„Mein Kind, mein bester Freund“ – Warum das emotionaler Missbrauch ist

Mamas sind auch nur Menschen und das heißt, dass sie mal schlechte Laune haben oder in den Arm genommen werden möchten. Das kennt doch jeder, oder? Eigentlich ist das auch gar nicht schlimm. Problematisch wird es nur, wenn Eltern von ihren Kindern erwarten, sie aufzufangen und sie als emotionale Stütze sehen.

Kinder fühlen sich verantwortlich

Schon als kleiner Junge bekam Brent Sweitzer die Beziehungsprobleme seiner Eltern mit, wie er Fatherly.com erzählt. Er erinnert sich daran, dass seine Mama oft mit ihm über ihre Traurigkeit und Verzweiflung sprach. Sich bitterlich über den Vater beschwerte. Sie suchte Trost und Verständnis bei ihrem Sohn und verwischte damit die Konturen ihrer Mutter-Kind-Beziehung. Denn plötzlich war es der kleine Brent, der sich für seine Mama verantwortlich fühlte.

Heute erkennt er, dass es für ihn verstörend war, wenn seine Mutter ihren emotionalen Ballast bei ihm ablud: „Wenn sie ihren Kummer mit mir teilte, fühlte ich mich so, als ob ich in ein Loch fallen würde.” Als Erwachsener bemerkte er dann, dass er enge Beziehungen vermied – besonders Liebesbeziehungen – und große Angst davor hatte, seine wahren Gefühle und Gedanken zu zeigen.

Eltern beuten ihre Kinder unbewusst emotional aus

Erst in einer therapeutischen Beratung versteht er, dass seine aktuellen Probleme auf seine Kindheit zurückzuführen sind. Er lernt zum ersten Mal, dass Kinder nicht dafür da sind, ihre Eltern aufzufangen. Dass ihre Gehirne gar nicht weit genug entwickelt sind, um so eine große Herausforderung meistern zu können. Er arbeitet danach viel daran, seine Wunden heilen zu lassen und sucht auch das Gespräch mit seiner Mutter, die sich bei ihm entschuldigt. Inzwischen ist Brenton selbst zweifacher Vater und Therapeut in Georgia.

Kinder lassen sich leider sehr leicht emotional ausbeuten: „Wenn du deinen Kindern beibringst, dass sie immer für dich da sein müssen, wenn du einen Zusammenbruch hast, dann werden sie es auch sein – sogar dann, wenn jeder Erwachsene sich von dir abwenden würde”, erklärt Aaron Anderson, Leiter einer therapeutischen Klinik für Beziehung und Familie in Denver.

Schwerwiegendes Ungleichgewicht in der Eltern-Kind-Beziehung

Natürlich möchten die meisten Eltern nicht bewusst ihren Kindern ihre emotionale Last aufs Auge drücken, aber vielleicht hat sich die eine oder andere Mama selbst schon mal bei dem Gedanken erwischt: „Es ist so viel einfacher, mit meinem Kind zu reden. Es liebt mich und umarmt mich, wenn ich mich schlecht fühle.” Solche Gedanken können dann das schwerwiegende Ungleichgewicht zwischen Eltern und Kind nach sich ziehen.

Denn auch, wenn es erstmal harmlos klingt: Emotionale Unterstützung vom eigenen Kind zu erwarten, kann seine Entwicklung stark beeinträchtigen. Eltern machen damit nichts anderes, als ihre Kinder dafür zu benutzen, die eigenen emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen. Die Kinder werden dann zum besten Freund und Therapeuten, und die Erwachsenen nehmen wieder eine kindliche Rolle ein.

Angststörungen, Depressionen und Beziehungsprobleme

Was Brent als kleiner Junge erlebt hat, ist schwieriger zu diagnostizieren als offensichtlicher Missbrauch. Deswegen erkennen viele nicht, was ihnen in der Kindheit angetan wurde. Als Erwachsene suchen sie dann oft Hilfe wegen Angststörungen, Depressionen oder schwerwiegenden Beziehungsproblemen. Die von Brent geschilderten Erlebnisse sind leider typische Verhaltensweisen von Mamas, die emotional instabil sind.

