Nur Du & ich, Baby: Wie wir gemeinsam das Stillen gelernt haben

„,Jetzt versuche mal, ihn zu stillen!` Die sanfte Stimme meiner Hebamme lenkt mich von dir ab. Vor wenigen Augenblicken habe ich dich geboren und kann mich nicht an dir sattsehen. Du warst das also die ganze Zeit da in meinem Bauch? Du bist noch viel unglaublicher, als ich dich mir vorgestellt habe.

Sofort schäme ich mich ein bisschen: Hätte ich nicht instinktiv wissen müssen, dass ich dich jetzt stillen muss? Müssen Mamas nicht eigentlich wissen, was ihr Baby braucht?

Umständlich führe ich dich an meine Brust, die du erstaunlich schnell findest. Damit du sie nicht wieder verlierst, halte ich dich genau in dieser Position, obwohl mein Arm anfängt, lahm zu werden. ,Diese Position gefällt den meisten Babys nicht so gut.´ Ah, okay. Die Hebamme wird es wissen! Im Gegensatz zu mir. Ich bin verzagt.

Spät am Abend wird es endlich ruhig auf der Station. Ich kann dich ganz in Ruhe ansehen und streicheln. Ich habe das Gefühl, du schaust zurück. Mitten in mein Herz. Mein Gefühl der Unzulänglichkeit wird schwächer – wir gehören zusammen, wir schaffen das.

Selig schlummere ich ein. Und du auch. Wir schlafen sechs Stunden durch – ich bin ganz beseelt. Dann kommt die Schwester, um die erste Morgenrunde zu drehen. Sie schimpft ein wenig: ,Hatte Ihnen denn keiner gesagt, dass ihr Baby jetzt alle drei Stunden Milch braucht? Sie hätten es wecken müssen!?`

Nein, auch das wusste ich nicht. Ich werde es aber die kommenden Tage nicht mehr vergessen. Vergessen können, weil es ein Dauerthema ist. Du trinkst bei einer Stillmahlzeit zu wenig, deswegen ist es wichtig, dass du zumindest häufig trinkst. Deshalb wecke ich dich ganz regelmäßig aus deinem friedlichen Schlaf, auch, wenn es mir jedes Mal ein wenig das Herz bricht.

Schließlich nehmen dein Papa und ich dich endlich mit nach Hause.

Erst bin ich froh, aus der Dauerbeschallung mit guten Ratschlägen flüchten zu können. Dann überlege ich ängstlich: War es nicht doch eher eine gute Versorgung mit hilfreichen Tipps?

Du schläfst nach wie vor viel und trinkst wenig, meine Brüste sind schmerzhaft gefüllt. Ich pumpe zwischendurch ab und wir versuchen es mit dem Fläschchen. Das magst du aber noch weniger.

So vergeht die erste Woche. Dann bist du plötzlich viel häufiger wach und verlangst lautstark nach deiner Milch. Das macht mein Herz ganz leicht und warm. Die größte Sorge ist vorbei, weil du nicht mehr so schwach und schläfrig wirkst.

Und trotzdem bekommen wir es irgendwie nicht gut hin, du und ich. Ich habe Schmerzen, du machst dich steif, wenn ich dich anlege. Aber ich gebe nicht auf, verbissen versuche ich alles, was mir einfällt.

Ich. Will. Das. Schaffen. Für dich! Aber auch für mich, damit ich mich nicht mehr so erbärmlich fühle. So, als hätte ich versagt.

Meine Hebamme ist mir keine große Hilfe bei diesem Problem, wir haben einfach keinen Draht zueinander.

Nach ein paar Tagen suche ich mit brennenden Brustwarzen die Nummer einer Stillberaterin heraus. Und das ist mit Abstand die beste Idee, die ich seit deiner Geburt hatte.

Ich habe Glück, sie hat bereits am kommenden Tag Zeit für mich. Ich öffne ihr die Tür und fühle mich sofort wohl. Mein Gefühl trügt nicht: Sie beobachtet, wie ich versuche, dich zu stillen. Vor lauter Aufregung fühle ich mich dabei noch ungelenker als sonst, ich fange an zu weinen. Die letzten drei Wochen brechen aus mir heraus, lange Tage und Nächte, in denen wir beide gekämpft haben, um dich satt zu bekommen und uns beiden dabei auch noch ein Gefühl der Nähe zu vermitteln.

,Lass deine Milch fließen. Auch in Gedanken,` sagt die Beraterin und berührt dabei sanft meine Brüste. ,Es wird besser werden, jeden Tag ein bisschen. Lass los, es gibt hier keine Perfektion. Ihr werdet euren Rhythmus finden.`

Und ich glaube ihr. Vielleicht müssen wir einfach ein wenig geduldiger sein miteinander. Wir schaffen das, Baby!

Trotzdem bin ich froh, dass sie mir doch noch ein paar ,technische´ Details zeigt: Wie lege ich dich richtig an, so dass unsere beiden Körper ganz entspannt sein können? Wie müssen deine Lippen meine Brust umschließen, damit es nicht wehtut? Zum ersten Mal lasse ich bei diesem Thema jemanden emotional und körperlich so nah an mich heran.

Drei Mal kommt diese wundervolle Frau, die der Himmel geschickt hat, zu uns. Sie tut mir einfach gut. Sie gibt mir ein wenig meiner Gelassenheit zurück, ich fange langsam an, mich wieder wie ich selbst zu fühlen. Sie erlaubt es mir, meinen Kaffee zu trinken. Sie herzt dich, ohne dass es aufdringlich wirkt. Sie erzählt mir viel aus ihrem Leben, sie interessiert sich für meines, auch neben meiner Mutterschaft. Wir sind uns nah, auch wenn ich weiß, dass ich nur eine von vielen Kundinnen bin. Sie hat diese Gabe, ihr Herz für jede verzweifelte Mama zu öffnen, der es hilft. Es ist keine reine Show, die sie abzieht.

Als ihr letzter Tag bei uns gekommen ist, wird mir ganz bang. Es geht mir viel besser, das Stillen klappt öfter mal ganz gut– von einer mühelosen Stillbeziehung sind wir aber gefühlt meilenweit entfernt.

Sie nimmt mich zum Abschied in den Arm: „Sei geduldig. Deinem Baby geht es gut. Der Rest wird sich finden.“ Am Abend halte ich dich auf dem Arm und schaue dich an. Ich weiß instinktiv, dass sie recht hatte: „Du und ich, wir schaffen das.“

Vor uns liegen noch einige aufreibende Tage und Nächte. Ich bin nicht mehr ganz so verzweifelt, weil ich mir nicht mehr so viel Druck mache.

Und eines Nachts passiert es: Ich ziehe dich im Halbschlaf an mich heran, du dockst an und beginnst sofort zu trinken. Plötzlich bin ich hellwach – wie mühelos sich diese Situation anfühlt! Heute nacht wussten unsere beiden Körper irgendwie, was zu tun ist. So könnte es immer sein!

Nein, so ist es auch danach nicht immer. Aber – immer häufiger. Der Knoten ist geplatzt und wir schaffen es beide, das Stillen zu genießen. Blöde Ausreißer bringen uns nicht mehr aus dem Konzept.

Ich fühle mich leicht und unbeschwert. Und ich bin stolz auf uns beide. Wie oft habe ich überlegt, aufzugeben! Aber wir sind dran geblieben.

Ja, wir hatten Hilfe von anderen. Und diese war Gold wert. Aber dass es so schön ist, wie es jetzt ist – das haben wir beide zusammen ganz alleine geschafft, Baby. Nur du und ich.“

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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