„Soll ich dem Vater meiner Kinder noch eine Chance geben?”

„Es ist nun zwei Jahre her, dass er ausgezogen ist. Vor zwei Jahren habe ich meinen Ehering abgelegt, die Bilder von den Wänden genommen und mir selbst immer wieder gesagt: Das war es jetzt. Nun steht er, mein Ex, der Vater meiner Kinder, wieder vor mir und ich spüre ein Kribbeln im Bauch. Nie hätte ich gedacht, dass das möglich ist.

Aber von Anfang an.

Wir haben uns in der Schule kennengelernt, im Sommer nach dem Abi wurden wir ein Paar. Alles ging ganz schnell, wir studierten an der gleichen Uni und  zogen sofort zusammen, waren total verliebt. Wir beide wollten Kinder und es war klar: Wir heiraten irgendwann und dann gründen wir eine Familie. So kam es dann auch, nach sechs Jahren Beziehung machte er mir einen Antrag und ich musste keine Sekunde überlegen, was ich antworte.

Ein Jahr nach der Hochzeit kam unsere Große zur Welt. In der Schwangerschaft waren wir so verliebt wie nie, dann landeten wir auf dem Boden der Realität. Das erste Jahr mit Baby war für uns als Paar eine extreme Herausforderung. Wir verloren uns als Partner komplett aus den Augen, funktionierten nur noch. Doch unser Wunder wurde größer, wir hatten wieder mehr Zeit für uns und fanden wieder zueinander.

Als unsere Tochter zweieinhalb Jahre alt war, kam plötzlich wieder der Wunsch nach einem zweiten Kind auf.

Es wäre schön, wenn es noch eine Schwester oder ein Brüderchen gäbe. Zwei Kinder waren eigentlich immer unsere Wunschvorstellung. Wir redeten lange darüber, ob wir uns dem wirklich gewachsen fühlten und legten es dann darauf an. Es dauerte nicht lange und ich wurde wieder schwanger.

Doch während der Schwangerschaft ging unsere Beziehung plötzlich wieder den Bach runter. Ich war total gestresst und genervt davon, dass ich mich mit einem Kleinkind kaum ausruhen konnte, er wurde bei der Arbeit befördert, machte viele Überstunden, ich fühlte mich alleingelassen. Wir stritten immer häufiger, weinten beide viel. Irgendwann blieb er abends sogar länger im Büro, um mir aus dem Weg zu gehen und ich machte ihm Vorwürfe, dass er mich und seine Tochter so viel alleine ließ.

Unser zweites Wunder kam zur Welt.

Wir bekamen eine zweite Tochter und für ein paar Wochen schweißte dieser neue Mensch uns wieder fester zusammen. Ich war glücklich, wollte, dass wir endlich die Familie werden, die ich mir immer erträumt hatte. Aber nach zwei Monaten waren die Streitigkeiten wieder so schlimm, dass wir nach fünf Jahren Ehe gemeinsam entschieden, dass er vorläufig ausziehen würde. Es fühlte sich an wie ein Versagen, aber ich hielt die dauernden Auseinandersetzungen nicht mehr aus.

Ich blieb mit den Kindern in unserer Wohnung, er nahm sich eine neue in der Nähe seiner Arbeitsstelle. Als Eltern funktionierten wir weiterhin super – zum Glück. Er kam jedes Wochenende, um etwas mit seinen Kindern zu unternehmen oder Erledigungen für uns zu machen. Manchmal war er auch morgens vor der Arbeit da und brachte unsere ältere Tochter in die Kita.

Unser Verhältnis entspannte sich, aber wir wurden einander auch immer fremder.

Eine Zeitlang hoffte ich noch, dass wir durch die neue Wohnung als Paar zusammenfinden würden, aber das Gegenteil war der Fall. Mein Mann ging ganz in seinem neuen Job auf, er schien fast befreit, dass er sich vor dem Familienwahnsinn in seine neue Bleibe zurückziehen konnte. Ich fühlte mich einsamer als jemals zuvor. Immer hatte ich so große Stücke auf uns als Paar gehalten, plötzlich war davon nichts mehr übrig. Es dauerte noch eine Weile, aber irgendwann zog ich innerlich einen Schlussstrich.

Das ist nun zwei Jahre her. Zwei Jahre, in denen ich zwar wieder auf Dates war und mit Freundinnen ausgegangen bin, in denen mich aber auch nie jemand so umgehauen hat, wie er damals. Ich dachte trotzdem, ich hätte damit abgeschlossen – bis wir uns vor einigen Wochen unerwartet bei der Gartenparty einer gemeinsamen Freundin trafen. Wir redeten den ganzen Abend lang und lachten miteinander. Ich habe ihn angeschaut und gespürt, da ist noch was. Ich glaube, ihm ging es auch so. Nach dem Abend schrieb er mir, dass er mich und die Kinder in seinem Leben vermissen würde.

Als er unsere Töchter das nächste Mal abholte, war ich vorher richtig aufgeregt.

Ich erwischte mich dabei, wie ich mich extra noch mal umzog und mir schnell die Haare bürstete, bevor er kam. An der Tür grinste er verschmitzt: ‚Du siehst gut aus‘, sagte er, als er mit unserer Kleinen auf dem Arm die Treppen runterging. Das ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und plötzlich schaute ich mir auf den gemeinsamen Bildern mit den Kindern, die er mir schickt, auch immer wieder sein Gesicht an. Nach all der Zeit: Du immer noch?

Vor ein paar Tagen kam die Whatsapp-Nachricht: Er hat gesehen, dass eines meiner Lieblingsbücher verfilmt wird. Ob ich mit ihm ins Kino gehen möchte? Nur wir beide, die Kinder sind bei seinen Eltern. Ich musste nicht lange überlegen, mit Herzklopfen habe ich zugesagt. Es ist mir irgendwie richtig unangenehm, das zuzugeben, aber ich fühle mich wieder verliebt – verliebt in meinen Ex.

Was würden Freunde und Familie dazu sagen?

Ist es dumm, sich wieder darauf einzulassen? Wer sagt, dass es dieses Mal funktionieren würde? Ich habe große Angst, einen Fehler zu machen und gleichzeitig wünsche ich mir so sehr, dass wir endlich alle vier eine richtige Familie sind.”


Liebe Mama (Name ist der Redaktion bekannt), vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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3 Comments
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Lieblingsmensch
Lieblingsmensch
2 Monate zuvor

Liebe Mama,
deine Geschichte geht direkt ins Herz, ein bisschen wie im Film! Was ich sagen möchte: hör auf dein Herz: eine Garantie gibt’s einfach nicht❤️
Liebe Grüße

Mara
Mara
4 Monate zuvor

Schöner Artikel. Bin in einer ähnlichen Situation. Würde gern mal wissen ob sie sich dafür entschieden hat, ihm nochmal eine Chance zu geben und wenn ja, wie es funktioniert?

Vollzeitmami
Vollzeitmami
6 Monate zuvor

Liebe Mama,
Mir geht das Herz auf, wenn ich diese Geschichte lese. Was für ein Geschenk!! So Stelle ich mir die eine große Liebe vor 🙂
Ich hoffe für euch beide (und für eure beiden Mädels), dass es noch Mal was wird, auch wenn es sicherlich viele Absprachen und viel Reden braucht, wie es zur Trennung kam und was ihr anders machen müsst, damit es diesmal anders wird.
Alles Gute dafür 🙂