Doch auch Väter können ihre Kinder als emotionale Stütze missbrauchen, wenn sie selbst ungelöste, innere Konflikte in sich tragen. Ein typisches Anzeichen sei zum Beispiel, wenn der Papa seiner Partnerin sämtliche Aufmerksamkeit entzieht.  Stattdessen wendet er sich nur noch seiner jüngsten Tochter zu. Solche Väter neigen dazu, ihr Kind wie eine kleine Prinzessin zu behandeln und überhaupt keine Grenzen festzulegen.

Die betroffenen Kinder verzweifeln dann später oft auf der Suche nach einem Mann, der sich vergleichbar (ungesund) aufopfert wie der Vater damals. Außerdem fehlt ihnen die Erfahrung, ihre Eltern als gesunde Einheit zu erleben.

„Ich brauche jetzt eine Umarmung von dir!”

Wissenschaftler kennen auch den verantwortungslosen Vater, der sich seinen Kindern gegenüber verhält, als sei er selbst noch ein Kind. Auch bei einer solchen Konstellation verdrehen sich die Rollen und die Kinder fühlen sich gezwungen, Verantwortung zu übernehmen. Manche Väter würden außerdem dazu neigen, den Kindern den eigenen Sport aufzudrängen. Bedenklich ist das, wenn der Nachwuchs eigentlich gar keine Lust darauf hat, aber das Gefühl bekommt, dass er Papa nicht enttäuschen darf.

Grundsätzlich fängt emotionaler Missbrauch schon damit an, wenn Eltern von der Arbeit kommen und zu ihren Kindern sagen: „Ich hatte einen stressigen Tag und brauche eine Umarmung von dir.” Entscheidend dabei ist, dass die Kinder das Gefühl haben, keine Wahl zu haben. Über längere Zeit können solche an die Kinder herangetragenen Bedürfnisse bei ihnen Ängste und Druckgefühle auslösen.

Kinder sind nicht die „besten Freunde”

Denn was viele Eltern vergessen, wenn sie davon schwärmen, dass ihr kleines Kind, ihr bester Freund ist: Kinder sind von ihren Eltern abhängig und schutzbedürftig. Kinder brauchen das Gefühl, dass sie sich bedenkenlos an ihre Eltern anlehnen können. In einer Freundschaft jedoch erwarten wir von unseren Freunden, dass wir sie auch mit unseren emotionalen Ballast beschweren können. Doch dieses Verhalten eines Elternteils ist für Kinder eine untragbare Belastung.

Deswegen warnen Experten Eltern davor, den Kindern Verantwortung für das eigene emotionale Wohlbefinden zu übertragen – egal in welcher Form. Denn das Ergebnis einer solchen Kindheit sind oft emotional unreife Erwachsene, die die gleichen Verhaltensweisen später auch an ihre eigenen Kinder weitergeben.

Es ist OK, vor den Kindern Gefühle zu zeigen

„Natürlich darf in einer Eltern-Kind-Beziehung viel Nähe sein. Trotzdem müssen sich die Eltern immer ihrer Verantwortung bewusst sein”, erklärt Elternexpertin Vanessa Lapointe. Denn nur dann seien Kinder frei, um glücklich zu sein, und nicht von den Bedürfnissen der Eltern abhängig.

Es sei normal, dass man als Elternteil zu einem gewissen Grad die eigenen psychischen Konflikte einbringe, erklärt Lapointe. Die Folgen davon müssen nicht immer gravierend sein, das ist auch abhängig vom Charakter des Kindes. Wichtig sei aber, dass Eltern an irgendeinem Punkt ihren Fehler bemerken und versuchen, die Beziehung zu ihrem Kind zu reparieren.

Es ist zum Beispiel vollkommen normal, dass Kinder Mama oder Papa mal weinen sehen. Sie dürfen aber nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie dafür verantwortlich sind, ihren Eltern den Kummer zu nehmen. Da Kinder sehr empathische Wesen sind, ist es wichtig, dass die Erwachsenen in einer solchen Situation vermitteln: „Ich muss mich gerade mal ausheulen, aber es ist nicht deine Aufgabe, mich zu trösten, das schaffe ich ohne deine Hilfe.”

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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