Wildes Kind: „Das ist der Grund, warum ich Helikopter-Mama bin.“

Helikopter-Mutter – es ist selten nett gemeint, wenn man jemanden so nennt. Der Begriff bezeichnet eine überfürsorgliche Mama, die ihr Kind nicht aus den Augen lässt, es ständig umsorgt und betüddelt, es keine eigenen (schlechten) Erfahrungen machen lässt… So will keiner sein. Aber manchmal ist es leichter gesagt als getan, sein Kind loszulassen. Oder – es ist schlichtweg unmöglich, ohne, dass es zu größeren Problemen kommt.

So geht es auch unsere Echten Mama Nancy* (*alle echten Namen sind der Redaktion bekannt). Die 32jährige aus Berlin hat uns erzählt, warum sie quasi jede wache Minute ihrer zweijährigen Tochter Lilo* wachsam sein muss. Hier das Protokoll unseres Gesprächs:

Helikopter-Mutter. So oder so ähnlich wurde ich schon oft genannt. Was habe ich mich darüber aufgeregt, ich war anfangs richtig verletzt. Inzwischen winke ich nur noch müde ab. Sollen doch alle denken, was sie wollen… Und all jene, die mir nahestehen, wissen inzwischen sowieso, warum ich eben nicht in aller Ruhe für längere Zeit auf dem Sofa liegen kann, während Lilo in einem anderen Zimmer spielt.

Aufgedreht.

Lilo on Speed. Duracell-Häschen. Terrorbiene. So oder so ähnlich wurde Lilo schon oft genannt. Und ja – das trifft es ganz gut. Mein kleines Mädchen ist eher Stuntgirl als Prinzessin. Ohne Netz und doppelten Boden.

Lilo ist ein fröhliches Kind, neugierig, voller Energie und Bewegungsdrang. Wegen Kindern wie ihr wurden Steckdosen-Sicherungen, Kantenschutz und Schubladen-Riegel erfunden, da bin ich mir sicher.

Es ging früh los, eigentlich, als sie mobil wurde.

Die entdeckte die Wohnung robbenderweise. Ganz zauberhaft! Aber wenn es ein Loch oder einen Spalt gab, musste sie ihre kleinen dicken Baby-Fingerchen hineinstecken, notfalls mit Gewalt. In etwa der Hälfte der Fälle bekam sie sie dann nicht wieder hinaus…

Sie räumte Bücher- und CD-Regale aus, sobald sie sich an ihnen hochziehen konnte. Natürlich die Fächer über ihr, so dass ihr dabei alles auf den Kopf fiel.

Ich weiß nicht, wie oft ich schon ganz knapp einer Herzattacke entkommen bin – aber Lilo ist hart im Nehmen.

Lilo kennt keine Angst.

Auf den größten Spielplätzen und in Parks rennt sie weg von mir, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Weit weg. Wühlt man einmal in seinem Rucksack nach den Reiswaffeln, die sie unbedingt haben wollte, sitzt sie schon ganz oben auf dem Klettergerüst. Wasser zieht sie magisch an, im Sommerurlaub habe ich sie kaum davon abhalten können, in den tiefen Pool zu springen. Mehrfach.

Lilo ist findig.

Das Treppengitter bei Oma und Opa öffnet sie längst selbst. Den losen Gitterstab ihres Bettchens bekommt sie selbst herausgedreht.

Lilo ist gewieft.

So hoch kann man keine Keksdose stellen, dass sie nicht versucht, mit einem selbstgebauten Turm aus Kissen und Hockern an sie heranzukommen. Unser Messerblock steht längst im höchsten Hängeschrank – man weiß ja nie.

Und genau deshalb – bin ich daueraufmerksam.

Ich muss es sein. Wenn wir bei Freunden zum Grillen sind, bitte ich sie, ihre Alsterwasser-Dosen nicht einfach in Kindergriff-Höhe abzustellen. Was musste ich mir für Spott anhören – bis Lilo eine Dose ansetzte. Zum Glück ,nur`Cola.

