„Mama, Kohlrabi esse ich nur in der Kita!“

Wenig hat mich bisher so zur Verzweiflung getrieben wie die Essens-Allüren meiner Tochter. Milch war genau ihr Dinge, (viel zu) lange hat sie sich hauptsächlich von Fläschchen ernährt. Wie viele Brei-Mahlzeiten sie vollständig mit Genuss verputzt hat, kann ich an zwei Händen abzählen und mein Traum, dass wir irgendwann zu dritt am Tisch sitzen und uns alle begeistert über eine gelungene Spaghetti Bolognese hermachen, bleibt bisher auch nur ein Traum.

Ich weiß nicht wieso, aber Essen war und ist für mich so ein wichtiges Thema. Ich esse gerne, mein Freund isst gerne, zusammen gemütlich essen ist für uns Entspannung, Beziehungspflege, Genuss… Zudem möchte ich meiner Tochter natürlich am liebsten eine „gesunde Mischkost“ wie aus dem Lehrbuch mitgeben. Und, ja, auch Bequemlichkeit spielt natürlich mit hinein: Kann es nicht einfach mal unkompliziert sein!?

Nee, den Gefallen tut mir meine Tochter nicht. Sie isst gerne – zwischen den Mahlzeiten. Sie isst fast alles – in der Kita. („Mama, Kohlrabi mag ich nur in der Kita!“ Was zur Hölle hat denn deren Kohlrabi, das meiner nicht hat – eine Schokohülle!?) Bei uns zu Hause sieht es schwieriger aus: Brot ist bäh, Nudeln mit Sauce sind bäh, ohne Sauce ist sie nach fünf Nudeln „Ganz satt!“.

Ich gebe zu: Ich habe mich oftmals so geärgert. Ich habe nach Tipps gegoogelt. Und ich habe meine Tochter genervt – aber vom Feinsten. Mit Genöle, Gemecker, zuckersüßen Überredungsversuchen… Genützt hat mein ganzes Gerede – nichts. Im Gegenteil, unsere Mahlzeiten wurden stressig, nervig, ungemütlich.

Wenn ich meiner Tochter neben den paar Dingen, die sie gerne mag, noch anderes aufdrängen wollte, hat sie dicht gemacht und behauptet, satt zu sein. Besonders schön war das am Abend, wo ihr dann direkt vorm Schlafen, schon fertig im Bett, einfiel, dass sie doch noch Hunger hat.

Abends bekam sie als Nachtisch eine kleine Süßigkeit. Wenn sie schon während des Essens danach fragte, sagte ich: „Erst, wenn du fertig mit dem richtigen Essen bist!“ Natürlich war sie dann in dieser Sekunde „Ganz satt!“ und ging direkt zum Nachtisch über. Mit kaum etwas im Bauch.

Gerade habe ich gelesen, dass Wissenschaftler davor warnen, Kinder zu sehr zum essen zu drängen. Es nimmt ihnen das Gefühl, dass sie über ihren Körper bestimmen dürfen, es fördert definitiv kein gesundes Verhältnis zum Essen und das Gewicht von kleinen Mäkelmonstern ist im Schnitt genauso normal wie das von fröhlichen Allesessern. Zu viel Druck am Mittagstisch kann sogar die Eltern-Kind-Bindung negativ beeinflussen.

Mir ist es tatsächlich von alleine bewusst geworden, irgendwann habe ich einfach locker gelassen. Vielleicht auch nur aus Frust und weil ich müde war von diesen kleinen Kämpfchen, die zu nichts führten.

Definitiv eine der bisher besten Entscheidungen meines Mama-Lebens!

