„Papa ist jetzt eine Frau”: Ein Paar über seine ungewöhnliche Reise

Japhia ist mit ihrem Mann zusammen, seitdem sie 16 Jahre alt ist. Die beiden haben zwei gemeinsame Töchter, sind verheiratet. Es soll zwanzig Jahre Beziehung dauern, bis ihnen klar wird, dass Japhia eigentlich eine Frau an ihrer Seite hat. Heute lebt das Paar als Japhia und Svea, denn Papa ist jetzt eine Frau.

Ihre ungewöhnliche Geschichte erzählt das Paar gemeinsam, jede von ihnen auf ihre Weise.

„Es war als ergäbe alles plötzlich einen Sinn.”

Japhia: „Es war ein kalter Abend vor nicht mal einem Jahr, der unser gesamtes Leben veränderte. Der unsere Grundfesten erschütterte und vor allem mich in den folgenden Monaten in ein absolutes Gefühlschaos stürzen sollte.”

Svea: „Ich war zu dieser Zeit krankgeschrieben, kam nervlich nicht mehr klar und war seelisch am Ende. Die Kombination aus Corona, kleinen Kindern, Beruf und meiner allgemein unglücklichen Stimmung waren schließlich zu viel geworden.”

Japhia: „Nach vielen Stunden des Redens hatte ich damals plötzlich einen Geistesblitz und stellte meinem ‚Mann‘ die Frage, die alles veränderte: ‚Bist du eine Frau?‘ Sie schluckte. Mein ‚Mann‘ schluckte. Schwieg. Dachte nach. Doch dann kam ein zaghaftes ‚Ja‘ und plötzlich wurde alles klar.”

Svea: „Es war, als ergäbe plötzlich alles einen Sinn. Als habe sie mit wenigen Worten den Schlüssel zu der Kiste gefunden, die mein ganzes Leben verschlossen in der Ecke stand. Dass darin meine Lebensfreude sein würde, hätte ich nicht kommen sehen. Eine Epiphanie.”

„Nach 20 Jahren Beziehung habe ich meinen Lieblingsmenschen endlich wirklich kennengelernt.”

Japhia: „Diese Frau, die seit ihrer Kindheit absolut strikt versuchte, ihrem männlichen Körper zu entsprechen, war endlich entdeckt und befreit. Und keine von uns beiden hätte vorher je geahnt, dass hinter den so stereotyp männlichen Eigenschaften, die Seele einer Frau gefangen war.”

Svea: „Ich hatte mich von allem, was mir weiblich vorkam, mein ganzes Leben so weit wie möglich distanziert. Es nicht zu nahe an mich herangelassen, aus Angst, es würde schmerzen. Ich habe immer versucht, meiner Roller als Erstgeborener, Ehemann und Vater zu entsprechen und war, glaube ich, sogar gut darin – nur hat es mir nie wirklich Freude bereitet.”

Japhia: „Nach 20 Jahren Beziehung habe ich meinen Lieblingsmenschen nun endlich wirklich kennengelernt. Denn mein ‚Mann‘, war immer schon eine Frau, aber niemand wusste davon.”

Svea: „Nicht mal ich selbst wusste davon. Ich wusste immer, ich wäre lieber ein Mädchen gewesen, aber dass ich vielleicht bereits eins sein könnte, kam mir nie in den Sinn. In meiner Kindheit war mir das Konzept ‚Transidentität‘ nicht geläufig und so hatte ich es als schmerzende Träumerei abgetan.”

„Ich hatte Angst davor, meinen ‚Mann‘ zu verlieren.”

Japhia: „Von da an veränderte sich das Leben vollkommen. Wo vorher Depressionen herrschten, strahlte plötzlich das Licht der Lebensfreude. Mein Lieblingsmensch war plötzlich voller Freude, Entspannung und Leichtigkeit. Gefühle, die ich so nie bei meinem ‚Mann‘ wahrnehmen konnte. Meine Frau hatte sie plötzlich und ich genoss es.”

Svea: „Schon ewig litt ich unter Depressionen, konnte mir kaum ein Lächeln abringen und nichts wirklich genießen. Dies hatte sich mit einem Schlag, von einer Minute auf die andere geändert. Mich selbst endlich gefunden zu haben, war ein unvergleichliches Geschenk.”

Japhia: „Nachdem sich die Gefühlswelt auf einen Schlag geändert hatte und es wirkte, als hätte jemand eine dicke graue Decke von unserem Leben genommen, folgte auch langsam das Äußere. Meine Frau begann schleichend, auch ihren Körper in die für sie richtige Richtung zu bringen. Kleidung, Schminke, Nagellack, Haare. Alles Dinge, die mich Stück für Stück damit konfrontierten, dass ich im Begriff war, etwas zu verlieren. Jemanden zu verlieren, der seitdem ich 16 Jahre alt war, an meiner Seite war: meinen ‚Mann‘!”

„Ich spürte, dass es eine Bereicherung ist.”

Svea: „Zunächst hatte ich wirklich geglaubt, allein das Wissen um mein Selbst würde mir genügen. Ich dachte, ich würde ohnehin keine authentische Frau abgeben können und wollte daher nicht versuchen, etwas darzustellen, was ich nicht verkörpern konnte. Meine Frau war es, die mich ermutigte, mir Dinge zeigte und mich heranführte. Auch wenn sie sich mit ihrer liebevollen Courage wohl oft selbst etwas überfahren hat.”

