Sie trösten, singen, wischen Tränen ab – und behalten im Chaos den Überblick: Erzieher:innen leisten in der Kinderbetreuung tagtäglich so viel. Sie begleiten unsere Kleinsten durch den Alltag und schenken ihnen Geborgenheit außerhalb der Familie. Doch neben all dem Herzblut, das sie in ihren Beruf stecken, gibt es auch eine Seite des Kita-Alltags, die weniger rosig ist – und mit der viele Eltern nichts mitbekommen.
Wir haben mit einer Erzieherin aus Niedersachsen gesprochen. Sie erzählt, was sie zwischen Brotdosen, Bastelkleber und Wickeltisch erlebt – und warum es manchmal nicht die Kinder sind, die die größte Herausforderung darstellen.
„Die Eltern versuchen immer wieder, ihre total kranken Kinder bei uns abzuschieben.”
Was die 28-Jährige am meisten stört: Immer wieder werden sichtlich kranke Kinder in der Kita abgegeben. Erst kürzlich traten in ihrer Gruppe traten mehrere Scharlach-Fälle auf. Die Eltern wurden informiert, sensibilisiert – und doch kam es, wie es kommen musste. Eine Mutter brachte ihr Kind trotz ärztlichen Verdachts am nächsten Tag wieder in die Kita. Erst beim Abholen erwähnte sie nebenbei, dass der Arzt gerade angerufen habe: Der Abstrich sei positiv.
„So etwas ist verantwortungslos“, sagt die Erzieherin. Denn damit gefährdet man nicht nur andere Kinder, sondern auch das Personal. Die Folge: Krankheitsschübe, Personalausfälle, Gruppenschließungen. Und dann? „Beschweren sich dieselben Eltern über eingeschränkte Betreuungszeiten”.
„Die meisten Eltern sind überzeugt, dass ihr Kind hochbegabt ist.”
Immer wieder erlebt die Erzieherin, dass Eltern ihre Kinder doch etwas zu optimistisch einschätzen – oder – wie sie es sagt: „Die meisten glauben, dass das eigene Kind hochbegabt ist.”
Eine Szene bleibt besonders skurril in Erinnerung: Ausgerechnet die Eltern des Zweijährigen, der für ein Alter noch auffällig wenig spricht, sind von seinem Sprachtalent überzeugt. Immer wieder erklären sie den Erzieherinnen, dass ihr Sohn zweisprachig aufwachse. Sie reden nicht nur deutsch, sondern auch englisch mit ihm.
An einem der Tage ist der kleine Junge besonders gut drauf und ist zur Freude der Erzieherinnen nicht ganz so still wie sonst. Er unterhält die Erzieherinnen mit Baby-Gebrabbel. Die Erzieherinnen freuen sich – ein kleiner Meilenstein! Beim Abholen erzählt eine Kollegin freudig von diesem Fortschritt. Doch die Mutter ist sich sicher: „Unser Sohn brabbelt nicht, er hat vermutlich Englisch gesprochen.”
Ein anderer Junge fällt den Erzieherinnen auf, weil er länger braucht als die anderen Kinder, um die Abläufe im Kita-Alltag zu verstehen. „Ein süßer Junge, aber einfach etwas langsamer”, schmunzelt die Erzieherin. Über ein Jahr erklären sie dem Kind zum Beispiel täglich, dass es seine Hände am Handtuch und nicht an der Wand abtrocknen kann. Doch auch dessen Eltern sind sich sicher: Unser Sohn ist hochbegabt und hier in der Kita unterfordert!
„Die Eltern verlangen von uns, dass wir todmüde Kinder wachhalten.”
Noch kniffliger wird’s beim Thema Mittagsschlaf: Manche Eltern bestehen darauf, dass ihr Kind nicht schläft, weil es abends sonst nicht zur Ruhe kommt. Doch in der Umsetzung ist das schwierig: „Wir zwingen niemanden zum Schlafen. Wer nicht schläft, darf spielen – aber alle Kinder kommen erstmal mit in den Ruheraum, damit überhaupt Ruhe einkehren kann. Wir dürfen Kinder nicht unbeaufsichtigt spielen lassen.”
Wenn die Eltern den Mittagsschlaf nicht wollen, das Kind aber dennoch einschläft, wecken die Erzieherinnen es nach 30 Minuten wieder. Für einige Eltern jedoch ein Grund zur Beschwerde – verbunden mit der Forderung, das eigene Kind konsequent wachzuhalten, selbst wenn ihm schon beim Mittagessen immer wieder die Augen zufallen. „Das ist für uns nicht machbar und für die Kinder eine Zumutung“, sagt die Erzieherin deutlich.
„Wochenlang hängt die Kleidung mit der ausgelaufenen Windel neben der Jacke.”