Denn ist das eigentlich alles wirklich so schlimm? Ich bin mal ein wenig in mich gegangen und habe überlegt, was meine Tochter eigentlich am Tag so isst. Wenn sie ein Mitspracherecht hat, was ihre Ernährung angeht, gibt es Obst und Gemüse, Naturjoghurt, saure Gurken, Eier, Kartoffeln, natürlich Wurst in jeder Form, sie futtert gerne mal ein Laugenbrötchen und liebt Kinder-Knabberkram, den ich möglichst in der Babyabteilung (salzarm und mit Vollkornmehl fürs gute Gewissen) kaufe. Ja, es gibt auch mal ein paar Nudeln (am besten in Tierform) oder angebratene Gnocchis. Gar nicht sooo schlecht, oder? Natürlich habe ich da auch noch Glück gehabt, es gibt ja genug Kinder, die Obst und Gemüse als Ganzes einfach verschmähen. Oder die über Wochen nur Eier essen.

So viel Obst und Gemüse – da wird doch für jedes Kind irgendwas dabei sein, oder? © Unsplash / Alexandr Podvalny

Ich versuche, locker zu bleiben. Und, wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich selbst auch ziemlich „krüsch“, wie man hier in Hamburg so sagt. Soll sagen: Ich esse ganz sicher auch nicht alles. Warum sollte die „Krüschheit“ meiner Tochter exakt mit meiner übereinstimmen? Und siehe da, seitdem ich sie nicht mehr beknie, doch auch noch ein Brot zu essen, läuft es. Sie isst sich abends mit Käsewürfeln, Tomate, Gurke, Obst, einem Würstchen oder hartgekochten Ei satt. Ab und zu beißt sie sogar todesmutig in den Toast oder nimmt zwei kleine Stückchen Quarkbrot. Solange ich es nicht erwähne, natürlich!

Experten raten zwar übrigens dazu, keinen Druck auszuüben, sie empfehlen aber, Kindern auch immer wieder Neues anzubieten. Und wieder. Und wieder. Denn irgendwann werden sie es probieren – und dann oftmals auch irgendwann mögen. Dies kann laut Studie bis zu 20 Versuche lang dauern! Kinder ändern ihr Essverhalten noch diverse Male in ihrem Leben, also kein Grund zum Verzweifeln.

Übrigens, zu den Süßigkeiten: Irgendwann hab ich ihr ihre fünf Gummibärchen einfach gegeben, als sie danach gefragt hat. In meinen Augen nahezu skandalös – mitten beim Abendbrot! Und siehe da: Sie hat sie gegessen und danach ging es weiter mit Paprikastreifen und einem Joghurt. Vielleicht ein guter Tipp: Für Kinder bedeutet Süßes nicht automatisch das Ende einer Mahlzeit – außer vielleicht, sie dürfen so viel davon, dass sie sich daran satt essen.

Ahhh – Zucker!!!! Foto: Bigstock

Soll sagen: Ganz viel fand auch nur im meinem Kopf statt – weil ich eben meine Vorstellungen hatte, wie es zu sein hat. Gegessen wird nur zu den Mahlzeiten, sie muss doch ein Stück Brot essen, um richtig satt zu werden, Süßes ist nur der kleine Abschluss einer Mahlzeit… Und so weiter.

Nun ist es alles anders. Aber sie ist drei Jahre alt. Warum sollte sie genau so essen, wie es sich ihre alte Mama vorstellt? Sie isst sich meistens satt, sonst gibt es eben noch etwas zwischen den Mahlzeiten, sie isst genug gutes Zeug, dass auch eine Kugel Eis oder ein Stück Schoko kein Drama sind, sie ist nicht untergewichtig und zeigt bisher keine Mangelerscheinungen.

Es gibt also irgendwie gar keine Nachteile an meiner neuen Entspanntheit – dafür fröhlichere Mahlzeiten und weniger unnötige Aufregung. Aber eines muss ich dazu sagen – ich schreibe hier so locker-fröhlich-besserwisserisch: Natürlich gibt es Tage, an denen mich das alles immer noch total nervt. Eltern, die ihren begeisterten Kindern alles auftischen können, was sie auch lieben, beneide ich insgeheim immer noch total.

Aber mein Gott – wenn das meine schlimmsten Probleme sind, oder?

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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