„Mami, legst du dich noch kurz zu mir?“

Meine Tochter fragt mich jeden Abend, ob ich mich noch kurz zu ihr ins Bett kuscheln kann.

Ich mache das immer und auch gerne… aber fast nie, ohne zu sagen: „Nur für füüüüünf Minütchen, mein Schatz. Dann muss ich wirklich noch die Küche aufräumen!“ oder „Nur kurz, ich muss heute abend noch schnell duschen!“ oder „Na gut, aber dann muss ich nochmal an den Rechner, etwas arbeiten.“

Und so weiter und so fort. Aber ganz egal, welchen Grund ich auch angebe: Eigentlich sage ich ihr damit doch, dass alles andere wichtiger ist als sie.

Das wird mir dann jedes Mal schmerzlich bewusst und so werden aus fünf Minuten natürlich zwanzig. Oder auch vierzig. Ich werde innerlich mit der Zeit etwas unruhig, weil es ja wirklich noch all diese Dinge gibt, die ich tun muss, bevor ich ins Bett gehe…

Und dann: Beginnt sie zu erzählen. All die Dinge, nach denen ich sie den Nachmittag gefragt hatte, aber keine Antworten bekommen habe. All die Dinge, die sie beschäftigen. Die ihr nahe gehen.

„Mara hat heute gesagt, dass ich nicht mitspielen darf.“

„Wieso ist Oma so lange im Krankenhaus?“

„Wir haben jetzt eine neue Puppe in der Kita.“

„Amon hat mich geschubst. Aber Lara ist meine allerbeste Freundin für immer!“

„Wo ist denn Birgits Hund, der tot ist, jetzt?“

Es ist, als ob die Behaglichkeit ihres Bettes, das gedimmte Licht und die Ruhe nach dem alltäglichen Sturm dafür sorgen, dass die wirklich wichtigen Dinge ihres Lebens aus ihr heraussprudeln. Die Dinge, die ihr einfallen, wenn sie endlich mal nichts tun muss oder soll, wenn wir beide mental alles andere beiseite legen. Die Gedanken, die sie mir nicht erzählen will, wenn ich ihr tagsüber hektisch nur mit einem Ohr zuhöre.

Nur sie und ich, endlich mal mit ganz viel Zeit. Foto: Bigstock

Dies sind magische Momente, die nur uns gehören.

Und genau deswegen lege ich mich jeden Abend zu ihr. Denn auch, wenn sich mein „Mama-Feierabend“ dadurch beachtlich nach hinten verschiebt, auch, wenn mir irgendwann alles wehtut, weil ich nur halb auf dem Bettchen liege:  Jede Geschichte, die sie mir in unseren kleinen Höhle anvertraut, sagt mir auch:

„Heute, genau jetzt, in diesem Moment, bist du der wichtigste Mensch für mich.“ Und ich werde den Teufel tun, mir dieses wunderschöne Privileg zu verscherzen.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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Ines
Ines
1 Jahr zuvor

Genauso und nicht anders handhaben wir es auch mit unser Tochter. Für die und für mich sind die Gespräche so wichtig.
Mütter die sagen, dass ihre Kinder alleine ins Bett gehen, bedauere ich insgeheim, denn sie wissen nicht, was sie verpassen.

Carola Hexel
Carola Hexel
3 Jahre zuvor

Hallo?,

unsere Tochter ist inzwischen 18…unser Verhältnis ist sehr gut und das hängt natürlich auch damit zusammen, dass ich z.B. im jüngeren Alter auch gewartet habe, bis sie eingeschlafen war…klar hatte ich damals auch noch andere Dinge zu tun, aber alles wehren hilft nix…und heute bin ich froh, dass ich das damals so gemacht habe…man erzeugt damit Urvertrauen und das ist wichtig als Basis fürs Leben. Ich habe schon immer so gehandelt, wie ich es als Mensch auch gerne gehabt hätte und da ist doch diese traute Zweisamkeit auch einfach wichtig. Selbst ein Tier kommt zum Schmusen und fühlt sich wohl, wenn man es ernst nimmt.

Susanne Schmidt
Susanne Schmidt
3 Jahre zuvor

Ich halte das auch für sehr wichtig, man sollte aber auch den Rest der Familie nicht vergessen.Wenn die Kinder erst um 22:00 Uhr ins Bett gebracht werden, dann kann es passieren dass die Beziehung darunter leidet. Hier ist es wichtig darauf zu achten dass Partner und Partnerin nicht aneinander vorbei leben. Sanne

Cornelia
Cornelia
4 Jahre zuvor

Das ist so wahr. Für unsere Große (9 Jahre) ist immer noch wichtig, dass ich noch, wenn der Kleine dann schläft, noch bei ihr reinschaue und ihr gute Nacht sage. Und genau dann, erzählt sie mir noch mal oder eben neue Erlebnisse, die sie beschäftigen. Ich bin jedes Mal wieder erstaunt, was da so in ihrer Seele schlummert, obwohl sie schon mittags nach der Schule unheimlich viel zu erzählen hat. Ich möchte die Momente nicht missen, obwohl ich dann vor Müdigkeit manchmal kaum wieder anfangen kann meine Aufgaben zu erledigen.

Birgit
Birgit
5 Jahre zuvor

Vueken Dank für den tollen Artikel. Ich kann das nur bestätigen! Mein Sohn ist inzwischen 13 und wir pflegen dieses Ritual sogar jetzt noch! Die Gespräche, die wir abends da im Bett ganz entspannt führen sind unendlich wertvoll! Dabei öffnen wir uns beide und können Dinge sagen, die wir tagsüber sicherlich nicht in der Form sagen würden. Dabei wird sich entschuldigt, gelobt, erklärt, aufgeklärt und es werden wunderschöne Pläne geschmiedet! Dieses Vertrauen beiderseits ist einfach wichtiger als alles Andere! Wir machen das noch so lange er das möchte – sicherlich wird das irgendwann in der Pupertät nicht mehr der Fall sein und dann hoffe ich, dass wir diese Gespräche dann zumindest hin und wieder gemütlich auf dem Sofa führen können!

Susann
Susann
5 Jahre zuvor

Diesen Fehler habe ich auch zuerst gemacht. Ich bin jetzt viel entspannter und lege mich immer zu ihr bis sie eingeschlafen ist. (Naja, manchmal halte ich auch ein kurzes Nickerchen.)

gmi
gmi
5 Jahre zuvor

Das ist sehr schön versagt und wahr. Mittlerweile sind meine Kinder 8 und 11 und sie wollen immer noch , dass ich vorlese und mit ihnen kuschel. Der Feierabend geht bei mir nie vor 9 Uhr los. Aber das ist es mir wert.

Katharina
Katharina
5 Jahre zuvor

Das ist ein guter Grund, und es ist so wahr. Erst bei dieser Ruhe erzählen die Kinder ihre Gedanken.

Wir lassen ja auch abends im Bett den Tag Revue passieren, da ist es auch verständlich, wenn es den Kindern auch so geht.