Wer sich für gewaltfreie Kommunikation interessiert, der kommt an Kathy Weber und ihrer Elternberatung „Herzenssache“ kaum vorbei. Mit ganz viel Energie, Liebe und Humor teilt Kathy auf zahlreichen Kanälen wertvolle Impulse, wie Konflikte zwischen Kleinkind (und auch größerem Kind!) und Eltern friedvoll zu lösen sind.
In unserem Podcast „Ehrlich gesagt“ hat die Entwicklerin des Erziehungs- und Beratungskonzeptes „Lila Liebe“ über ihre Vision gesprochen und dabei auch eine Menge guter Tipps verraten. Hier kannst du direkt reinhören:
Und hier liest du, wie Kathy die Gewaltfreie Kommunikation im Alltag anwendet – und welche elterlichen Verhaltensweisen vielleicht nicht ganz so förderlich sind:
„Gewaltfreie Kommunikation ist ein lebenslanger Prozess, sogar eher eine Lebenseinstellung. Denn Gewaltfreie Kommunikation ist alles. Jedes Wort, jeder Blick, jedes Atmen, jede Handlung, alles ist gewaltfreie Kommunikation. Denn mit allem, was wir denken, fühlen, was wir machen, versuchen wir immer wieder, jede Sekunde, jede Millisekunde, uns eigene Bedürfnisse zu erfüllen.
Im Erziehungsbereich gibt es oftmals den Vorwurf, dass Gewaltfreie Kommunikation zu sehr Kuschelkurs ist, der die Kinder ,verweichlicht.` Also für mich hat das gar nichts mit Kuschelkurs zu tun, sondern es ist genau das Gegenteil. Es geht sehr wohl darum, wie wir Grenzen setzen können – aber in einer liebevollen Führung statt im Kampf. Und das kann man lernen.
Nehmen wir das bekannte Beispiel ,Lob und Belohnung‘.
Hier ist es eine Frage der Haltung und auch der Wortwahl. Ein Beispiel, wenn ich sage: ,Boah toll, du hast heute drei Tore geschossen!‘, dann ist das ein Lob. ,Wenn du heute ein Tor schießt, dann gehen wir nachher noch ein Eis essen.‘ ist dagegen eine Belohnung. Und beides bringt mir bei: ,Wenn ich ein Tor schieße, dann findet mich meine Mutter toll!‘
Aber unbewusst bleiben Fragen offen: ,Was genau gefällt meiner Mutter daran? Wo ist die Verbindung? Was braucht sie? Was brauche ich? Keine Ahnung, wir sprechen nicht drüber!‘ Bei einer Belohnung in Aussicht, hier dem Eis, wäre es schon cool, ein Tor zu schießen. Damit ich meinen Zuckerkonsum erfüllen kann! Also ich mache dann für das Eis und nicht für mich oder ich mach’s dann für meine Mutter. Wenn das ständig passiert, kann es schon etwas mit dem Kind machen.
Wenn ich aber sage: ,Du hast heute drei Tore geschossen, ich bin so stolz auf dich, wie du auf dem Platz für dich eingestanden hast und Teil des Teams warst!‘ Oder: ,Du hast heute drei Tore geschossen, du bist wahrscheinlich total stolz drauf, oder? Wie du das gemacht hast. Dass du das umgesetzt hast, was ihr gelernt habt, dass ihr eine Gemeinschaft seid im Team!‘ Also ich benenne ein Gefühl – und auch Bedürfnisse des Kindes: Wachstum und Gemeinschaft.
Ich kann auch sagen: ,Ich bin so stolz, du hast drei Tore geschossen. Ich bin einfach stolz, deine Mama sein zu dürfen.‘ Und das ist der große Unterschied zwischen Lob, Belohnung und Wertschätzung. Es ist eben nicht nur Wertschätzung. Es ist eine ganz andere Form der Kommunikation.
Und wir dürfen tatsächlich die Wörter, die wir benutzen, jeden Tag neu hinterfragen!
