„Wir kämpfen für unser Kind – doch es wird uns schwer gemacht“

Nachdem es bei der Geburt zu Komplikationen kam, leidet Steffis Sohn Colin unter einer Entwicklungsverzögerung und einer Gedeihstörung. Der 5-Jährige kann nicht krabbeln, nicht allein laufen und auch nicht richtig sprechen. Der Alltag der Familie ist anstrengend, denn neben der Betreuung ihres Sohnes hat Steffi auch mit der Bürokratie zu kämpfen. Sie schreibt Anträge für Therapien, Reha und Hilfsmittel, die Colin den Alltag erleichtern würden – und bekommt immer wieder Absagen. Doch die 37-Jährige gibt nicht auf! Was sie sich von der Gesellschaft für den Umgang mit Kindern wie Colin wünscht und ihre Botschaft für andere betroffene Eltern, hat Steffi uns in ihrer Echten Geschichte erzählt:

„Mein Name ist Steffi, ich bin 37 Jahre alt und lebe mit meinem Mann Maik und unserem Sohn Colin am wunderschönen Bodensee. Beruflich arbeite ich halbtags in der Qualitätskontrolle in der Pharmazie und engagiere mich nebenbei für Gesundheitsthemen – ein Bereich, der für uns eine ganz neue Bedeutung bekommen hat.

Unser Weg mit Colin begann nicht einfach:

Im Januar 2019 musste ich eine Fehlgeburt verkraften – ich verlor damals Zwillinge in der 8./9. Woche. Es war ein Schicksalsschlag, der mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Umso größer war unsere Hoffnung, als ich im September 2019 erneut schwanger wurde – mit Colin.

Die Schwangerschaft verlief bis auf leichtes Sodbrennen unkompliziert, doch jeder Arzttermin war von innerer Anspannung begleitet.

Am 2. Mai 2020 kam Colin nach einer sehr schweren Geburt zur Welt.

Obwohl es Anzeichen dafür gab, dass es Komplikationen geben könnte, haben die Ärzte nicht rechtzeitig reagiert. Die Folge war ein Kaiserschnitt unter Vollnarkose. Erst später erfuhren wir, dass unser Sohn bei der Geburt beatmet werden musste – und es dadurch unter anderem zu einem Sauerstoffmangel kam.

Direkt nach der Geburt zeigte sich, dass etwas nicht stimmte:

Colin konnte nur durch den Mund atmen.

Auf der Wöchnerinnenstation sagte ich den Ärzten, dass etwas mit ihm nicht stimmte, denn er schrie ohne Pause und war sehr blass. Daraufhin wurde er etwas später auf die Kinderintensivstation verlegt, wo er einen Monat verbringen musste. Unser Sohn bekam epileptische Anfälle und starke Medikamente, die ihn in eine Art Dämmerzustand versetzten.

Es war mitten in der Corona-Zeit, Besuche waren nur sehr eingeschränkt möglich, und es fiel mir anfangs schwer, eine Bindung zu meinem Sohn aufzubauen. Erst als ich ihn nach mehreren Tagen endlich wieder auf den Arm nehmen durfte, voller Schläuche und Monitore, spürte ich, dass unsere Verbindung noch da war. Dass wir das zusammen schaffen würden.

Nach der Entlassung begann für uns der neue Alltag.

Wir sind nach Hause gekommen und mussten uns erst einmal in dieses neue Leben einfinden. Am Anfang hat Colin sich noch völlig normal entwickelt und konnte zum Beispiel schon relativ früh seinen Kopf allein halten.

Allerdings nahm er nicht so an Gewicht zu, wie es hätte sein sollen, deshalb wurde relativ schnell eine Gedeihstörung bei ihm diagnostiziert. Etwas später kam dann auch noch eine Entwicklungsverzögerung dazu.

Heute ist Colin 5 Jahre alt.

Aufgrund seiner Einschränkungen kann er seit Januar zwar laufen, allerdings nicht allein, sondern nur mit Hilfe. Außerdem plappert er zum Beispiel nur vor sich hin, spricht aber keine richtigen Worte.

Aufgrund seiner Beeinträchtigung kann Colin nicht allein laufen.

Aufgrund seiner Beeinträchtigung kann Colin nicht allein laufen.
Foto: privat

Er besucht eine Kita für geistig und körperlich behinderte Kinder. Dort bekommt er auch die meisten Therapien. Zusätzlich gehen wir noch zu einer externen Therapieeinheit.

Die größte Herausforderung ist seine fehlende Selbstständigkeit.

Colin kann nicht sprechen, nicht sagen Ja oder Nein und sich auch sonst nicht äußern, wenn etwas nicht stimmt. Im Alltag bedeutet das, dass wir bei allem helfen müssen – beim Anziehen, Ausziehen, Essen und Trinken.

Eine Prognose zu seiner Entwicklung gibt es nicht. Die Ärzte wollen sich da nicht festlegen, weil einfach niemand sagen kann, was er irgendwann können wird oder nicht.