Japhia: „Diese Zeit der schleichenden Veränderung war eine harte Zeit für mich, die ich noch heute in meinem Tagebuch verarbeite. Es war zuerst schrecklich für mich. Aber ich spürte bald, dass es auch eine Bereicherung ist. Und so half mir das Outing meiner Frau, zu entdecken, dass ich wohl nicht, wie immer gedacht, rein heterosexuell bin und war.”

Svea: „Ich denke, es macht einfach attraktiv, wenn man sich selbst auch gut leiden kann. Wenn man endlich im Reinen mit dem eigenen Ich ist, strahlt man dies auch aus. Ich bin überaus dankbar für meinen Schatz und dass sie mich so annehmen konnte wie ich bin.”

„Den Titel ‚die Papa‘ führe ich mit Stolz.“

Japhia: „Unsere beiden Mädchen haben die Veränderung ihrer Papa überaus positiv aufgenommen. Die Kleine, mit ihren zwei Jahren, hat sich einfach gefreut, dass Papa spürbar glücklicher war. Und die Große, mit ihren sechs Jahren, hat sich nach ein paar Tränen der Angst, ‚Papa könnte sich zu schnell verändern‘, in die stärkste Verfechterin von Papas neuem Namen gemausert: Svea.

Svea: „Unsere Älteste meinte, ich dürfe nun nicht mehr so albern sein, denn Frauen wären eher ernst. Ich denke, ich konnte ihr inzwischen zeigen, dass wir durchaus albern sein können und dürfen. Den Titel ‚die Papa‘ führe ich mit Stolz. Ich bin nicht die Mutter dieser Kinder, denn habe sie weder ausgetragen, noch geboren oder gestillt. Denn ich bin die Papa und kümmere mich um klassische Papa-Dinge: Abenteuer, Dreck, Krach und sonstiger Unsinn sind meine pädagogischen Kernkompetenzen.”

„Ich fühle mich endlich frei.”

Japhia: „Die Reaktionen unseres Umfelds waren überwiegend positiv. Freundeskreis und Familie haben meine Frau Svea, unsere Kinder und mich mit offenen Armen aufgenommen. Auch sie genießen die Leichtigkeit unserer neuen Familienkonstellation sehr.”

Svea: „Meine Mama meinte bei meinem Outing zu mir, sie habe sich ohnehin immer ein Mädchen gewünscht – im Nachhinein vielleicht ein wenig zu doll. Dass sie nach 36 Jahren doch noch eins bekommen würde, hatte wohl niemand kommen sehen. Ich fühle mich endlich frei.”

Japhia: „Nur meine (EHEMALIGE) Frauenärztin hat sich ganz unmöglich verhalten! Sie war die erste Person, der ich vorsichtig von dem Outing meiner Frau erzählte und ihre Antwort war ‚TRANS?! Widerlich!‘ Eine Reaktion, an der ich ordentlich zu knabbern hatte.”

Svea: „Manche Menschen erkennt man erst, wenn es drauf ankommt und solche müssen einen dann ja nicht weiter begleiten.”

„Wenn es zu schnell ging, haben wir auch mal die Bremse gezogen.”

Japhia: „Die Herausforderungen unseres Weges lagen darin, dass mir Sveas Schritte zum Frausein schwer fielen. Jedes Mal wurde ich mit der Nase darauf gestoßen, dass mein erträumtes Familienbild langsam verblasste und ich dies auch so nie wieder haben würde.”

Svea: „Ich habe großen Respekt vor der Leistung meiner Frau. Wir haben gleich am Anfang beschlossen, diese Reise gemeinsam anzutreten und keine Alleingänge zu wagen. Ich habe das Tempo in ihre sanften Hände gelegt und wichtige Entscheidungen wurden stets zu zweit gefällt. Wenn es zu schnell ging, wurde die Bremse gezogen oder auch mal ein Schritt zurück gemacht. Das war auch für mich alles andere als leicht – ich bin ungeduldig und ich wollte vorankommen. Schlussendlich wollte ich aber auf keinen Fall irgendwo ankommen, wo ich dann alleine stehen muss. Also, lieber gemächlich und dafür gemeinsam.”

Japhia: „Gott sei Dank erkannte ich schließlich, dass an diese Stelle etwas so viel Besseres für uns trat: Eine absolut glückliche Familie, bestehend aus zwei Frauen und zwei kleinen Mädchen.”

Svea: „Endlich leben, endlich glücklich. Für mich war diese Selbstfindung die Möglichkeit, am Ende meines Lebens sagen zu dürfen: ‚Dies war ein gutes Leben.‘ Gemeinsam zehren wir nun von diesem Glück!”

Japhia: „Wohin uns unsere Reise bringen wird, weiß niemand, aber gemeinsam sind wir stark!”

Svea: „Hauptsache Hand in Hand.


Liebe Japhia, liebe Svea, vielen Dank für eure Geschichte. Wir wünschen euch und eurer Familie alles Liebe für die Zukunft! Wenn du nun mehr über die beiden, ihre Geschichte und ihren Alltag erfahren möchtest, dann schau doch mal bei ihrem Instagram Account @papa.ist.jetzt.eine.frau vorbei!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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