Was habe ich vor meinen Kindern eigentlich den ganzen Tag gemacht?

Foto: miriamboettner.com

Das fragt sich unsere Autorin und Fotografin Miriam Boettner. Inzwischen hat sie zwei Kinder, Emil und Ida, einen Mann: Paul. Von ihrem Familienleben berichtet sie regelmäßig auf ihrem Blog „Emil und Ida“. Wenn sie nicht in ihrer Heimatstadt Hamburg ist, fährt sie mit ihren Kindern durch Deutschland und berichtet von ihren Abenteuern auf ihrem zweiten Blog „Kleine Landstreicher“

„Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie es war, als ich noch keine Kinder hatte, aber ganz viel Zeit. Es müssen unendliche Stunden gewesen sein. Denn inzwischen sehen meine Tage meistens so aus:

6:20 Uhr: Ja, es ist früh, aber zum Glück bringt mir mein Mann Paul allmorgendlich einen Kaffee ans Bett. Besser geht es eigentlich nicht.

6:45 Uhr: Die erste Aufgabe: Meinem Sohn Emil, der bereits seit 5:45 Uhr wach ist, Sachen zum Anziehen raus suchen. Dann Ida wecken. Ida anziehen. Kurz das Nötigste in der Küche aufräumen, Brote schmieren, Äpfel schälen, Hundeleine suchen, den Kindern die Zähne putzen, Jacken und Gummistiefel, Mütze und Helme suchen. Alle raus scheuchen.

7:45 Uhr: Ida fährt Fahrrad zu Emils Schule, Emil auch, der Hund und ich rennen. Kurz mit der Klassenlehrerin sprechen (denn oh, ich weiß nicht, wie es passieren konnte, aber ich bin Elternvertreterin). Draußen vor der Schule bellt der Hund Fremdhunde an. Treppen runter rennen. Mit dem Hund schimpfen. Kapuze auf, Ida wieder auf ihr Fahrrad steigen lassen und zum Kindergarten laufen. Ida stürzt. Mag nicht mehr Fahrrad fahren. Ich halte den Hund und schiebe das minikleine Fahrrad bis zum Kindergarten. Ida abgeben, tausend Mal am Fenster winken und dann schnell mit dem Hund in den Park.

8:20 Uhr: Der Hund schwimmt zwei Runden im Weiher und tut so, als könne er mein Geschrei nicht hören.

8:30 Uhr: Nach Hause. Hund trocken rubbeln. Der Hund wälzt sich auf dem neuen Teppich im Flur. Alles grau und braun und matschig.

9:00 Uhr: Frisch geduscht schnell noch Emails lesen und mit der großartigen Esther Roling chatten, mit der ich ein Fotoprojekt plane, auf das ich mich sehr freue. Den Hund nehmen, das ganze Kamera-Equipment und zu unserem Bus laufen. Der ist eingeparkt von einem Möbelwagen. Ich sage: „Ich komme da nicht raus“. Die Möbelpacker sagen: „Doch!“. Ich rangiere hundert Mal und schwitze vor Stress. Der Hund macht jetzt lieber mal den Bus dreckig.

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Foto: miriamboettner.com

10:00: Pünktlich zum Neugeborenen-Shooting in Hamburg Wellingsbüttel. Neugeborene sind so rührend und unschuldig. Ich bin ganz verliebt. Dann schnell mit dem Hund durch Wellingsbüttel laufen – alles besser als bei uns mitten in der Stadt. Schnell wieder in den Bus und noch einkaufen. Ich weiß nur nicht mehr was. Den Zettel habe ich Zuhause vergessen. Menschen, die kochen können, können auch ohne Einkaufszettel einkaufen. Ich aber nicht.

12:00 Uhr: Zurück in unserem Stadtteil Eimsbüttel. Parkplatz suchen, Einkauf rein schleppen. Wieder Emails beantworten, ich habe ja auch im Kinderladen noch ein Amt. Ich vergebe die Plätze für neue Kinder. Das heißt aber auch, Emails mit Fragen beantworten, koordinieren, wann wir freie Plätze haben, Besichtigungs- und Kennenlerntermine vereinbaren. Parallel versuche ich zu organisieren, wie viele Eltern aus Emils Klasse Karten für das Weihnachtsmärchen möchten. Ich verzähle mich ständig.

13:00 Uhr: Essen schaffe ich heute nicht. Die Bilder vom Neugeborenen-Shooting auf den Computer laden, zwei Rechnungen schreiben, Hund und Katze füttern und super fix den grauen Teppich im Flur absaugen, jetzt, da der Dreck getrocknet ist. Dann Fotos sortieren und bearbeiten. Viel Zeit bleibt mir nicht. Ich muss Emil heute um kurz vor drei schon aus der Schule holen und zum Spielplatz bringen. Da wird er von meiner Freundin Julia in Empfang genommen, die wiederum nimmt ihn mit zu Idas Ballett-Kurs. Für Emil hab ich keine andere Lösung gefunden. Ida fährt mit einer anderen Freundin mit.

