Stell dir vor, du erziehst dein Kind allein. Du jonglierst Job, Haushalt, Erziehung – und trotzdem kommt jeden Monat zu wenig Geld rein, weil der andere Elternteil keinen Unterhalt zahlt. Für viele Alleinerziehende ist das keine Ausnahme, sondern Alltag.
In Deutschland springt in solchen Fällen der Staat ein – mit dem Unterhaltsvorschuss. 2024 hat das Bund und Länder rund 3,2 Milliarden Euro gekostet, wie die Tagesschau berichtet. Das Problem: Nur ein Bruchteil dieses Geldes kommt jemals wieder zurück. Laut Bundesfamilienministerium lag die sogenannte Rückgriffsquote im vergangenen Jahr bei nur 17 %.
Wieso zahlen so viele Elternteile keinen Unterhalt?
Scheidungsanwältin Martina Ammon erklärt: „83 % der Unterhaltsvorschüsse bleiben uneinbringlich – das ist kein Versagen einzelner Väter, sondern ein Versagen des Staates.“
Eigentlich könnte man denken: „Wer zahlen kann, muss zahlen.“ Aber so einfach ist es nicht. Der Staat kann nur Geld zurückholen, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil tatsächlich Einkommen hat – und dieses auch pfändbar ist. Viele verschleiern ihre finanzielle Lage, arbeiten offiziell gar nicht oder nur in Minijobs, sodass kein pfändbares Einkommen vorhanden ist.
„Viele können zahlen, wollen aber nicht.”
„Viele Unterhaltspflichtige entziehen sich – nicht, weil sie nicht zahlen können, sondern weil sie nicht zahlen wollen. Manche machen sich regelrecht einen Sport daraus, Unterhaltsansprüche zu umgehen – durch ständige Umzüge, Arbeitgeberwechsel oder den gezielten Wegzug ins Ausland. Das habe ich alles selbst erlebt, wenn mich Mandantinnen beauftragt haben, Unterhaltstitel zu vollstrecken.“
In der Praxis seien es überwiegend Väter, die sich bewusst außerhalb der Rechtsordnung stellen. Das persönliche Schicksal ihrer Kinder spiele für sie keine Rolle, sie seien sich selbst die nächsten. „Viele Mütter geben dann frustriert auf”, weiß Ammon.
Wieso kann der Staat sich das Geld nicht einfach zurückholen?
Ammon stellt klar, dass es rein rechtlich betrachtet, längst möglich wäre, die unterhaltspflichtigen Eltern zu belangen. Ihre harte Einschätzung: „Die Mittel gibt es längst – sie werden nur nicht genutzt.“
Kontoinformationen könnten etwa über die BAFIN abgefragt werden, erklärt die Scheidungsanwältin. Lohnpfändungen direkt über den Arbeitgeber seien bereits möglich, setzen aber offizielle Arbeit und ein Einkommen oberhalb der Pfändungsgrenzen voraus. Auch eine strafrechtliche Verfolgung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht ist möglich.
Doch diese Mittel würden alle viel zu selten genutzt. Sie würden ihm gewissen Maße eine geordnete Existenz verlangen und „kein Drückebergertum”, erklärt Ammon.
Führerscheinentzug: härtere Maßnahmen für Unterhaltsverweigerer
Die schwarz-rote Bundesregierung will den Druck auf Elternteile, die nicht zahlen, nun erhöhen. Geplant sind strengere Auskunftspflichten – und sogar der Entzug des Führerscheins, wenn Unterhaltspflichten nicht erfüllt werden. Das klingt nach harten Konsequenzen, sorgt aber auch für Diskussionen: Wird das wirklich etwas ändern?
Ammon ist überzeugt: „Ein Führerscheinentzug trifft im Alltag härter als jede abstrakte Strafandrohung – und genau das brauchen wir, spürbare Konsequenzen.“ Wer meine, sich auf Kosten der Allgemeinheit und vor allem seiner Kinder dauerhaft aus der Verantwortung stehlen zu können, solle spürbare Konsequenzen erfahren.
Auch hier sollten schnellstmöglich Schlupflöcher geschlossen werden, wie etwa Ausnahmen für Berufskraftfahrer. Wer einer regulären Erwerbstätigkeit nachgehe, sei mit Sicherheit in der Lage, zumindest den Mindestunterhalt auch tatsächlich zu bezahlen, sagt die Anwältin.
So sollen Alleinerziehende finanziell entlastet werden
Neben den Sanktionen plant die Regierung auch, die finanzielle Situation vieler Alleinerziehender zu verbessern: Das Kindergeld soll beim Unterhaltsvorschuss künftig nur noch zur Hälfte angerechnet werden, statt wie bisher vollständig. Das würde den monatlichen Betrag, der tatsächlich bei den Familien ankommt, etwas erhöhen.
Alleinerziehende tragen tagtäglich eine enorme Verantwortung – oft unter finanzieller Dauerbelastung, weil der andere Elternteil seiner Pflicht nicht nachkommt. Der Staat springt zwar ein, doch die Rückholung der Gelder scheitern häufig an Schlupflöchern und mangelnder Konsequenz. Neue Maßnahmen wie strengere Auskunftspflichten und sogar der Führerscheinentzug könnten endlich spürbare Folgen für Unterhaltsverweigerer bringen – und damit echte Entlastung für Mütter und Kinder schaffen.
Vielen Dank an Scheidungsanwältin Martina Ammon, die uns als Expertin für diesen Artikel zur Seite stand.
Martina Ammon ist Fachanwältin für Familienrecht mit über 25 Jahren Erfahrung und hat mehr als 3.500 Familien durch Trennungen begleitet. Als Scheidungsmentorin unterstützt sie Frauen bei einer Trennung auf Augenhöhe und hat bereits über 500 Frauen geholfen, den Scheidungsprozess selbstbewusst zu meistern. Mehr zu ihr findest du bei Instagram @scheidungscoaching oder über ihre Webseite martinaammon.de
Quellen: Kosten für Unterhaltsvorschuss steigen, in: Tagesschau, aufgerufen am 20. August 2025