Meine Mama-Freundinnen haben genervt die Augen verdreht, wenn wir in einer ihrer Wohnungen gemütlich Kaffee tranken, ,die Kinder so schön ruhig im Kinderzimmer spielten` und ich es nach zehn Minuten nicht mehr aushielt, nicht nach ihnen zu sehen. Tja, zu der Zeit war immerhin nur ein kleiner Teil der Tapete mit Filzstift bemalt. ,Das war Lilos Idee!‘, freuten sich die anderen Kinder.

Solche Beispiele gibt es ohne Ende. Ja, ich behalte meine kleine wilde Maus im Auge. Und das quasi ständig. Aber was soll ich tun? Ich muss eben parat sein, um sie aufzufangen, wenn sie vom Hochbett springen will. Ich muss sie abhalten, die Schere am Vorhang auszuprobieren. Ich möchte vermeiden, dass sie auf dem Campingplatz ein paar Parzellen weiter einem allzu netten Fremden in die Arme läuft – ,familienfreundlicher Urlaub` hin oder her.

Bin ich deswegen eine Helikopter-Mutter?

Ich denke nicht. Wenn doch, dann ist es eben so.

Und wisst ihr was? Dann bin ich es auch gerne. Denn auch, wenn ich abends völlig fertig auf die Couch falle, auch, wenn ich auf dem Spielplatz nicht gemütlich ein Buch lesen kann und auch, wenn Lilo bei Eltern von ruhigeren Kindern oft aneckt – ich will mit keiner anderen Mama tauschen. Denn diese kleine Person fordert mich zwar jeden Tag aufs Neue – aber es macht auch so viel Spaß, sie zu beobachten und die Welt durch ihre Augen neu zu entdecken. Und fürs Fitnessstudio muss ich auch kein Geld ausgeben 😉 “

Danke, liebe Nancy, für deine Geschichte!

Und jetzt erzählt mal: Habt ihr auch ein wildes Kind?

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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tini
tini
3 Jahre zuvor

