Williams-Beuren-Syndrom: „Es tut mir so leid, dass ich dir nicht helfen kann“

Mama zu sein, ist wunderbar und manchmal echt hart. Die Mama eines besonderen Kindes zu sein, ist noch härter. Während die einen sich darum sorgen, wann ihr Kind denn endlich lernt, mit einem Löffel zu essen, sorgen sich Mamas wie Anna darum, ob ihr Kind überhaupt jemals allein essen können wird.

Annas Brief an ihr kleines Töchterchen Ella erinnert einen daran, wie dankbar wir für unsere Kinder sein können, vor allem, wenn sie gesund sind.

„Mein kleiner Schatz,

es schmerzt zu sehen, wie du den Kindern beim Spielen hinterherschaust – aber nicht mitlaufen kannst.

Es tut mir so weh zu sehen, dass du etwas mitteilen möchtest – und die Menschen dich nicht verstehen, weil du nicht sprechen kannst.

Es schmerzt zu sehen, dass du nicht essen kannst – aber andere Kinder um dich herum mit Freude ihr Essen genießen.

Es tut mir so leid, wie du jeden Tag mit Ängsten und Schmerzen kämpfst – während andere Kinder glücklich und sorglos die Welt entdecken.

Es schmerzt zu sehen, wie sich die Panik in deinen Augen breitmacht, weil wir wieder im Krankenhaus oder beim Arzt sind. Du hast in deinem kurzem Leben zu viel erlebt.

Ella in der Klinik. Foto: privat

Es quält mein Herz zu sehen, wie du mich verzweifelt anschaust und deine Blicke mir sagen: ,, Mama hilf mir!’‘ – ich dir aber nicht helfen kann, weil die medizinischen Behandlungen einfach notwendig sind.

Es tut so weh zu wissen, was du schon alles erleben musstest, und wie oft du bereits um dein Leben gekämpft hast. Dass du dein Leben lang weiter kämpfen musst, und dass du uns jederzeit für immer verlassen könntest.

Dieser Schmerz ist das Schlimmste, was eine Mutter ertragen kann. Mein Kind leiden zu sehen, es tut so unheimlich weh, jeden Tag aufs Neue.

Und doch gibt es auch die wunderschönen Momente, jeden Tag!

Mein Herz geht auf, wenn ich deine strahlenden Augen und deine Lebensfreude sehe.

Wie glücklich du bist, wenn du nach langem Üben etwas Neues gelernt hast und darauf stolz bist.

Ich liebe es zu sehen, wie sehr du dich über die kleine Dinge freust.

Voller Lebensfreude: Die kleine Ella. Foto: privat

Du liebst so bedingungslos, und ich kann es jeden Tag aufs Neue spüren.

Mein Herz geht auf, wenn ich beobachte, wie sehr du deine Geschwister liebst und wie sehr sie dich lieben.

Ich bin so stolz auf dich. Du kannst in Windeseile jedes Herz erobern und alle mit deiner Lebensfreude anstecken.

Du zeigst mir, dass sich kämpfen lohnt. Dass du leben willst und niemals aufgibst. Du zeigst mir, was wichtig im Leben ist. Du gibst mir die Kraft um weiterzumachen. Du bist mein Vorbild. Ich bleibe immer an deiner Seite, egal welchen Weg wir gehen müssen!

Und ich werde immer für dich kämpfen, genauso, wie du es jeden Tag tust.

Deine Mama“

Anna hat bereits in diesem Artikel einmal Ellas Leben mit dem Williams-Beuren-Syndrom geschildert. Dieser genetische Defekt ist eine Laune der Natur, der jeden von uns treffen könnte. Daran muss man sich immer wieder erinnern, wenn man Kinder wie Ella (und ihre Mamas) sieht. Ella ist inzwischen drei Jahre alt. Sie ist eine kleine Kämpferin und geht unheimlich tapfer durchs Leben. Allein dieses Jahr wurde Ella wieder mehrfach operiert.