15:15 Uhr: Emil am Spielplatz abgeben, Ida die Ballett-Sachen in der kleinen Fuchstasche in die Hand drücken. Ida weint. Sie will entweder mit mir oder mit Julia und Emil zum Ballett fahren. Ich erkläre ihr, dass das nicht geht. Emil fährt ja mit dem Fahrrad. Der kann schon so weite Strecken fahren. Ida weint. Ich muss ganz dringend zu einem Termin mit dem Kindergartenvorstand und der Kindergartenleitung. „Wer soll mir denn beim Umziehen helfen?“ schluchzt sie. Emil läuft zu ihr zurück. „Ich kann dir doch gleich helfen,“ tröstet er sie.

15:20 Uhr: Nur 5 Minuten zu spät beim Termin mit dem Vorstand. Nur dass Emil mit meinem Fahrradschloss abgedüst ist, habe ich übersehen. Jetzt steht mein Rad eben unangeschlossen da. Fühlt sich doof an. Pauls ist auch seit gestern geklaut. Unser Fahrradbestand lichtet sich.

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Foto: miriamboettner.com

16:30 Uhr: Jetzt aber schnell zum Ballett-Studio radeln. Nur noch kurz am DHL Shop vorbei und zwei Aufträge per Post verschicken. Wieder etwas abgehakt. Das fühlt sich gut an und lässt mich fast den Regen im Gesicht nicht spüren. Am Ballett-Studio kann ich auch endlich mein und Emils Rad zusammenschließen. Emil sammelt draußen Kastanien, ich laufe noch schnell rein und sehe die letzten zehn Minuten zu. Ida strahlt. Eine andere Mutter berichtet mir gerührt, wie liebevoll Emil Ida geholfen hätte, ihre Ballettsachen anzuziehen. Ach, mein lieber kleiner Emil.

17:00 Uhr: Zurück vom Ballett, alle nass, der Hund muss eigentlich auch mal wieder raus. Idas Freundin Carlotta kommt noch mit zu uns, Emils Freund Jan wollte eigentlich nur ein Buch abholen und bleibt noch ein Weilchen. Ich mag es tatsächlich sehr gerne, wenn viele Kinder im Haus sind. Überall herrscht reges Treiben, nur der Hund darf nirgendwo mitspielen, und sein aufforderndes Bellen geht mir ein bisschen auf die Nerven. Während die Kinder spielen, versuche ich Herr über den Berg Wäsche zu werden und rufe kurz Paul an. Seitdem es einen Edeka auf dem Klinikgelände gibt, auf dem er als Arzt arbeitet, kann man ihn beauftragen, Dinge mit zu bringen. Es wird nur etwas dauern, denn Paul braucht noch ein bisschen und ist ja jetzt fahrradlos. Er muss also mit dem Bus kommen, und das dauert immer länger.

19:00 Uhr: Alle Spielkameraden sind abgeholt. Emil und Ida gehen noch mal mit mir und dem Hund bis zur Kirche und helfen mir dann beim Kochen. Bin ich froh, dass Emil nie Zuhause Hausaufgaben machen muss – er macht diese schon in der Schule. Ich wüsste nicht, wann.

19:45 Uhr: Die Kinder sind satt, und, oh, Papa kommt!

20:30 Uhr: Die Kinder schlafen, Paul und ich essen, dann geht er mit dem Hund raus und ich an den Schreibtisch. Richtig viel Lust und Motivation habe ich nicht mehr.

21:30 Uhr: Ich mache lieber die Wäsche vor dem Fernseher. Natürlich kommt wie immer rein gar nichts im Fernsehen, aber zum bergeweise Wäsche Zusammenlegen reicht es.

23:00 Uhr: Paul arbeitet immer noch an einem Vortrag. Und ich frage mich: Was haben wir eigentlich früher so den ganzen Tag gemacht, ohne Kinder?“

Tamara Müller
Als süddeutsche Frohnatur liebe ich die Wärme, die Berge und Hamburg! Letzteres brachte mich vor sieben Jahren dazu, die Sonne im Herzen zu speichern und den Weg in Richtung kühleren Norden einzuschlagen. Ich liebe die kleinen Dinge im Leben und das Reisen. Und auch wenn ich selbst noch keine Kinder habe, verbringe ich liebend gerne Zeit mit ihnen.

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