Das beschriebene beschreibt KINDER… so sind sie halt und wenn man seine Wohnung kindgerecht einstellt und auch loslässt merkt das Kind sehr schnell gefahren selbst einschätzen zu können. Bei Freunden haben wir auch im Alter von 1 Lebensjahr die Stüle auf den Boden gelegt um in Ruhe quatschen zu können, da das Kind ansonsten vom Stuhl auf den Tisch von dort auf die fensterbank und von dort aus dem Fenster geklettert wäre… es gibt gefahren vor denen man schützen muss und gefahren die das kind selbst erfahren muss. Übt man ab babyalter wenn das kind gerade robbt das richtige rückwärts vom bett rutschen und lässt das kind viel ausprobieren und zeigt eher wie es besser und unbeschadet dies selbst tun kann und steht nicht immer mit offenen Armen zum fangen dahinter sondern ermutigt das Kind es selber ohne Hilfe zu schaffen wird man später weniger Probleme haben mit Kindern die ihre Grenzen falsch abschätzen. Trotzdem ist exakt oben beschriebenes verhalten absolut normal in einem gewissen Alter und es heißt nicht dass das Kind immer so waghalsig bleiben wird. Wenn man aber keine Grenzen aufsetzt, dem kind nicht erklärt warum das nicht geht und nicht versucht die Bedürfnisse des Kindes anders zu befriedigt die sicherer sind ist der drang zum verbotenem zu hoch da kinder Forscher und entdecker sind. Will es an die keksdose klettern muss diese aus dem Sichtfeld, alles andere ist selbstkasteiung, will das kind klettern gib ihm die möglichkeit regelmäßig klettern zu dürfen wo es sicher ist oder du es beaufsichtigen kannst. Will das kind an die Messer dann gib ihm ein kindermesser und schnibbel in der Küche zusammen das essen, will es mit der schere die Gardine schneiden gib ihm eine schere und lass es buntes Papier schneiden, malt es auf der Tapete zeig ihm wo es malen darf und gib ihm ein Blatt papier, geht es an Steckdosen ist es normal im krabbelalter, ist ja auch auf sichtbare und sieht interessant aus, gib ihm Friemelspiele zum stecken zum Fäden zum rausfischen, fällt es regelmäßig in den Pool will es scheinbar planschen… geh baden oder stell im Garten ne wasserschüssel auf zum planschen oder matschen… kinder haben nun mal Bedürfnisse… sei Aufmerksam und gebe sie ihnen in einer Form die für euch beide ok ist und das unmittelbar oder jeh nach herangehemdem alter kann es auch Zeitlich versetzt sein, da das Kind das Bedürfnis jetzt hat. So lernt es die Sachen nicht heimlich machen zu müssen, sondern seine Bedürfnisse klar zu formulieren und nach den Dingen zu fragen die es darf. Und überlege… warum willst du jetzt nicht warum es das nicht darf und ist es eine Plausieble Erklärung… manchmal hat es auch kein Grund warum ein kind was nicht soll… lass es also kind sein und nicht erwachsen angepasst lieb leise in der Ecke sitzend… gehst du Kaffeetrinken ist es ok wenn dein gerade robbendes baby auf dem fussboden sitzt/liegt und die Steinchen aus den ritzen Pult und sie nacheinander probiert… sei sonst vorbereitet und bring Spielzeug oder was zu malen mit aber lass es auch kind sein und sich dreckig machen und Dreck essen… das gehört dazu und bringt es nicht um … und tadaa man hat ein entspanntes glückliches kind und eine gelassene stressfreie mutter… trotzdem ändert es nix daran indem es Phasen gibt wo du hinterherlaufen musst und es einfängt… fangen spielen bringt einfach viel zu viel Spaß

Ich
Ich
3 Jahre zuvor

Ich musste zur Helikopter mum werden
Meine inzwischen 4 jährigen Zwillinge sind beide Epileptiker . Ich habe massig blöde Kommentare gehört, weil ich immer noch am Klettergerüst stehe und nicht allein mit ihnen zum See fahre….
Man sollte nie urteilen, ohne die Geschichte zu kennen

Wusel
Wusel
3 Jahre zuvor

Oh man. . .Mein Sohn ist auch so .
Er kennt keine Angst, ist ein absoluter Wirbelwind und hatte schon eine Gehirnerschütterung und einen Schädelbruch mit 13 Monaten! Und all das trotz meiner hundertprozentigem Aufmerksamkeit und vorsicht. Andere Mamas sind genervt, wenn ich ständig nach ihm schaue und hingehe, während sie ihre Kinder einfach machen lassen. Aber ich kenne meinen Sohn und weiß, dass er auch gerne mal von der Rutsche fällt, wenn er irgendwo etwas interessantes sieht 😉

Verena
Verena
3 Jahre zuvor

OMG!!! Es scheint als hätte mein Wirbelsturm Leano eine Zwillingsschwester ?? es könnte eins zu eins ein Text von mir sein. Ich bin ja eigentlich so eher die bequeme Sorte Mutter,die sich zweimal überlegen muss ob sie dem kind nachrennt. Beim großen war das nicht so ein Thema. Aber der kleine…puh!! Der macht mich echt fertig. Aber er ist so ein Sonnenschein und so fucking charmant… und ich würde es mir nicht verzeihen wenn er sich ernsthaft verletzen würde (abgesehen von den treppenstürzen,stürzen von stühlen oder aus dem Laufstall die er echt immer gut weggesteckt hat)!
Also sollen andere ruhig den kopf schütteln über das hinterhergerenne und die zig Herzinfarkte vor denen ich schon stand dank seiner waghalsigen ich-entdecke-die-welt-Handlungen. Ich tu das,was für Leano das beste ist!