Im Sommer bittet die Kita die Eltern, ihre Kinder morgens eingecremt zu bringen und eine Sonnencreme mitzugeben – eigentlich verständlich, wenn draußen die Sonne brennt. Trotzdem wird es vergessen. Täglich. Und das ist nur ein Punkt auf der langen Liste der Dinge, die Erzieherinnen bei der Übergabe mit Eltern besprechen müssen: Schlaf, Essen, Windelinhalt, soziale Kontakte – bei 15 Kindern pro Gruppe wird jede zusätzliche Erinnerung zur Geduldsprobe.
Apropos Windelinhalt: Nicht selten kommt es vor, dass wochenlang ein durchweichter Plastikbeutel mit schmutziger Wäsche an der Garderobe hängt. Die Windel ist ausgelaufen und die Erzieherinnen haben die Kleidung für die Eltern in den Beutel gepackt – doch niemand nimmt ihn mit nach Hause. Die Erzieherin runzelt die Stirn: „Wie kann man das übersehen? Der hängt doch direkt neben der Jacke!“
„Die Mehrheit der Eltern ist bemüht und entgegenkommend.”
Obwohl diese Geschichten anderes vermuten lassen, zieht die Erzieherin ein versöhnliches Fazit: „Die meisten Eltern sind total lieb und verständnisvoll. Jeder kann im Alltagsstress mal etwas vergessen, dafür haben wir Verständnis!”
Natürlich wollen wir alle nur das Beste für unsere Kinder. Doch manchmal hilft es, sich in die Lage der Menschen zu versetzen, die unsere Kleinen Tag für Tag begleiten, trösten, stärken und fördern. Erzieher:innen arbeiten mit viel Herz – aber auch am Limit. Gute Zusammenarbeit beginnt mit Vertrauen, realistischen Erwartungen – und einem Blick fürs große Ganze.
Liebe Inja, vielen Dank für deine Erfahrungen! Und, oh jaaaaa, an die Übergangszeit in Sachen Mittagsschlaf erinnere ich mich auch mit Grausen zurück!
Nicht zu vergessen die Eltern,die immer der Kita die Schuld am Verhalten ihrer Kinder geben. Mutter ist schwanger,berichtet das dem 2,5 jährigen Kind auch schon in der 6. Oder 7. SSW ,dann hat die Mutter am Anfang sehr stark mit Übelkeit zu kämpfen, kurzerhand wird der Familienkater abgegeben (Grund weiß ich gerade nicht mehr) und es dreht sich alles nur noch ums neue Geschwisterchen. Kind 1 dreht in der Kita völlig durch, bekommt Wutausbrüche ohne Ende,schubst kleinere Kinder und beißt. Aber die Verhaltensveränderung liegt an der Kita,zu Hause ist ja alles normal 🙄 Diese Mutter hatte ich gefressen. Wir waren an allem Schuld,sie natürlich überhaupt nicht.
Als Erzieherin ohne Kind hab ich auch das Thema Mittagsschlaf nicht verstanden. Aber mein Kind ist auch gerade in der Phase,dass 30min Mittagschlaf dafür sorgen,dass es abends vor 22 Uhr nicht ins Bett geht. Ich weiß,viele Erzieherinnen ohne Kind machen sich lustig darüber,dass ja „ein bisschen Mittagsschlaf“ nicht so schlimm sein kann,aber so ist es leider. Diese Übergangszeit zwischen „man macht noch Mittagsschlaf“ und „man macht gar keinen Mittagsschlaf mehr“ ist total doof. In meiner Kita ist es so,dass aus allen 3 Krippengruppen die Wachkinder in der Halle unter Beaufsichtigung spielen dürfen. Wenn wir natürlich das Gefühl haben,dass ein Kind den Schlaf braucht,dann setzen wir uns auch hin und lesen was und manchmal reicht so ein ausruhen ja auch aus. Aber ich bin auch genervt,das mein Kind mit in den Schlafraum muss,weil es in ihrer Kita halt klassisch gemacht wird,wie im Beispiel beschrieben. Und nein, mein Kind schläft nicht am Mittagstisch ein. Als das noch so war,hab ich auch nichts dagegen gehabt,dass Mittagsschlaf gemacht wird. Aber irgendwann wurde mir dann auch gesagt,dass das einschlafen immer länger gedauert hat und zu Hause hat das Kind locker den Tag ohne Mittagsschlaf gemacht. Wird dann in der Kita geschlafen,weil es ja schön dunkel und ruhig im Schlafraum ist,kann ich mich auf lange Abende einstellen. Also in dem Punkt kann ich jedes Elternteil verstehen,was sich beschwert. Die Erzieherinnen haben (meistens) irgendwann Feierabend,gehen nach Hause und ruhen sich aus. Eltern haben keinen Feierabend. Die sind 24 Stunden im Dienst… Aber sowas wissen kinderlose Pädagogen meist nicht…