Warum wir über Faschings-Kostüme zweimal nachdenken sollten

Kinder lieben es, sich zu verkleiden. In andere Rollen zu schlüpfen, mal etwas verrückter aussehen als sonst, so cool wie der liebste Superheld sein und ein Mini-Makeup verpasst zu bekommen – das ist eben toll!

In der kommenden Woche feiert die Schule meiner Tochter Fasching und sie ist schon total aufgeregt. Ganz klar ist – an dem Tag bringe ich sie zur Schule und nicht ihr Papa. Denn ich freue mich schon so darauf, die ganze Schar Vor- und Grundschüler in ihren entzückenden Kostümen zu sehen!

Womit wir beim Thema wären: Kostüme. Denn sind die denn wirklich alle „entzückend“?

In den letzten Jahren wurden immer wieder Stimmen laut, die monierten, dass gerade viele der Klassiker unter den Kostümen nicht lustig sind – sondern verletzend. Dazu gehören Verkleidungen, die bestimmte Menschengruppen darstellen sollen: „Indianer“, Chinesen, Personen mit dunkler Hautfarbe…

Das Problem daran ist: Diese Art der Kostüme zeichnet sich durch Klischees aus. Gelbe oder braune Farbe im Gesicht („Blackfacing“), Federschmuck auf dem Kopf… Also all das, was eine „euopäische Fantasie über eine Menschengruppe handelt, die nichts mit der Realität zu tun hat“, wie die Kölner Afrikanistik-Professorin Marianne Bechhaus-Gerst gegenüber dem Magazin InFranken sagte.

Vielleicht neigt man im ersten Augenblick dazu, „Ach Gott, na und!?“ zu denken.

Und das verstehe ich sogar. Schließlich war ich als Kind auch als Chinesin verkleidet. Fand ich mega! Und alle anderen sauniedlich. Und nein, kein Kind meint es böse oder rassistisch, wenn es so ein Kostüm wählt!

Lange hätten diese Argumente für mich gereicht, um sämtliche Einwände als „lächerlich“ von Tisch zu fegen. Nur – inzwischen bin ich geläutert und habe verstanden: Hier geht es nicht um mich und mein Empfinden. Und auch nicht um all die Kinder, die sich ihre Kostüme noch so herrlich unschuldig auswählen.

Es geht immer um diejenigen, die so dargestellt werden. Respektlos, ahnungslos, in ihren eigenen Augen so, dass es sich wie bissiger Hohn anfühlt.

Nehmen wir doch nochmal das Beispiel „Indianer“: Die hat es so niemals gegeben. Dieser Begriff wurde im Zuge der Kolonialisierung Nord- und Südamerikas der damaligen Bevölkerung aufgezwungen. Da fängt es doch schon an. Weiter geht es Federschmuck und Kriegsbemalung, die es in vielen Fällen so gar nicht gab.

Was unsere Kinder mit diesen Kostümen darstellen, sind Karikaturen von Personengruppen, die seit Jahrhunderten diskriminiert werden. Ein Gefühl, dass sich die meisten von uns kaum vorstellen können. Glücklicherweise! Aber können wir uns dieses Privilegs nicht bewusst sein und aus diesem Bewusstsein heraus an die Gefühle anderer denken? Und unseren Kinder andere Verkleidungen besorgen?

Für unsere Kinder ist es nur ein anderes Kostüm, für andere eine Kränkung weniger.

Es gibt unzählige Kostüme, die unsere Kinder lieben. Und die so fantasievoll sind, das sich keiner auf den Schlips getreten fühlt. Prinzessin, Pirat, Marienkäfer, Meerjungfrau, Polizist, Fee, Tiger, Harry, Hermine – ab dafür! (Psst: Megacool sind aber auch Prinzen, Meerjungmänner und Piratinnen – ist klar, ne?)

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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2 Comments
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Cat
Cat
Antworten  Nadine
2 Monate zuvor

Ein einziger Mensch der sich davon nicht berührt fühlt rechtfertigt noch lange nicht auf die gesamte Gruppe keine Rücksicht zu nehmen. Oder anders gefragt wenn ein Mensch dem es nichts ausmacht für die den Unterschied macht, müsste dann nicht auch ein einzelner Mensch der sich eben doch verletzt fühlt einen Unterschied machen? Es gibt genug Statements von indigenen Gruppen die sich eben doch daran stören. Und man nimmt den Kindern nichts damit etwas sensibler über Kostüme nachzudenken, im Gegenteil auch sie werden sich in Zukunft mehr Gedanken machen und im besten Fall zu bewussteren Menschen werden.
Einen Beruf mit Kulturen zu vergleichen finde ich ehrlich gesagt etwas schwach. Ein Polizist legt seine Uniform ab und ist damit dann einfach nur noch eine Person. Seine Kultur oder seine Hautfarbe kann man aber eben nicht ablegen, das ist ein großer Unterschied.

Nadine
Nadine
3 Monate zuvor

Hallo Zusammen,
Ich bin immer noch dafür hier nicht zu sehr fokussiert auf das Thema zu schauen. Der Vater meiner Cousine ist amerikanischer Ureinwohner und sie hat damit überhaupt kein Problem eben auch weil die Figur, die wir darstellen eben nicht direkt sie anspricht, sondern eine Phantasiegestalt.
Ein Polizist müsste sich demnach ja auch diskriminiert fühlen, wenn sein Kostüm von Kindern angezogen wird und somit die Autorität dieser Uniform in Frage gestellt wird. Wir müssen, so glaube ich, wieder offener werden. Wir sagen zwar, dass wir eine offene Geschichte sein möchten doch mit den ganzen Standardisierung verschwindet unsere eigene Identität immer mehr.