Huggy Wuggy: Warum dieser Grusel-Plüsch nichts für Kinder ist

Neulich schlenderte ich mit meiner Tochter durch ein Einkaufszentrum und kam an einem Stand mit sehr vielen hässlichen Plüschtieren vorbei: Überall grelle Farben, dreieckige Köpfe, irre Augen und lachende Fratzen, die den Blick auf spitze Zähne freigeben.

„Was ist das denn?!“ fragte ich und erntete ein Augenrollen meines Teenagers: „Mama!! Kennst du Huggy Wuggy nicht?!“

Es folgte eine umfassende Aufklärung: Als gruselige Hauptfigur des Games „Poppy Playtime“ bevölkert Huggy Wuggy nicht nur PC-Monitore, sondern zieht auch als Plüschfigur in immer mehr Kinderzimmer ein.

Viele Kinder hätten schreckliche Angst davor, so meine Tochter, aber gerade aufgrund des Grusel-Faktors sei das Ganze so beliebt. Grund genug für mich, mal ein wenig genauer hinzusehen: Was ist das für ein Spiel? Ab wie viel Jahren ist das eigentlich freigegeben, welchen Eindruck habe ich als Mama und was halten Kinderschützer davon?

Huggy Wuggys – wie gefährlich sind sie für unsere Kinder?

Zugegeben, grundsätzlich kann ich die Faszination an Horrorgeschichten mit Kinder-Spielzeug irgendwie nachvollziehen. Denn als Kind der Achtziger und Neunziger bin ich mit den Gremlins aufgewachsen, habe mich mit Hingabe bei Steven Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ gegruselt und mich bei „Chucky, die Mörderpuppe“ unter der Bettdecke versteckt. Bis heute zucke ich noch zusammen, wenn ich den Namen „Pennywise“ höre.

Selbstverständlich habe ich das alles heimlich, ohne das Wissen meiner Eltern, konsumiert und mir damit eine nachhaltige Phobie vor Clowns und Puppen zugezogen. Trotzdem habe ich das Gruseln geliebt und mag es heute noch gar gern.

Ein bisschen Grusel gehört wohl zu jeder Kindheit dazu.

Drei Jahrzehnte später nehmen also Huggy Wuggys die Rolle der Grusel-Plüschtiere in unseren Kinderzimmern ein. Meine Tochter scheint mit 14 Jahren schon einen Tick zu alt für diesen Trend zu sein, aber bei den 10-,11- und 12-jährigen sind die Figuren wohl noch immer der Renner. Gleichzeitig mehren sich die Stimmen, die sagen, das dazu gehörende Spiel „Poppy Playtime“ sei überhaupt nicht für Minderjährige geeignet. Das habe ich mir mal genauer angesehen.

Was ist Poppy Playtime überhaupt?

Bei „Poppy Playtime“ handelt es sich um ein sogenanntes Survival-Horror-Game, das 2021 auf den Markt kam und eigentlich für Erwachsene konzipiert wurde. Über sogenannte Let’s-Plays bei Youtube kam es zu größerer Bekanntheit und gelangte schließlich durch cleveres Merchandise und die dazu gehörenden Plüschfiguren in die Kinderzimmer dieser Welt.

Let’s Plays sind eine bestimmte Sorte von Videos bei Youtube, die meine Tochter auch sehr liebt, weil man dem Gamer/der Gamerin beim Spielen über die Schulter schaut – gleichzeitig wird über einen kleinen Bildausschnitt das Gamer-Gesicht eingeblendet, sodass seine/ihre Reaktionen während des Spiels sichtbar werden.

Ein Beispiel für ein solches Let’s Play Video zu Poppy Playtime findet ihr hier beim Youtuber KeysJore.

Wie wird Poppy Playtime gespielt und worum geht’s?

