Sveas Mann hat ADHS. Lange hat sie das gar nicht gestört – aber seit sie ein gemeinsames Kind haben, muss die 31jährige oftmals die Zähne zusammenbeißen.
„Ich bin Mama einer dreijährigen Tochter – und Ehefrau von Piotr, ihrem Papa. Piotr hat ADHS.
Das erzählte er mir bereits bei unserem ersten Date. Ich nickte scheinbar wissend, aber eigentlich wusste ich gar nichts so recht mit dieser Info anzufangen. Ehrlich gesagt googelte ich diese Diagnose, als ich abends wieder zu Hause war. Sie kam mir nicht besonders wild vor – und ganz ehrlich, es war mir auch egal. Ich war schon bis über beide Ohren verknallt.
Als wir noch nicht zusammenwohnten, fand ich es sogar ganz charmant. Er war so begeisterungsfähig, er konnte stundenlang über Dinge reden und Ideen schmieden. Er war spontan und verrückt, ich fand das manchmal etwas überfordernd, aber auch erfrischend, weil ich eher strukturiert und ruhig bin. Es wurde einfach nie langweilig.
Als wir dann irgendwann zusammenzogen, merkte ich schnell, dass langweilig manchmal aber auch seine Vorteile hätte…
Der ganz normale Alltag mit Piotr ist anstrengend. Ich sage das nicht, um ihn schlechtzumachen. Ich liebe ihn über alles, wirklich. Aber sein ADHS bringt eben auch eine Menge Herausforderungen an mein Nervenkostüm mit sich.
Zum Beispiel die Sache mit der Struktur. Ich bin jemand, der Pläne macht. To-do-Listen. Einkaufszettel. Piotr tut das nicht. Wenn ich ihn bitte, die Wäsche zu machen, finde ich ihn später lesend auf dem Sofa – die Waschmaschine unangetastet, dafür weiß er jetzt alles über Plankton. ,Ich bin nur kurz abgelenkt worden‘, sagt er dann entschuldigend. Ich denke: Wieder mal.
Es ist nicht böse gemeint, ich weiß das. Er will ja helfen. Er versucht es wirklich. Aber seine Gedanken hüpfen schneller als sein Körper folgen kann.
Manchmal startet er fünf Dinge gleichzeitig und beendet keines davon. Unser Haus ist voll von halbfertigen Projekten – angefangen bei dem Regal, das er bauen wollte, bis hin zu dem Kinderzimmer, das seit Monaten gestrichen werden müsste.
Eine weitere Hürde: Piotr sagt Dinge, bevor er darüber nachdenkt. Vor allem in Streits. Sätze, die wehtun. Und dann Minuten später: Reue. Entschuldigung. Tränen. Ich habe lernen müssen, dass es oft nicht er ist, der da spricht – sondern seine Unruhe, sein Frust, seine überreizten Nerven. Aber es tut trotzdem weh.
All das ist natürlich für mich noch viel fordernder geworden, seitdem wir Eltern sind. Ich hasse diesen Spruch eigentlich, aber es scheint ehrlich, als ob ich zwei Kinder hüten müsste.
Dabei ist Piotr der coolste, lustigeste, liebevollste und kreativste Papa. Er spielt wild mit unserer Kleinen, denkt sich die verrücktesten Geschichten aus, kann stundenlang Lego bauen. Es passiert im Kontakt mit unserer Tochter seltener als bei mir, aber an schlechten Tagen verliert er dann aus heiterem Himmel die Geduld. Wird laut. Und dann wieder liebevoll, so als wäre gar nichts gewesen. Meine Tochter ist dann natürlich total verwirrt. Ich muss oft vermitteln. Grenzen setzen. Stabilität geben.
Mit der Zeit habe ich gelernt, wie es für uns beide funktioniert. Wie er sich nicht als ,nutzloser` Partner vorkommt, das hat er nämlich lange Zeit oft gesagt, wenn er down war. Und wie ich nicht im Mental Load ertrinke. Ich maßregle ihn nicht, aber ich stupse ihn sanft an: Erinnerungen aufs Handy schicken, Listen schreiben, kleine Routinen einführen. Oft hilft das prima, aber natürlich nicht immer. Oft freut er sich darüber, aber natürlich nicht immer…
Ich schwanke täglich zwischen Liebe und Erschöpfung. Zwischen Hoffnung und Frust.
Es gibt Tage, an denen ich das ADHS verfluche. An denen ich müde bin und auch müde des Gefühls, dass alles an mir hängt. Doch dann gibt es wieder einen dieser Momente, in denen ich ihn ansehe – wie er unsere Kleine zum Lachen bringt, wie er mir einen Tee macht, weil ich Kopfschmerzen habe, oder wie er plötzlich mitten in der Nacht aufwacht und mir einen Liebesbrief schreibt. Und dann weiß ich: Er kämpft. Jeden Tag. Es ist für ihn noch viel schwerer als für mich.“
Liebe Svea, vielen Dank, dass du deine emotionale Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Gute für die Zukunft!
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