Die Entscheidung für den Tod: „Ich spürte, dass sie gehen wollte.“

„Als ich meine Tochter zur Welt gebracht hatte, ging alles sehr schnell. Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte – und da nahm mir die Schwester Sophie auch schon wieder sanft, aber bestimmt aus den Armen und ging mit ihr fort.

Wie ich kurze Zeit später erfuhr, war Sophie sehr, sehr krank.

Was genau sie hatte, möchte ich für mich behalten. Sie kam auf die Neonatalogie und wurde verkabelt. Kurze Zeit nur zur Überwachung, dann aber rasch zum Überleben.

Meine Kleine, mein absolutes Wunschkind, für das ich so lange gekämpft hatte und das mein Mann und ich nur mit ganz viel medizinischer Unterstützung zeugen konnten – es schwebte in Lebensgefahr.

Das Krankenhaus war toll, die Ärzte versuchten alles. Zwei Operationen und eine Menge Bangen und Hoffen später erklärten sie uns dann aber, dass Sophie ohne die Maschinen, die ich zugleich lieben und hassen gelernt hatte, niemals würde leben können.

Und obwohl ich bei dieser Information schon innerlich starb, kam es noch schlimmer.

Der Arzt, der uns die Nachricht überbringen musste, fragte uns, ob er die Maschinen abstellen solle. Wir könnten das entscheiden.

Es war furchtbar, die Gedanken rasten nur so durch meinen Kopf. Aber ich hörte mich sagen:

,Nein! Nein, auf keinen Fall lassen wir Sophie sterben!`

Das passierte ganz automatisch – ich konnte doch mein Kind nicht aktiv sterben lassen!!!

Und so ging es anderthalb Wochen weiter. Wir saßen an Sophies Bett, hielten ihre winzigen Händchen, sangen ihr Lieder vor, beteten und flehten sie stumm an, den Ärzten zu zeigen, dass sie falsch lagen. Doch es passierte nichts. Es wurde nicht besser.

Eines Morgens aber wachte ich auf, weckte meinen Mann und sagte ihm: ,Heute lassen wir Sophie gehen.`

Es war einfach so ein Gefühl, dass über Tage immer stärker wurde: Unsere Tochter wollte nicht wirklich hier sein. Sie war ja schon halb ,drüben`, in einer anderen Welt.

Es kam mir egoistisch vor, sie hier mit aller Macht halten zu wollen.

Mein Mann gestand mir, dass er erleichtert war. Er hatte diesen Gedanken schon länger, hatte es aber nicht übers Herz gebracht, ihn mir mitzuteilen.

Schweren Herzens, aber irgendwie doch auch erleichtert fuhren wir in die Klinik. Wir teilten unsere Entscheidung mit, und es kam anders als gedacht. Sophie würde eine ganz kurze Zeit ohne Geräte weiterleben, und zwar ganz ohne Qualen. Dan würde sie aber ,einschlafen`.

Daher boten die Ärzte uns an, Sophie mit nach Hause zu nehmen.

Und wir taten es. Wir nahmen unser Kind mit in sein Zuhause – nicht, um darin aufzuwachsen, sondern um in einer heimeligen Atmosphäre zu sterben. Es fühlte sich durch und durch richtig an.

Wir hatten zwei gemeinsame Tage. Zwei tieftraurige, aber auch wunderschöne Tage. Sophie hatte keine Schmerzen, sie schlief fast die ganze Zeit. Wir schliefen nicht, wir nutzten jede Sekunde, um uns ihr Gesichtchen einzuprägen, ihren Duft tief in uns einzusaugen und ihre Wärme zu spüren.

Eines Nachmittags wurde sie dann kühl. Sophie hatte uns verlassen, zumindest ihre Hülle.

Wir konnten das akzeptieren, wir versuchen, damit zu leben.

Viele Menschen aus unserem Umfeld haben uns dafür verurteilt, dass wir habe Sophie gehen lassen. Aber wissen denn nicht Eltern immer am besten, was das Richtige für ihr Kind ist?

Vielen Dank, liebe Manuela (echter Name ist der Redaktion bekannt), dass Du Deine bewegende Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir alles Gute für die Zukunft!

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Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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