Adoption: „Als Mama verstehe ich noch weniger, wie meine mich weggeben konnte.”

Kathrin wurde kurz nach ihrer Geburt adoptiert und wuchs in einer liebevollen Familie auf. Doch trotz aller Geborgenheit blieb ein Gefühl: etwas fehlt. Inzwischen ist sie selbst Mama und versteht die Entscheidung ihrer leiblichen Mutter immer weniger, wie sie in ihrer echten Geschichte erzählt.

„Seitdem ich Mama bin, verstehe ich die Entscheidung meiner Mutter noch weniger – aber mich selbst endlich besser.

Ich bin ein Adoptionskind.

Direkt nach meiner Geburt wurde ich von meinen heutigen Eltern aufgenommen. Von kleinauf haben sie mir offen gesagt, dass meine Mama nicht meine Bauchmama ist. Damals war ich zu jung, um zu begreifen, was das wirklich bedeutet – heute bin ich dankbar dafür. Hätte ich es erst später erfahren, wäre für mich wohl eine noch viel größere Welt zerbrochen.

Kathrin als kleines Mädchen.

Kathrin als kleines Mädchen. Foto: Privat

Trotz dieser Offenheit war meine Kindheit von einer tiefen inneren Leere begleitet. Ich habe mein ganzes Leben lang nach meinen Wurzeln gesucht. Nach Antworten. Nach einem Platz, der sich wirklich nach ‚mir‘ anfühlt. Und obwohl ich geliebt wurde, war da immer dieses Gefühl, dass ein Teil von mir fehlt.

Ich habe unter Depressionen und sozialer Angst gelitten.

War in Therapien, in Kliniken – auf der Suche nach mir selbst. Nach Halt. Ich wollte wissen: Wer bin ich wirklich? Warum wurde ich verlassen?

Die Suche nach meinen leiblichen Eltern war mühsam. Als ich erfuhr, dass meine leibliche Mutter damals einen falschen Ausweis benutzt hatte, zerplatzte jede Hoffnung auf Wahrheit. Ich weiß nur, dass sie mich im Krankenhaus noch gefüttert hat – das wurde dokumentiert.

Ich habe mir eingeredet, sie sei vielleicht geflüchtet, vielleicht hatte sie keine Wahl.

Doch dann erfuhr ich, dass sie fließend Deutsch sprach. Und das hat mir das Herz gebrochen. Denn was blieb, war nur die Frage: Warum keine Zeile? Kein Brief? Kein Wort an mich?

Ich werde niemals erfahren, wer sie war oder warum sie ohne mich ging.

Diese Ungewissheit hat mich jahrelang zerfressen.

Und irgendwann kam der Punkt, da habe ich mir ein Kind gewünscht – so sehr. Aber ich hatte auch Angst. Große Angst. Würde ich dem gerecht werden, mit all meinen Wunden, meiner Vergangenheit, meiner zerbrechlichen Psyche?

Dann wurde ich schwanger. Und es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. All der Schmerz, die Zweifel, die innere Zerrissenheit – sie wurden still. Ich war plötzlich da. Ganz. Heile. Mein Baby hat mich gerettet, ohne es zu wissen. Es hat mir gezeigt, was bedingungslose Liebe wirklich ist.

Was es heißt, anzukommen.

Heute bin ich Mama. Und wenn ich mein Kind anschaue, frage ich mich: Wie kann man das aufgeben, ohne sich zu erklären? Ich verstehe es noch weniger als früher.

Damals wie heute: Die Entscheidung ihrer Mutter ist für Kathrin unbegreiflich.

Damals wie heute: Die Entscheidung ihrer Mutter ist für Kathrin unbegreiflich. Foto: Privat

Aber ich bin angekommen.

Ich habe Frieden geschlossen. Nicht mit allem – aber genug, um frei zu sein. Ich trage meine Geschichte weiter, aber sie bestimmt mich nicht mehr.

Setidem ich Mama bin, weiß ich: Ich wurde adoptiert, aber ich bin nicht nur ein Produkt meiner Vergangenheit. Ich bin auch die Mutter meines Kindes. Und das ist der schönste Teil von mir.”


Liebe Kathrin (Name von der Redaktion geändert), vielen Dank, dass wir deine berührende Geschichte erzählen durften. Wir wünschen dir alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause

Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach!

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Christine
Christine
16 Stunden zuvor

Ich bin 56, wurde gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben und in eine Familie vermittelt.
Ich wusste von Anfang an (sobald ich es verstehen konnte), dass meine Eltern nicht meine leiblichen sind. Ich habe mir aber nicht wirklich große Gedanken über meine leibliche Mama gemacht, ich hatte die Info, dass ich aus dem Heim geholt wurde (und war dankbar darüber).
Vor 2,5 Jahren lernte ich meine Mama kennen und erfuhr die Gründe, warum sie mich weggeben hat und kann sie sehr gut nachvollziehen.
In meinem Fall bin ich dankbar, dass sie mir das Leben in einer Familie ermöglicht hat, das hätte sie mir nicht geben können.

Ich stelle mir vor, dass niemand ein Kind leichtfertig zur Adoption freigibt, es hat immer einen Grund und ist sehr sehr schmerzhaft.
Vllt. trägt das zum Verständnis bei?
Liebe Grüße und alles Gute!

Laura Dieckmann
Antworten  Hörnchen
20 Stunden zuvor

Liebes „Hörnchen“,
danke für deinen Kommentar und deine Meinung, die ich wahnsinnig gut finde!
Liebe Grüße,
Laura

Hörnchen
Hörnchen
20 Stunden zuvor

Ich mir vorstellen dass sowas einen sehr mitnimmt. Oder ich kann es vielleicht auch nicht, aber stelle es mir schwierig vor.

Allerdings kann ich nicht nachvollziehen wieso ein Mensch mehr wert sein soll weil er Kinder hat, oder weniger weil er/sie adoptiert ist.
Wie grotesk. Jedes Leben ist doch für sich wertvoll. Ohne Bedingung.

Kinder sind nicht dazu da das Leben der Eltern aufzuwerten und das Verhalten der Eltern kann doch nicht den Wert des Kindes bestimmen.