„Poppy Playtime“ wird am PC gespielt, und das Szenario lässt sich wie folgt beschreiben: Man versetzt sich in die Rolle eines ehemaligen Mitarbeiters einer stillgelegten Spielzeugfabrik, die wie ein „Lost Place“ anmutet. Hier macht man sich auf die Suche nach verschwundenen Kollegen und muss diese retten. Dabei stellen sich aber Grusel-Puppen wie Poppy, die spinnenartige Kreatur Mommy Long Legs oder das Plüschtier Huggy Wuggy in den Weg und müssen beispielsweise durch eine Art Fleischwolf gedreht werden, um sie zu besiegen.

Der Bestseller der früheren Spielzeugfabrik war eine Puppe namens „Poppy“, mit der man eine tolle „Poppy Playtime“ haben konnte, denn sie war in der Lage, mit den Kindern zu sprechen. So sieht Poppy aus (was mir persönlich schon gruselig genug erscheint):

Puppe Poppy aus Poppys Playtime

Puppe Poppy aus Poppys Playtime. Screenshot aus einem Video von KeysJore@Youtube

„Poppy Playtime“ ist in drei Chapter unterteilt, von denen bisher nur zwei erschienen sind – das Release von Chapter 3 ist aber noch für 2023 geplant und wird den Hype rund um die Huggy Wuggys sicherlich noch mal befeuern. Das erste Chapter von Poppy Playtime ist beim Gaming-Anbieter Steam kostenlos, Chapter 2 schlägt mit einmalig 8,19 Euro zu Buche. Der Preis von Chapter 3 ist noch nicht bekannt.

Was ist an Huggy Wuggys / Poppy Playtime so schlimm?

Schauen wir uns dazu einmal die Stimmen von Medienwächtern und Verbraucherschützern an, denn sie ordnen das Spiel und seine Figuren sehr gut ein.

„Wie hier Kinderspiele und Kindheitsängste in einem Horrorszenario aufgegriffen werden, kann Kinder sehr verstören“, schreibt beispielsweise flimmo.de, der Elternratgeber für TV, Streaming & Youtube und ein Projekt von zehn Landesmedienanstalten, der Stiftung Medienpädagogik Bayern der BLM und dem Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI).

„In dem Spiel „Poppy Playtime“, werden Kinderspiele und Horrorelemente verbunden. Leider gibt es hier keine offizielle Altersfreigabe, da es sich um ein Spiel ohne Blut, Gewalt und „groteske Todesfälle“ handelt. Trotzdem führen die Bilder bei Kinder zu Angstzuständen. Teilweise werden diese Bilder, Handlungen und Spiele dann in Schulen weiter verbreitet und auch völlig unbeteiligte Kinder verängstigt. Vor allem Jüngeren fällt es oft sehr schwer zu begreifen, dass es sich um fiktive Figuren handelt,“ ist beim Medienzentrum Offenbach zu lesen.

Das klingt alles andere als harmlos.

Wie lautet die Altersempfehlung für Poppy Playtime (und Huggy Wuggy)?

Es gibt keine offizielle USK-Einstufung für „Poppy Playtime“ – und das ist das Problem. Im Gaming-Bereich wird die Altersempfehlung nicht von der bekannten „Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft“ (FSK) herausgegeben, sondern analog von der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) der Gaming-Branche. Die stuft Spiele aber nur dann ein, wenn Blut, Gewalt und groteske Todesfälle darin vorkommen – was bei „Poppy Playtime“ nicht der Fall ist.

Somit fehlt Eltern an dieser Stelle eine erste, wichtige Orientierung. Im Apple Store wird die Altersempfehlung mit 12+ angegeben – viel zu niedrig, sagen Medienwächter.

Um sich die dazu gehörenden Let’s Plays bei Youtube anzugucken, müssten Kinder übrigens offiziell auch mindestens 16 Jahre alt sein, denn erst ab diesem Alter ist die Nutzung von Youtube zugelassen. Das ist natürlich utopisch. Viele Kinder verfügen mit 8, 10 oder 12 Jahren bereits über ein Smartphone, und darüber lassen sich die meisten Youtube-Inhalte auch ohne Login frei abrufen.

