade brauchen. 

Vielleicht sollten wir in Zukunft unsere Aufgaben genauer besprechen und festlegen, dass zu einer Aufgabe auch deren Planung und das Erinnern daran gehört. Und ich sage nicht mehr ‚Okay, dann übernehme ich das morgen‘, wenn du wieder etwas vergessen hast. Stattdessen sage ich: ‚Okay, wie willst du das Problem lösen?‘ Vielleicht erkennst du dann, wie fordernd es ist, all die kleinen Dinge im Kopf zu behalten, die unser Leben bestimmen.“

Danke, liebe Pia, für diese echte und ehrliche Geschichte. Jetzt sind wir gespannt auf eure Erfahrungen mit dem Thema. Habt ihr auch das Gefühl, dass die ganze Organisation an euch kleben bleibt? Oder habt ihr einen guten Weg gefunden, auch die Denkarbeit fair zu teilen? Dann lasst uns gerne an eurem Weg dahin teilhaben.

Ihr wollt euch mit anderen Müttern zu diesem und anderen Themen austauschen? Dann kommt in unsere geschlossene Facebook-Gruppe „Wir sind Echte Mamas“.

Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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Anonym
Anonym
2 Jahre zuvor

Seid beide mal zum Selbstversuch 4 Wochen alleinerziehend. Vielleicht weiß dann jeder den anderen mehr zu schätzen..