Weil Wörter, genauso wie ein Blick, ein Atmen, eine Handlung, etwas auslösen können bei anderen Menschen. Und ich möchte, dass meine Kinder lernen, dass sie gut so sind, wie sie sind, dass es auch in Ordnung ist, kein Tor zu schießen. Dass unabhängig davon, wie viele Tore sie schießen, dass sie gut so sind, sie sind, dass sie liebenswert sind. Und sie sollen Bock haben, es für sich zu machen, weil sie so immer mehr wachsen.

Kathy Weber Foto:privat
Da sind wir ja auch ganz schnell beim Thema ,Manipulation`.
,Wenn du jetzt nicht mit der Oma spielst, ist die Oma ganz traurig! Du, wenn du deiner Freundin jetzt nicht Tschüss sagt, dann glaube ich nicht, dass sie morgen noch mal mit dir spielen will!‘ Das ist Manipulation, es heißt, ich suggeriere dem Kind, dass es verantwortlich ist für die Gefühle anderer. Was für eine Last, was für eine Überforderung! Niemand ist verantwortlich für die Gefühle anderer Menschen. Das ist jeder Mensch allein selbst.
Gleichzeitig darf ich aber auch lernen im Laufe meiner Entwicklung, dass ich natürlich durch mein Verhalten, das, was ich sage, was ich mache, wie ich gucke, wie ich atme, bei anderen Menschen Gefühle auslöse. Nur ich kann vorher nie wissen, was ich auslöse. Denn diese Verantwortung bleibt bei dem Gegenüber. Zum Beispiel könnte die Oma ja auch lernen zu formulieren, was ihr wichtig ist. Und dann könnte das Kind sagen, was ihm wichtig ist. Dann könnten sie gemeinsam eine Lösung finden.
Ganz wichtig auch: Grenzen setzen.
Es ist wichtig, Kindern zu zeigen, dass man eigene Bedürfnisse hat. Grenzen zu setzen ist ein Bedürfnis, das Kinder genauso haben wie Erwachsene. Das heißt, wenn du deinem Kind mitteilst, wo deine Grenzen liegen, diese sogar begründen kannst, dann lernt dein Kind: Mama hat Grenzen. Du hilfst deinem Kind, diese Grenzen zu wahren. Dein Kind ist nämlich nicht dafür verantwortlich, dass dein Bedürfnis nach Grenzen erfüllt wird – das bist wieder nur du. Und dein Kind lernt nach und nach, wie es auch seine eigenen Grenzen kommunizieren und sich darum kümmern kann.
Um ein praktisches Beispiel zu nennen: Als mein Sohn noch sehr klein war, fand er meinen Busen toll und hat gerne nach ihm gegriffen. In jeglicher Situation. Ob ich nun nackt im Bad war oder beim Essen war. Und da hab ich dann mehrfach gesagt: ,Stopp, das ist mein Körper, mein Busen, ich entscheide, wer den anfasst. Brauchst du Mama-Nähe?‘
Ich hab also seine Handlung, das an den Busen greifen, versucht zu übersetzen mit einem Bedürfnis. Und das war relativ easy. Also Berührung, Mama-Nähe, Grapsch an den Busen. Und dann habe ich gesagt, wir brauchen etwas anderes für Mama-Nähe, weil das mein Körper ist und ich möchte gern gefragt werden. Und das hab ich ein paar Mal wiederholt, weil ich nicht erwarten kann, dass er das sofort als Dreijähriger checkt. Ohne mich angegriffen zu fühlen, à la:,Ich hab dir das jetzt schon dreimal gesagt!‘ Ich hab es wiederholt und gesagt: , Du brauchst Mama-Nähe, darf ich dich dafür auf den Arm nehmen?‘ Diese Lösung war für ihn ebenso gut.