Wir alle können so viel mehr tun, um ihr Leben leichter zu machen und sie zu unterstützen. Indem man ihre Geschichten teilt und so Bewusstsein schafft, für die Forschung und Inklusion spendet, oder einfach im echten Leben die betroffenen Mamas und Kinder fragt, wie man ihnen helfen kann.

Was ist das Williams-Beuren-Syndrom? 

Das Williams-Beuren-Syndrom ist ein genetisch bedingter Defekt auf dem Chromosom 7, der bei der Bildung der Keimzellen durch den Verlust von genetischem Material entsteht.  Auffällige Zeichen der Erkrankung sind der charakteristische Gesichtsausdruck, Fehlbildungen im Bereich des Herzens und eine geistige Entwicklungsverzögerung. Erstmals wurde das Syndrom Anfang der 60-er Jahre vom neuseeländischen Kardiologen Williams und dem Göttinger Kinderkardiologen Beuren beschrieben,  weshalb es seitdem ihre Namen trägt. Das Syndrom gehört zu den seltenen Erkrankungen, etwa einer von 7.500 – 10.000 Menschen ist von dem Gendefekt betroffen.

Was sind die Symptome des genetischen Defekts?

Häufig wird die Diagnose erst im Kindergarten- oder Grundschulalter gestellt, da die Symptome aufgrund ihrer Besonderheit und der Seltenheit der Erkrankung oft unbekannt und schwer zuzuordnen sind.

Außerdem sind nicht alle Merkmale bei allen Erkrankten gleichermaßen ausgeprägt.

Die häufigsten Symptome sind: 

– Gefäßverengungen und -veränderungen, insbesondere in Herznähe
– typische Gesichtszüge
– Schielen
– Kleinwuchs
– leichte bis mittelschwere geistige Behinderung
– Entwicklungsverzögerungen (z.B. beim Laufen und Sprechen)
– Ess- und Trinkschwierigkeiten
– Geräuschempfindlichkeit
– musikalische Begabung

Ist das Williams-Beuren-Syndrom heilbar?

Heilbar ist das Syndrom nicht, denn die Ursache ist ein Verlust von mehreren Genen im siebten Chromosom, also ein genetischer Fehler. Es gibt jedoch einige Therapiemethoden, durch die vor allem Kinder in ihrer Entwicklung gefördert werden und ihnen so ein individuelles Maß an Selbstständigkeit verleihen können.

Wie sieht die Therapie des Syndroms aus?

Besonders Kinder können in ihrer Entwicklung durch Physiotherapie, Ergotherapie und heilpädagogische Frühförderung unterstützt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Syndrom frühzeitig erkannt und diagnostiziert wird, was aufgrund der seltenen Symptome häufig erst im Kindergarten- oder Grundschulalter geschieht. In Hinblick auf die Ess- und Trinkschwierigkeiten und häufige Trink- und Saugstörung der betroffenen Kinder wird auch Logopädie empfohlen. Wegen eines hohen Kalziumgehalts im Blut müssen viele Betroffene außerdem vermehrt auf ihre Ernährung achten. Im fortschreitenden Alter kann es zu einer Skoliose, einer Verformung der Wirbelsäule kommen. Auch Operationen im Bereich des Herzens und an den Nieren können im Laufe des Lebens notwendig werden.

Wie hoch ist die Lebenserwartung von Menschen mit dem Williams-Beuren-Syndrom?

Die Lebenserwartung von Menschen mit dem Williams-Beuren-Syndrom gleicht der von gesunden Menschen, solange die Betroffenen nicht unter schwerwiegenden organischen Fehlbildungen oder anderen medizinischen Problemen leiden. Betroffene können mit entsprechender Förderung ein individuelles Maß an Unabhängigkeit erreichen. Trotzdem sind sie in der Regel ein Leben lang auf Hilfe und Unterstützung angewiesen.

Mehr Infos zur Krankheit und Unterstützung findet ihr hier.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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