Deshalb ist jeder noch so kleine Fortschritt für uns ein riesiges Geschenk.

Unser Alltag ist oft ein Kampf:

Wir müssen um jedes Hilfsmittel, jede Therapie und jede Reha kämpfen. Anträge werden abgelehnt, wir schreiben Widersprüche – immer und immer wieder. Zum Beispiel wurde uns ein spezieller Oberkörper-Positionierer verweigert, der ihm mehr Stabilität geben würde. Auch beim Pflegegrad wurde anfangs einiges gestrichen, etwa die Punkte für Essen und Trinken, obwohl das bei ihm ja zentral ist, weil er beides nicht selbstständig kann.

Spezielle Hilfsmittel können Colin den Alltag erleichtern - doch die Anträge werden oft abgelehnt.

Spezielle Hilfsmittel können Colin den Alltag erleichtern – doch die Anträge werden oft abgelehnt.
Foto: privat

Aber so anstrengend es auch ist: Wir kämpfen für unseren Sohn. Und wir wissen: Jedes kleine Recht, das wir für Colin durchsetzen, ist ein großer Schritt in seine Teilhabe am Leben.

Was ich anderen betroffenen Eltern mitgeben möchte:

Hört auf euer Bauchgefühl! Wenn ihr spürt, dass etwas nicht stimmt, dann lasst euch nicht abwimmeln.

Gebt nicht auf! Auch nicht nach der dritten Absage oder dem vierten Widerspruch. Unsere Kinder verdienen das Beste, was sie bekommen können.

Außerdem liegt mir das Thema Inklusion besonders am Herzen.

Ich wünsche mir, dass Menschen Kindern wie Colin nicht nur mit neugierigen Blicken begegnen, sondern offen auf uns zu gehen. Anstatt zu flüstern ‚Was hat der denn?‘ oder wegzuschauen, wäre es so viel schöner, einfach zu fragen.

Viele von uns Eltern erklären sehr gerne, warum unsere Kinder Hilfsmittel brauchen, oder warum sie sich anders entwickeln.

Wir wünschen uns Respekt und echte Offenheit – für unsere Kinder und für alle Menschen, die ein bisschen anders sind.

Ich hoffe sehr, dass das Teilen unserer Geschichte dazu beitragen kann, Berührungsängste abzubauen. Und gleichzeitig ein bisschen mehr Verständnis in die Welt zu bringen. Niemand sollte sich für die Besonderheit seines Kindes rechtfertigen oder verstecken müssen.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat, das mich durch viele schwere Tage getragen hat: Manchmal bekommen die stärksten Seelen die schwierigsten Wege. Und manchmal ist der größte Schatz in einem kleinen Körper versteckt.‘“


Liebe Steffi, vielen Dank, dass du deine emotionale Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

Bist du auch schon mal an der Bürokratie fast verzweifelt? Oder möchtest Du Steffi mit einer Botschaft Mut machen?

Schreib es uns in die Kommentare!
0
Schreib uns Deine Erfahrung oder Botschaft:x

Echte Geschichten protokollieren die geschilderten persönlichen Erfahrungen von Eltern aus unserer Community.

Wir freuen uns auf deine Geschichte!

Hast Du etwas Ähnliches erlebt oder eine ganz andere Geschichte, die Du mit uns und vielen anderen Mamas teilen magst? Dann melde Dich gern! Ganz egal, ob Kinderwunsch, Schwangerschaft oder Mamaleben, besonders schön, ergreifend, traurig, spannend oder ermutigend – ich freue mich auf Deine Nachricht an [email protected]

 

Wiebke Tegtmeyer

Nordisch bei nature: Als echte Hamburger Deern ist und bleibt diese Stadt für mich die schönste der Welt. Hier lebe ich zusammen mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Nach meinem Bachelor in Medienkultur, einem Volontariat und einigen Jahren Erfahrung als (SEO-)Texterin bin ich passenderweise nach meiner zweiten Elternzeit bei Echte Mamas gelandet. Hier kann ich als SEO-Redakteurin meine Leidenschaft für Texte ausleben, und auch mein Herzensthema Social Media kommt nicht zu kurz. Dabei habe ich mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung von der Schwangerschaft über die Stillzeit bis hin zum Babybrei beschäftigt. Und wenn ihr auf der Suche nach einem Vornamen für euer Baby seid, kann ich euch garantiert passende Vorschläge liefern. Außerdem nutze ich die Bastel-Erfahrungen mit meinen beiden Kindern für einfache DIY-Anleitungen. Wenn der ganz normale Alltags-Wahnsinn als 2-fach Mama mich gerade mal nicht im Griff hat, fotografiere ich gern, gehe meiner Leidenschaft für Konzerte nach oder bin im Volksparkstadion zu finden.

Alle Artikel

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Neueste
Älteste Beliebteste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare ansehen