Eine Erzieherin erzählt: „Viele Eltern sind am Ende ihrer Kräfte“

Auch im verschärften Lockdown bleiben viele Kitas geöffnet, allerdings im eingeschränkten Regelbetrieb. Einige haben mittlerweile auf eine Notbetreuung umgestellt. Das wirft den Alltag von Kindern und Eltern gehörig durcheinander. Viele fragen sich, wie sie Beruf und Kinderbetreuung ohne die Kita meistern sollen und bringen ihre Kinder weiterhin.

Wir haben deswegen bei einer Erzieherin und Mama nachgefragt, wie sie aktuelle Situation in der Kita wahrnimmt, welche Ängst sie hat und wie das Verhältnis zwischen Erziehern und Eltern ist.

Eine Erzieherin erzählt, wie sie die Situation in der Kita im Lockdown empfindet

Steffi aus unserer Echte-Mamas-Community hat sich bereit erklärt, mit uns ganz offen und ehrlich über das Thema Kitas im Lockdown zu sprechen. Die 33-Jährige lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer anderthalbjährigen Tochter in Dortmund. Ihre eigene Elternzeit ist seit Juli vorbei und seitdem arbeitet sie wieder in einer Kita in Castrop-Rauxel.

Wie geht es dir als Mama während des Lockdowns?

Mir als Mama geht es während des Lockdowns natürlich auch nicht gut. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft und Entwicklung meines Kindes, gerade in dem Alter meiner Tochter sind Sozialkontakte so unheimlich wichtig. Aber ich weiß auch, dass wir jetzt leider da durch müssen, es geht darum, Leben zu schützen.

Wie ist die Situation an deiner Kita? Wie sieht die Notbetreuung bei euch aus?

Im Dezember 2020, kurz vor dem jetzigen Lockdown, mussten wir alle in Quarantäne, da eine Kollegin von mir positiv getestet wurde. Angesteckt wurde zum Glück niemand, denn direkt vor dem Tag, als wir von unserer Kollegin erfuhren, kam die schreckliche Nachricht, dass in unserer Partnerkita ein Vater an dem Coronavirus gestorben ist. Das war ein Schock für uns alle, machte uns den Ernst der Lage nur zu deutlich bewusst.

Direkt nach unserer Quarantäne stand dann der Lockdown an. Unsere Eltern sind vor Weihnachten sehr gut dem Appell nachgekommen, zwei Kolleginnen kamen für fünf Kinder in die Einrichtung, der Rest des Teams baute Urlaub und Überstunden ab, sodass wir mit dem Jahr 2020 gut abschließen konnten.

Wie viele Kinder kommen während des Lockdowns ungefähr zu euch?

Im Januar nahmen dann wieder mehrere Eltern die Betreuung in Anspruch, trotzdem beträgt die allgemeine Auslastung der Kita momentan vielleicht 30 Prozent. Aber es werden mittlerweile mehr, denn viele Eltern sind am Ende ihrer Kräfte und das verständlicherweise. Bei uns in NRW gibt es einen Appell, seine Kinder zu Hause zu lassen, aber keine Notbetreuung, sodass jeder sein Kind bringen kann und soll, wenn es nötig ist.

Wie verhalten sich die anderen Eltern dir als Erzieherin gegenüber?

Das Verhalten der Eltern uns gegenüber ist sehr gemischt. Von extrem verständnisvoll bis zu extrem genervt ist alles dabei. Manche stören sich daran, dass die Kinder zehn Stunden weniger als gebucht die Einrichtung besuchen dürfen. Diese Eltern lassen ihren Frust am Erstbesten aus und das trifft dann leider meistens uns. Jegliche Erklärungen, dass das alles von der Regierung kommt, hilft da leider nicht. Wir sagen nein, also sind wir auch schuld. Ein unheimlich anstrengendes Hamsterrad, was zusätzlich sehr an den Nerven zerrt.

Was würdest du dir in Zeiten von Corona von den Eltern wünschen?

Von den Eltern würde ich mir wünschen, dass sie ihren Frust nicht auf uns abladen. Wir sind in der Einrichtung, betreuen die Kinder und nehmen damit auch das Infektionsrisiko auf uns und unsere Familien. Noch dazu hören wir bei Telefonaten genau raus, ob jemand wirklich nur eine Frage hat oder völlig überlastet ist. Im letzteren Fall bieten wir sofort an, das Kind zu uns zu bringen. Wir geben unser Bestes, leider können wir nicht mehr tun.

Hast du Verständnis für Eltern, die nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten und ihre Kinder in die Kita bringen?

Ich habe absolutes Verständnis für Eltern, die nicht in systemrelevanten Berufen arbeiten und ihre Kinder trotzdem zu uns bringen. Wir alle – in Deutschland und weltweit – sind am Ende unserer Kräfte angelangt. Bevor die Nerven so am Ende sind, dass man keinen Ausweg mehr sieht oder sein Lachen verliert: Bringt eure Kinder bitte, wenn möglich!

Hast du manchmal Angst, dich in der Kita mit Corona zu infizieren?

Ja, auch ich habe Angst vor einer Infektion. Leider habe ich viele Risikopatienten in meiner Familie. Aber die besuche ich im Moment nicht mehr. Das Risiko will und kann ich nicht auf mich nehmen.

Was sollte deiner Meinung nach aktuell in der Kita anders geregelt werden?

Normalerweise arbeiten wir im offenen Konzept. Das wurde jetzt zurückgebaut und wir arbeiten nun in Gruppen. Geschwisterkinder müssen alle in die gleiche Gruppe, sodass es in jeder Gruppe eine ziemliche Altersmischung (eins bis sechs Jahre) gibt. Für die Kinder ist das schwierig. In unserer U3 Gruppe zum Beispiel sind derzeit ca. fünf U3 Kinder und ein fünfjähriges Kind.

Bemerkst du eine Veränderung an den Kindern durch den Lockdown und die damit zusammenhängenden Maßnahmen?

Ich habe direkt nach meiner Elternzeit ein paar Veränderungen im Verhalten einiger Kinder festgestellt. Ein Kind, das ich im August eingewöhnt habe, ist regelrecht vor anderen Kindern weggelaufen. Er hat sich immer an die Abstandsregeln gehalten. Es war so schlimm für mich, das zu erleben.

Die Kinder hatten sich einigermaßen gefangen im Sommer, jetzt wird es wohl wieder ein bisschen kippen. Auffällig ist, dass viele Kinder absolut unruhig und nicht ausgelastet sind. Na ja, wie denn auch im Homeoffice mit Kindern zu Hause. Die Eltern greifen zur einzigen Möglichkeit, die bleibt: Fernseher, Spielekonsolen und Co. Das ist völlig nachvollziehbar und kann ihnen niemand verübeln.

Was läuft gut in der Notbetreuung?

Da momentan wenig Kinder die Einrichtung besuchen, haben wir die Möglichkeit, nochmal ganz speziell und individuell auf jedes einzelne Kind einzugehen und das ist ein sehr positiver Effekt des Lockdown.

Liebe Steffi, vielen Dank, dass du uns unsere Fragen so ausführlich beantwortet hast! Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe.

Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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