Und auch Gaming-Plattformen wie Steam oder Twitch, die Zugang zu Spielen wie „Poppy Playtime“ gewähren, dürfen eigentlich erst ab 13 Jahren genutzt werden, was sich aber durch eine falsche Altersangabe bei der Registrierung umgehen lässt.

Meine Meinung zur Altersfreigabe von Poppy Playtime

Ich habe mir die Szenerie in einem Let’s-Play-Video mal angesehen. Das Ganze ist sehr düster aufgebaut. Wer wie ich ohnehin schon Puppen gruselig findet, wird sich in der stillgelegten, ranzigen Spielzeugfabrik selbst als Erwachsener nicht sonderlich wohl fühlen.

Uns begegnen die Überreste kleiner, geschredderter Roboter, an der Decke fährt noch ein bunter, lustig dudelnder Spielzeugzug, und wir beobachten ziemlich unheimliche Förderbänder und Produktionsmaschinen mit großen Augen, die einzelne Körperteile von Spielzeugen produzieren. Überall dunkle Gänge, Graffitis, diffuses Licht – und jederzeit kann so eine horrorhafte Spielzeugfigur um die Ecke springen.

Das Ganze erinnert mich an eine abgefahrene Geisterbahn auf dem Hamburger Dom.

Was erwachsenen Gamern mit Sicherheit Spaß macht: An vielen Stellen muss man ein wenig strategisch denken, um Türen zu öffnen, Rätsel zu lösen und gut zuhören, wenn in alten TV-Werbefilmen Zusammenhänge beschrieben werden. Insofern hat das Spiel für mich auch durchaus seine guten Seiten – aber ich bin auch schon 44 Jahre alt und nicht mehr so leicht zu verschrecken.

Mein persönliches Fazit: Das Spiel hat mit Sicherheit ein hohes Verängstigungs-Potenzial bei kleinen Kindern. Wenn ich die Altersfreigabe dafür festlegen müsste, würde ich sie auf mindestens 14 Jahre setzen – bei sensibleren Kindern eher auf 16 Jahre.

Kleinkinder, Grundschulkinder und 10-12-jährige haben mit Sicherheit nichts in der alten Spielzeugfabrik von „Poppy Playtime“ verloren und sollten auch keine Huggy Wuggy Plüschtiere bekommen.

Warum ich meinem Teenager Poppy Playtime erlauben würde – ein Exkurs

Ab wie viel Jahren ein Kind Grusel- und Horrorgeschichten überhaupt vertragen kann, geschweige denn dazu in der Lage ist, sich seelisch unbeschadet durch ein Game wie „Poppy Playtime“ zu manövrieren, das ist eine schwierige Frage, die sich meiner Meinung nach nur sehr individuell beantworten lässt.

Meine Tochter ist inmitten von Rollenspiel, Horrorgeschichten und Fantasy aufgewachsen. Ihr Vater war Rollenspieler, der einen Teil seiner Freizeit mit sehr viel Hingabe als Meister mit dem Fantasy-Rollenspiel „Dungeons & Dragons“ verbrachte. An den Wänden unserer Wohnungen hingen echte Schwerter und auf dem Nachttisch stand eine ziemlich beeindruckende Nachbildung von H.P. Lovecraft’s oktopusartigem Cthulhu-Wesen.

Was ein Goblinoid oder ein Halbling ist, das wusste meine Tochter schon, bevor sie 1+1 zusammenzählen konnte. Kaum war sie des Lesens mächtig, hielt sie auch schon den „Kleinen Hobbit“ in Händen. Sie hat also schon sehr früh Zugang zu schauderhaften Fantasiewelten gehabt – und gelernt, das alles einzuordnen und mit uns offen über ihre Eindrücke zu reden. 

Ich würde ihr also tatsächlich jetzt mit 14 Jahren erlauben, Poppy Playtime zu spielen, weil es für mich eher ein strategisches Rätsel-Spiel ist, dessen Horror-Elemente gar nicht so sehr im Vordergrund stehen. Nach allem, was ich gesehen habe, glaube ich, dass sie den Grusel-Anteil verkraften würde und sogar Spaß daran hätte.

