Kind und Studium: Mein „Doppel-Leben“ bringt mich an meine Grenzen

Wir alle wissen es: Ein Kind kostet viel Zeit und Kraft. Trotzdem schaffen es viele Mamas, zusätzlich viele Stunden für einen Job oder ein Studium aufzuwenden. Jede dieser starken Frauen hat unseren vollen Respekt.

Aber wie sieht es eigentlich in Herz und Kopf dieser Frauen aus? Sind sie erfüllt von ihrem Leben, überfordert – oder manchmal beides? Mirijam (25), Mama einer Tochter und Studentin, hat uns einen Blick in ihr Seelenleben gewährt:

„Ich bin eine Mama. Eine verdammt stolze Mama. Und ich bin eine Studentin. Zahnmedizin. Eine verdammt ehrgeizige Studentin.

Ich habe vorher wirklich gedacht, dass alles möglich ist. Nun ja. Es ist möglich. Aber nicht so, wie ich dachte. Ich bin nicht die Beste. Das werde ich nie sein. Mein Studium werde ich wahrscheinlich nur durchschnittlich abschließen und meine Doktorarbeit wird ein Thema sein, das in der Branche keinen großen Erfolg hat.

Ich bin keine gewöhnliche Studentin. Mein Leben spielt sich ab zwischen Schlafen, Aufstehen, Uni, Kind betreuen, lieben, spielen – und wenn es gut läuft, dann noch lernen. Für anderes gibt es keine Zeit. Für Partys schon gar nicht. Das gewohnte Socializing, wie es andere in meinem Studium betreiben, ist für mich ein Luxus, den ich nur selten bekomme. Denn ich bin Mama.

Ja, ich bin eine medizinstudierende Mama und das macht mich irgendwie stolz. Ich muss aber auch ehrlich sein: Diese Tatsache kostete mich meine Ehe und viele Tränen. Außerdem bin ich durch die ersten Prüfungen gefallen. Ich muss sie wiederholen, hänge schon im 2. Semester fast ein Semester hinterher. Ich lerne nachts. Ich bin todmüde. Und frustriert. Himmel, bin ich frustriert. Ich wollte doch so gut sein. Aber ich scheitere an meinen Ansprüchen an mein Studium, weil ich auch eine Mama bin.

Manchmal denke ich, ich hätte mein Leben anders planen können. Oder naja, überhaupt ein bisschen planen. Wie meine beste Freundin zum Beispiel: Sie ist jetzt schwanger. Und ,fertige´ Zahnärztin, die gerade ihre Doktorarbeit abgegeben hat. Traumjob, Traumwohnung, Traummann. Und sie werden ein Traumbaby bekommen… Ja, SIE hat geplant.

Und ich habe mich einfach verliebt. Schnell. Sorglos. Verlobt, Schwanger, Kind, Hochzeit –alles innerhalb von eineinhalb Jahren. Das bezaubernde Wesen war nicht geplant. Aber sie ist gewollt! Von ganzem Herzen. Auch wenn ich jetzt scheitere an der Mittelmäßigkeit, an der Zeit, an meinem Frust, an allem, was eben dazwischen kommen kann.

Ich bin stolz auf sie, aber ich bin eben auch nachdenklich. Und ich möchte, dass das erlaubt ist. Ich möchte, dass es sein darf, dass ich mich frage: ,Was wäre wenn?´ Dass es okay ist, sich auch mal eine andere Zeit zu wünschen. In der mein Ex-Mann und ich unser Leben mehr gemeinsam hätten leben können. Oder in der ich einfach 10,5 Semester studiert hätte – ohne Kind.

Dieses Studium mache ich, um MICH zu verwirklichen. Weil ICH es mir wert bin. Weil ich das machen will und immer wollte. Ich müsste nicht. Ich habe eine Ausbildung. Habe Berufserfahrung. Aber ich möchte und wollte immer etwas Anderes erreichen. Meinen Lebensplan realisieren – auch oder gerade mit Kind.

Übrigens: Ich könnte das nicht, gäbe es nicht diesen Menschen, der mir das ermöglicht. Meine große Liebe, der Vater meiner Tochter. Ihm war es ebenso wichtig wie mir. Mindestens. Er hat alles gestemmt – finanziell, emotional und zeitlich. Und auch wenn wir es aus vielen unterschiedlichen Gründen nicht geschafft haben zu bewahren, was es zu bewahren galt, so weiß ich, dass ich ihm das alles am meisten verdanke.

Ich habe so oft gedacht, ich könnte das alles doch auch lassen. Und könnte es so viel einfacher haben.

Ja, das könnte ich. Aber dann vernachlässige ich mich. Meinen Lebensplan. Mit 25! Ich denke, dass sollte ich nicht tun. Das sollte keine Mutter tun, die das Gefühl hat, sie wolle noch etwas erreichen. Und dann kam das Kind und alle Träume waren egal…

Das ist ein falscher Ansatz, denn: Unsere Kinder gehören uns nicht. Sie sollten nicht das Sonnensystem sein, um das wir uns kreisen. Denn sie werden irgendwann fliegen lernen. Und was sind wir dann ohne unser Sonnensystem?

Liebe Mamas: Seid selbst die Sonne. Strahlt. Seid stolz und lebt das Leben so selbstbewusst, wie ihr es euch später für eure Kinder wünscht. Es kostet Kraft. So viele Tränen. Wut… Aber eines wird es ganz sicher nicht kosten: die Liebe zu euren Kindern.

Ich bin eine Mama. Ich studiere Zahnmedizin und bin völlig ohne Kraft.

Aber ich liebe meine Tochter. Ich bin stolz auf sie, auf ihren Papa und – auf mich. Seid auch stolz. Lebt weiter! Es ist völlig okay, mal keine Kraft zu haben. Es ist völlig okay, frustriert zu sein. Aber es ist nicht okay, alles aufzugeben und so zu tun, als wäre das Kind das Wichtigste im Leben. Kinder begleiten uns. Und wir sie. Seid gute Wegbegleiter.“

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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