Es musste erst ein Unfall passieren, damit ich langsamer machte

Ich hätte es ahnen müssen. Ewig konnte sowas nicht gut gehen. Immer auf den letzten Drücker im Kindergarten ankommen und verschwitzt und außer Atem die Kinder in Empfang nehmen – musste das sein? Jetzt weiß ich: Nein, das musste nicht sein und das soll auch nicht sein.

Eigentlich ist es so, dass ich in Gegenwart meiner Kinder sehr ruhig bin. Wir haben kaum Nachmittagstermine, lassen den Tag nach dem Kindergarten meistens auf uns zukommen und spielen, wonach uns ist. Ich sorge für relativ feste Essens- und Schlafzeiten, aber ansonsten gebe ich wenig vor. Das enspannt mich und die Kinder und ich kann ihnen die Ruhe geben, die sie nach einem anstrengenden Kindergartentag brauchen.

Wenn ich ohne Kinder bin, ist das anders: Dann hetze ich von A nach B, gehe arbeiten, mache den Haushalt, kaufe ein, und und und. Das stresst mich nicht. Ich genieße diese Zeit, in der ich nur für mich verantwortlich bin, meistens sehr. Dann darf ich auch hektisch sein und kann noch mal eben die Treppen zur Wohnung hoch rennen, ohne Kind auf dem Arm. Ich radel mit Tempo zum Kindergarten, schließe in Windeseile das Fahrrad ab und renne ins Gebäude.

Das genau das stellte sich als Fehler heraus.

Denn von 100 auf 0 schaffe ich nicht. Wie ich schmerzhaft erfahren musste. Es war wieder so ein Tag, an dem ich 1000 Dinge gleichzeitig erledigt hatte. Dann traf ich vor der Tür der KiTa noch eine Mutter, mit der ich ins Quatschen kam. Es war spät und ich hetzte danach zur Krippe im Erdgeschoss, um meinen Sohn abzuholen. Ich zog ihn halb an, Schuhe und Mütze sollte er erst zusammen mit seiner Schwester anziehen. Also nahm ich meinen einjährigen 11-Kilo-Jungen auf den Arm, klemmte mir seine Trinkflasche, Brotdose und die restlichen Klamotten unter den Arm und ging die Treppen hoch in den ersten Stock zu meiner großen Tochter.

Man muss dazu sagen, dass wir in unserem Kindergarten nicht mit Straßenschuhen herum laufen dürfen. Weil es kalt war, trug ich spezielle Überzieher aus Filz, die an der Eingangstür bereit liegen. Filz. Ein schlimmeres Material konnte man sich für die Verwendung auf glattem Steinboden auch nicht ausdenken.

Ich stapfte die Treppen hoch, grüßte noch eine andere Mutter und da passierte es: Ich rutschte aus. Und knallte mit meinem Sohn auf dem Arm vorwärst auf die Stufen. Im Fallen dachte ich nur: „Oh Gott, oh Gott, mein Kind. Sein Kopf. Hilfe!“ Völlig geschockt stand ich wieder auf, das weinende Kind immer noch auf dem Arm. Ich versicherte mich: Wenigstens kein Blut. Und er hörte auch schnell wieder auf und schien keine Schmerzen zu haben.

Mein Sohn tat sich auf der Treppe zwar nicht weh, aber der Schock saß tief. Foto: Bigstock

Die andere Mutter hatte den Sturz beobachtet. Sie kam zu uns und fragte, ob mit mir alles ok sei. Mit mir? Was sollte denn mit mir sein? Hauptsache, meinem Kind geht es gut, oder? Sie beruhigte mich und sagte, dass er überhaupt nicht mit dem Kopf irgendwo gegengefallen sei. Ich hätte ihn super abgefangen.

Tatsächlich hatte ich ihn wohl nur mit meinem Ringfinger abgefangen. Der tat nämlich ganz schön weh und wurde sogar ein bißchen blau. Er war verstaucht. Und ich geheilt. Geheilt von meinem Gehetze und der Meinung, dass ich immer alles schnell und gleichzeitig schaffen kann.

Wenn ich heute in den Kindergarten komme, atme ich vor dem Eingang erst einmal kräftig durch. Ich gehe bewusst langsam rein, lese vielleicht noch etwas am schwarzen Brett, um dann zuerst in den ersten Stock zu gehen. Also steige ich die Treppe nur noch ohne Kind hoch. Mit dem großen Kind gehe ich dann zurück ins Erdgeschoss und die Kinder ziehen sich gemeinsam an. Ich habe außerdem eine große Umhängetasche dabei. Hier stopfe ich erstmal alle Rucksäcke, Brotdosen und Mützen rein, bis sie wieder gebraucht werden. So habe ich die Hände frei und kann entspannter beim Anziehen helfen.

Vom meiner Ankunft im Kindergarten bis zum Verlassen vergeht gerne mal eine halbe Stunde. Aber die Zeit brauchen wir nun mal, um zufrieden und sicher in den Nachmittag starten zu können.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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