Wir müssen das Nein des Kindes aushalten lernen und dafür richtig verstehen:
Wir haben einen Konflikt: Du möchtest, dass das Kind etwas macht und das Kind sagt nein. Da kann sich jetzt jeder was aussuchen, von A bis Z, von A wie Anziehen bis Z wie Zähneputzen. Die Neins der Kinder sind omnipräsent.
Und wir haben diesen Konflikt. Ja, und dann macht es Sinn, zu lernen, bei sich zu gucken: Warum habe ich übrigens überhaupt gerade einen Konflikt mit dem Nein meines Kindes? Was ist gerade mein unerfülltes Bedürfnis dabei? Das hat dann ganz oft in der Eltern-Kind-Beziehung zu 99,9 Prozent mit deinem inneren Kind zu tun. Wie du nämlich in deiner Kindheit behandelt wurdest, wenn du gewagt hast, Nein zu sagen. Wer von uns durfte Nein sagen? Die wenigsten. Wir hatten zu funktionieren. Wer von uns durfte seine Gefühle, alle Gefühle, auch Wut und Trauer und so zeigen? Die wenigsten von uns.
Also ist es wirklich schwer auszuhalten, dass mein Kind jetzt nein sagt. Ich selbst habe nämlich gelernt, dass das erstens nicht erlaubt ist und zweitens, wenn ich nein sage, kriege ich einen Liebesentzug, werde ich bestraft oder ich werde zum Überzeugen vollgepumpt mit Belohnung, die am Ende gar nicht befriedigend ist.
Dein Kind sagt nicht nein, weil es dazu auf die Welt gekommen ist, dich zu tyrannisieren. Dein Kind versucht mit seinem Nein, dir mitzuteilen, wozu es gerade Ja sagt. Also dein Kind sagt Nein zum Zähneputzen, weil es gerade Ja zum Spielen im Spielzimmer sagt, weil es da noch sitzt. Und ich brauche die Eltern hier in ihrer Verantwortung, selber zu erkennen, die Kinder zu erkennen, wo sie gerade sind, dann wirklich in diese elterliche Führung zu kommen, die Verantwortung zu übernehmen. Dieses Kind wird im Bett landen und wird Zähne putzen – aber bitte ohne, dass wir es wegreißen vom Spielen, ohne dass die Zahnbürste in den Mund gestopft wird und ohne, dass das Kind ins Zimmer gepackt wird mit ,Heute keine gute Nachtgeschichte mehr, du hast heute nicht so mitgemacht, ich das wollte. Tschüss, gute Nacht!‘ Das ist Trennung pur.
Und zu guter Letzt, bitte klar notwendige Entscheidungen fürs Kind fällen:
Ich sehe superoft, dass Eltern ihren kleinen Kindern viel zu viele Fragen stellen: Wollen wir jetzt nach Hause gehen? Wollen wir jetzt noch ein Eis essen gehen? Wollen wir jetzt Abendbrot essen? Willst dich jetzt anziehen?
Da lade ich die Eltern ein, wirklich in die Ansagen zu kommen mit einer friedvollen Haltung. Jetzt gehen wir nach Hause, jetzt ziehen wir den Schlafanzug an, jetzt gehen wir noch ein Eis essen, jetzt essen wir Abendbrot. Das heißt, den Kindern Führung zu geben, und sie nicht zu überfordern. Denn ein müdes Kind mit drei Jahren, das gefragt wird: ,Wollen wir jetzt nach Hause gehen?‘ wird definitiv nicht, ja, gerne schreien, wenn es gerade auf dem Spielplatz auf der Rutsche sitzt. Dann folgen lange Diskussonen, die es nicht besser machen.“
Danke, liebe Kathy, für deine tollen Tipps! Noch viele mehr hört ihr in unserem Echte Mamas-Podcast „Ehrlich gesagt“. Ihr findet ihn überall, wo es Podcasts gibt.
Wenn ihr mehr von Kathy wissen wollt, schaut dich mal hier bei ihr vorbei – eine Riesenempfehlung von uns:
➡️ https://www.instagram.com/_kathy.weber_
➡️ www.kw-herzenssache.de