„Manchmal wünsche ich mir, für einen Tag wieder kinderlos zu sein.”

„Ich bin Mama von einer kleinen Tochter, sie ist mittlerweile 14 Monate alt. In letzter Zeit denke ich viel über das ‚Was wäre wenn‘ nach. Manchmal wünsche ich mir nichts sehnlicher, als noch mal kinderlos zu sein. Darüber kann ich mit niemandem sprechen, dafür schäme ich mich zu sehr.

Ich liebe meine kleine Tochter und bin wahnsinnig stolz auf sie.

Aber das Leben als Mutter habe ich mir trotzdem anders vorgestellt. Ich hatte zwar immer diesen Wunsch in mir, irgendwann eine Familie zu haben, aber nie einen Drang danach, ein Kind auszutragen. Vor vier Jahren habe ich dann meinen Mann kennengelernt und ich war beeindruckt, dass er genau wusste, was er wollte. Damals war ich 24 und er 25.

Für ihn stand schnell fest, dass er sich eine Familie mit mir wünscht, je schneller desto besser. Er machte aber auch keinen Hehl daraus, dass in seiner Vorstellung die Frau zuhause bleibt und er weiterhin Karriere macht. Man muss vielleicht dazu sagen, dass er sehr gut verdient und es so finanziell möglich war. Ich wusste zunächst nicht so richtig, was ich davon halten soll, aber nach zwei Jahren, einem Antrag und ständigen Überzeugungsversuchen seinerseits gab ich schließlich nach.

Mein Job erfüllte mich nicht, ich wollte sowieso irgendwann Mutter sein und warum dann nicht jetzt, dachte ich.

Ich wusste zwar, dass mit Baby nicht alles rosarot ist, aber dass es so krass wird, hatte ich nicht erwartet. Die Geburt war viel schmerzhafter und schlimmer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ein zweites Kind kommt deswegen für mich erstmal nicht infrage. Und das, obwohl eigentlich alles ohne Komplikationen verlief.

Mein Mann nahm sich zwei Wochen Urlaub und danach ging sein Leben weiter wie bisher, während ich plötzlich einen komplett anderen Alltag hatte. Klar, ich liebte mein zuckersüßes kleines Mädchen, aber der Schlafentzug machte mich komplett fertig. Unsere Tochter ist noch dazu ein sehr aktives Kind, schon mit sieben Monaten krabbelte sie in einem beachtlichen Tempo durch die Wohnung.

An manchen Tagen habe ich das Gefühl, ich könnte im Stehen einschlafen, weil ich so erledigt bin.

Wenn meine Tochter gut drauf ist, fällt mir alles etwas leichter, aber nach einer kurzen Nacht und dem 100. Trotzanfall, ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass ich mir mein altes Leben zurückwünsche. ‚Wenn ich doch noch einmal für einen Tag kinderlos sein könnte…‘, denke ich dann.

Heute weiß ich, dass ich meine Freiheiten früher gar nicht richtig zu schätzen wusste. Ich vermisse die endlosen Telefongespräche und Verabredungen mit Freundinnen, die spontanen Wochenendtrips und die herrlichen Sonntage, in denen ich den ganzen Tag mit meinem Mann im Bett gelegen, Essen bestellt und Netflix geguckt habe. Dann denke ich an meine Tochter und habe sofort ein furchtbar schlechtes Gewissen: Wie kann ich nur so undankbar sein?

Mir ist bewusst, dass ich großes Glück habe, dass mir ein gesundes Kind geschenkt wurde.

Trotzdem frage ich mich manchmal, ob wir mit der Familiengründung nicht doch noch ein paar Jahre hätten warten sollen. Viele meiner Freundinnen sind noch kinderlos und leben sich voll aus. Ich kann es nicht ändern, aktuell würde ich viel dafür geben, noch mal für einen Tag ohne Kind zu sein. 24 Stunden ohne ständige Sorgen und Verantwortung sind genau das, was ich mir gerade am meisten wünsche.”


Liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Müttern aus unserer Community.

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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Kvm
Kvm
1 Jahr zuvor

Mut 14 Monaten werden die Kinder recht pflegeleicht (im Vergleich zu Neugeborenen :D). Sag deinem Mann „Heute Abend gehe ich raus“, dann „Samstag Vormittag bin ich unterwegs“, und das steigert sich bis du mal ein freies Wochenende kriegst 😉

Ich weiß, wie schwer es ist sowas anzufordern!

Meinem Mann hat es geholfen -und jetzt traut er sich mehr mit dem Kleinen zu unternehmen – liebevoller Zwang nenne ich es 😉

Dann wird der Druck geringer.

MEla
MEla
1 Jahr zuvor

Oh ja. Diesen Gedanken bzw. Wunsch habe ich auch.
Auch ich habe mir das alles nicht so vorgestellt, wie es wirklich ist. Anstrengend, nervenaufreibend, kräftezehrend, aufopfernd.
Wir haben zwei Kinder, und das ist auch nochmal wieder anders.
Ich denke mir auch jedes Mal, das ich sowas doch eigentlich nicht denken dürfte. Und es tut gut, zu lesen, das ich damit nicht alleine bin.

Christina
Christina
1 Jahr zuvor

Ich kann das so unterschreiben. Mir geht es ganz genauso! Danke, für diesen ehrlichen Bericht von dir.

Mia
Mia
1 Jahr zuvor

Ich fühle das so sehr.

Jacky K.
Jacky K.
1 Jahr zuvor

Könnte fast eins zu eins von mir stammen! Danke fürs teilen, durch sowas fühlt man sich selbst mehr verstanden.