„Hilfe, wieso ekele ich mich plötzlich vor meinem Partner?“

Für Daniela war es eine Vollkatastrophe: Wie aus dem Nichts fand sie ihren Partner unerträglich. Sie hat sogar angefangen, seine Nähe zu meiden. Doch wie soll das auf Dauer gehen, in einer Wohnung mit zwei Kindern? Daniela ist ratlos.

„Es kam ganz plötzlich.“

„Wir saßen zu viert beim Essen zusammen, und mein Mann sagt etwas zu den Kindern – mit vollem Mund. Vermutlich passiert uns das allen mal, ohne dass wir es merken und mir war es noch nie zuvor störend aufgefallen. Aber an diesem Tag kam mir dieses Geräusch so schlimm vor, dass ich ihn am liebsten den Mund zugehalten hätte. Erst habe ich es schnell wieder vergessen, doch danach häuften sich solche Momente. Ich erwischte mich dabei, wie ich meinem Mann dann an die Gurgel gehen oder aus den Raum laufen wollte.  Ich weiß, wie irre das klingt. Mein Mann und ich sind seit zehn Jahren ein Paar, wir haben zwei Kinder, und ich habe uns immer als gutes Team betrachtet. 

Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich tatsächlich so etwas wie Hass empfinde, wenn er bestimmte Geräusche macht wenn er ein wenig schmatzte, schlürfte, beim Fernsehen etwas knabberte oder eben mit vollem Mund sprach. Es verdarb mir die gemeinsame Zeit, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das Problem ansprechen sollte. ,Hey Schatz, deine Essgewohnheiten widern mich an?‘

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus.

Als ich einmal kurz davor war, ihn anzubrüllen, sprach ich ihn stattdessen nach dem Essen so ruhig wie möglich darauf an. Ich sagte ihm, dass ich da bei mir ein Problem entdeckt hätte, damit er sich nicht angegriffen fühlt. Trotzdem war er erst einmal schlimm gekränkt, sicher wäre mir das genauso gegangen. Trotzdem gab er sich seither tierisch Mühe, diese Geräusche nicht mehr zu machen. Wenn er es vergisst, erinnere ich ihn daran  – was ihn tierisch nervt und mich selbst vielleicht sogar noch mehr. Ich glaube er denkt insgeheim, ich stelle mich an.

Ich wünschte ja auch, ich fände in meinem Gehirn einen Schalter, den ich umlegen kann. Früher hat mich das alles doch auch nicht gestört? Leider ist es so: Auch wenn er jetzt seltener solche Geräusche macht, stressen sie mich mehr. Inzwischen hält die ungerechte Wut sogar an, wenn die Situation beendet ist. Ich bin dann verkrampft und halte ihn auf Distanz. Mich stresst auch der Gedanke, dass es immer so weitergehen wird.  Ich bin mir sicher, dass ich meinen Mann immer noch liebe. Und ich habe nicht vor, meine Familie zu zerstören wegen meiner ,Macke‘. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, es nicht mehr ertragen zu können. Was soll ich nur tun?“

Erst einmal: Danke, liebe Daniela, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast!

Warum niemand etwas dafür kann

Erkennst du dich teilweise in der Geschichte wieder? Dann fühlst du dich vielleicht irritiert, schuldig oder wie Daniela ein wenig „irre“. Bist du aber nicht. Vielleicht hat dich einfach das Sudden Repulse Syndrom (sudden = plötzlich, repulsion = Abstoßung) erwischt – und das kann jederzeit auftreten. Frauen sind öfter betroffen als Männer.

Lauter an sich harmlose Dinge können der Auslöser für deinen plötzlichen Ekel sein – Gerüche, Geräusche, Angewohnheiten. Ekel ist ein Schutzmechanismus. Und es ist gut möglich, dass dahinter eine tiefere Ursache steckt. Oft tritt das Syndrom nämlich auf, wenn jemand eine Beziehung insgeheim auflösen möchte, Aggressionen unterdrückt, unter Bindungsangst leidet oder mit dem Partner eine Erfahrung gemacht hat, die du unangenehm findest – auch wenn dir das nicht so bewusst sein muss.

Paartherapeuten geben einer Beziehung, in der einer der von euch starken Ekel mit dementsprechenden Körperreaktionen entwickelt hat, leider keine große Chance. Der Tunnelblick wird immer enger, irgendwann nimmst du nur noch wahr, was dich abstößt.

Lässt sich die Beziehung retten?

Aber was, wenn dich wirklich nur bestimmten Eigenschaften in den Wahnsinn treiben und du nicht permanent die Flucht ergreifen möchtest, sobald dein Partner dir näher kommt? Wenn du ihn noch liebst (und er sich dir gegenüber nicht tatsächlich schädlich verhält), hilft möglicherweise eine Therapie, den wahren Ursachen  auf den Grund zu gehen.

Und vielleicht ist es dann auch gar nicht das Sudden Repulse Syndrom, dass eurer Beziehung zusetzt, sondern wirklich nur eine Abneigung gegen Dinge, die sich beheben lässt –  etwa Schweißgeruch. Geht es  vor allem um Geräusche – wie bei Daniela – könntest du auch eine Misophonie entwickelt haben. Betroffene ertragen bestimmte Geräusche nicht. Sie rufen in ihnen heftige Abwehr- und Fluchtreaktionen hervor, ohne dass sie es beeinflussen könnten. In so einem Fall ist ein offenes Gespräch mit deinem Partner am Besten. Mache ihm klar, dass „Zusammenreißen“ nicht funktioniert, sondern es sich tatsächlich um eine neurologische Erkrankung handelt, die gar nicht mal so selten ist. Sicher wird er sich dann mehr Mühe geben, auf dich Rücksicht zu nehmen.

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Jana Stieler
Ich lebe mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs – am Rande der Harburger "Berge" (Süddeutsche mal kurz weghören: Der höchste Punkt misst immerhin sagenhafte 155 Meter ü. M.). Wenn ich nicht gerade einen Text verfasse, liebe ich Outdoor-Abenteuer mit meiner Familie, lange Buch-Badewannen-Sessions mit mir allein und abendliches Serien-Binge-Watching.

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2 Comments
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Anja
Anja
8 Monate zuvor

ich würde mich dazu gerne austauschen da ich das gleiche Problem habe.

Sina
Sina
1 Jahr zuvor

Mir geht es auch seit vielen Jahren so und noch schlimmer: Essgewohnheiten, Gerüche, Verhaltensweisen….bis zum Husten im Schlaf mut rausgestreckter Zunge macht ein Zusammenleben unerträglich