Das kann bei anderen Gleichaltrigen, die weniger nerdige Eltern haben, aber ganz anders aussehen. Und bei jüngeren natürlich erst recht.

Ist Poppy Playtime / sind Huggy Wuggys verboten?

Das Game an sich ist nicht „verboten“, steht auf keiner schwarzen Liste – es gibt ja noch nichtmal eine offizielle Altersbeschränkung. Anders sieht es mit den Huggy-Wuggy-Plüschtieren aus: In vielen Kitas ist es beispielsweise nicht zulässig, diese Plüschtiere mitzubringen, weil sie Angst einflößen. Ein offizielles Verbot existiert aber auch hier nicht.

Tipps zum Umgang mit Huggy Wuggy und anderem Grusel-Content

Was mache ich, wenn mein Kleinkind mit Gruselfiguren wie Huggy Wuggy in Kontakt kam, bevor ich es darauf einstellen konnte – und nun Albträume hat, verängstigt ist und nicht weiß, wie es die Eindrücke verarbeiten soll?

Uns ist das vor einigen Jahren auch passiert. Im Grundschulalter kam meine Tochter über eine Freundin mit einer Horror-App in Kontakt, in der eine ekelige Hexe Jagd auf kleine Kinder machte. Das hat meine Tochter nachhaltig bis den Schlaf verfolgt.

Was uns damals geholfen hat:

  • Reden und trösten
  • Sich das Ganze selbst ansehen, um zu wissen, worum es eigentlich geht
  • Den Umgang mit der App unterbinden (in unserem Fall: mit den Eltern des anderen Kindes darüber sprechen)
  • Keine Vorwürfe machen und keine Strafen verhängen – meine Tochter weiß, dass sie immer mit allem zu mir kommen kann (Vorwürfe und Strafen würden sie in diesem Fall künftig davon abhalten, mit mir über ihre Ängste zu sprechen)
  • Das Kind grundsätzlich enger in seinem Medienkonsum begleiten

Am letzten Punkt scheiden sich zugegebenermaßen die Geister. Ich bin nämlich auch keine Kontrolletti-Mom, die jeden Schritt der Tochter in der digitalen Welt per Eltern-App überwacht. Was ich mit „begleiten“ meine: Sich mit den digitalen Trends und Themen frühzeitig beschäftigen, an diesem Leben teilhaben und die Reize verstehen – um dann wirklich individuell und fair entscheiden zu können, was für das eigene Kind infrage kommt und was nicht.

Und dann: Dem Kind immer wieder vermitteln, dass es einem Vertrauen und sich jederzeit mitteilen kann.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Huggy Wuggy gemacht?

Teilt uns gern mit, wie ihr mit dem Grusel-Game zu Hause umgeht – wir freuen uns über konstruktive Beiträge zu diesem Thema.
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Ilona Utzig
Ich bin Rheinländerin, lebe aber seit vielen Jahren im Hamburger Exil. Mit meiner Tochter wage ich gerade spannende Expeditionen ins Teenager-Reich, immer mit ausreichend Humor im Gepäck. Wenn mein Geduldsfaden doch mal reißt, halte ich mich am liebsten in Küstennähe auf, je weiter nördlich, desto besser. Bei Echte Mamas bin ich Senior SEO-Redakteurin. Meine journalistische Ausbildung abolvierte ich bei Hamburger Jahreszeitenverlag, um anschließend Skandinavistik, Politikwissenschaft und Germanistik zu studieren. Nach langen Jahren als Finanz-Redakteurin liegen mir heute noch die Themen Vorsorge, Vereinbarkeit und Care-Arbeit am Herzen.

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Robin
Robin
8 Monate zuvor

Also ich muss sagen ich fand dein Artikel sehr gut geschrieben reflektiert und begründet. Als jemand der von übermotivierte Mutties sonst getriggert wird.
Liebe Grüße