Durchatmen – und durchhalten: So erziehen wir starke Mädchen

1,13 Meter groß, 5 Jahre alt und ein scheinbar unerschütterliches Selbstbewusstsein.

So in etwa könnt ihr euch meine Tochter vorstellen. Sie ist supertoll, niedlich, witzig, wunderschön, fantasievoll – und sie weiß, was sie will. Und gibt alles, um es durchzusetzen. Manchmal bin ich fast neidisch darauf! Oft bin ich aber eher wahnsinnig stolz auf sie oder eben auch mal schwer genervt von ihrem Dickkopf. Meistens bin ich aber einfach nur glücklich. Denn ist eine Tochter, die für sich und ihr Wohlbefinden einsteht, nicht genau das, was Mädchen-Mamas sich wünschen?

Wären unsere Mädchen „brav, still und artig“, würde das zwar so manches Mal unseren Alltag leichter machen. Nur, wenn wir einige Jahre in die Zukunft denken:

Sind brave, artige Frauen immer so glücklich?

Eben. Es ist manchmal gar nicht verkehrt, ein wenig unbequem zu sein. Wenn nicht gar lebensnotwendig! Und solange man seine Mitmenschen dabei nicht aus den Augen verliert, darf man sagen, was man will – und vor allem, was man nicht will!

Und deswegen gibt es so typische Situationen mit Töchtern, die einen zwar gefühlt um Jahre altern lassen, weil sie so nerven. Die aber ganz wichtig für ein gesundes Selbstbewusstsein unserer Mädels sind.

Also, tief einatmen, bis zehn zählen und einfach durchhalten, wenn beispielsweise das hier passiert:

1. Unsere Töchter verhalten sich unhöflich

Ahhh, das ist immer noch eine ganz schwierige Situation für mich: Wenn meine Tochter unwissentlich jemanden vor den Kopf stößt. Wenn sie zum Beispiel der Verkäuferin einfach nicht antwortet, die sie so nett etwas gefragt hat. Sie Opas wirklich liebevoll ausgedachte Bastelidee keines Blickes würdigt, weil sie gerade ein Buch anschaut oder auch, wenn sie Kinder, die auf dem Spielplatz mit ihr toben wollen, abblitzen lässt. Ich bin harmoniesüchtig und hasse es, wenn sich jemand unwohl fühlt. Merkt ihr meinen Denkfehler? In diesen Situationen wird sich immer einer unwohl fühlen, und wenn ich meine Tochter zu etwas dränge, was sie gerade partout nicht will („Naaa, nun antworte doch mal kurz!“) , dann ist sie dieser eine. Und ist sie nicht diejenige, zu der ich stehen sollte? Was soll sie denn dabei lernen? Immer alle glücklich machen zu müssen? Eben. Und deswegen reiße ich mich selbst am Riemen und bedränge sie nicht.

2. Unsere Töchter sagen klar, was sie wollen

„Kinder mit ´nem Willn, kriegen was auf die Brilln!“ So oder so ähnlich wurden Generationen von Kindern zum Schweigen gebracht, was ihre klar formulierten Wünsche angeht. Hat geklappt, und zwar ganz einfach, wenn man es von Anfang an so macht. Aber: Wir wünschen uns doch, dass unsere Töchter später den Mund aufgekommen, wenn sie etwas brauchen, weil sie wissen, dass das ganz normal und sogar nötig ist, oder? Und sie müssen lernen, gut zu argumentieren. Bitte, bitte, ersticken wir dieses Können nicht schon im Keim. Hören wir ihnen aufmerksam zu und ziehen ihre Wünsche und Vorstellungen ernsthaft in Betracht.

3. Unsere Töchter haben eine ganz eigene Meinung

Wir bewundern Frauen, die eine starke Meinung haben. Damit unsere Töchter später mal zu diesen Powerfrauen gehören, müssen wir ihnen aber auch schon im Kindesalter eine starke Meinung zugestehen. Jaaaaa, manches weiß man als Mama aus eigener Erfahrung besser und jaaaa, manchmal ist es natürlich auch nötig, sich durchzusetzen. Aber verzichten wir, wann immer es geht, auf ein „Das ist so, weil ich es sage. Schluss.“ Ganz falsches Signal. Denn auch im Erwachsenenleben wird es immer jemanden geben, der irgendwie am längeren Hebel sitzt. Leben wir unseren Töchtern vor, dass man trotzdem zu seiner Meinung stehen darf! Es aber auch keine Schwäche ist, diese mal zu ändern, wenn es erforderlich ist.

4. Unsere Töchter sind laut und rasend vor Wut

Huch, meine Tochter kann ganz schön ausrasten. Sie schreit, schimpft, trampelt. Das empfinde ich oft als nervig und manchmal wundere ich mich, wieviel negative Energie in so einer kleinen Person schon stecken kann. Ganz groß ist oft der Drang, sie möglichst schnell zu beruhigen, abzulenken oder einmal laut dazwischenzufunken, damit dieser kleine Orkan schnell endet. Aber dann halte ich mich (zumindest meistens…) zurück. Warum sollte sie die Wut nicht einmal  ganz rauslassen? Gesünder geht es doch gar nicht, oder? Die blöden Gefühle müssen raus aus dem Bauch, damit es einem besser geht und man wieder ganz in Ruhe spielen kann. Über Jahrhunderte wurde es Mädchen quasi abtrainiert, ihre Emotionen zu zeigen. Warum?

5. Unsere Töchter sind waghalsig und mutig

Ah, manchmal kann man kaum zuschauen auf dem Spielplatz: An einem Bein hängt meine Tochter kopfüber an der höchsten Stange oder springt vom steilsten Gerüst. Kinder haben weniger Angst als wir – okay, und mindestens einen Schutzengel. Und: Kinder sind wahnsinnig mutig. Sie setzen sich für ihre Freundin ein und gehen dazwischen, wenn diese von drei größeren Jungs umringt wird. Sie trauen sich Stunts mit dem Roller zu und einen freiwilligen Kurz-Auftritt bei der Kinder-Zaubershow. Wir dagegen eher so: Zu gefährlich! Zu unheimlich! Zu peinlich! Aber lassen wir unsere Ängste nicht zu denen unserer Töchter werden. Schließen wir schnell die Augen, drehen uns um oder klicken uns kurz durchs Echte Mamas-Magazin 😉 … Und lassen die Mädels mal machen. (Also, dass das nicht für echt gefährliche Situationen gilt, versteht sich von selbst.)

Es sind so viele Kleinigkeiten, die unsere Töchter zu starken Frauen heranwachsen lassen. Die meisten davon erledigen sie ganz von alleine, wenn wir sie nur lassen. Also, vertrauen wir ihnen, geben ihnen unsere uneingeschränkte Liebe und erziehen wir sie mit ganz viel Respekt ihnen gegenüber. Und dann werden sie ihren Weg machen.

Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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