„Darum habe ich mich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden.“

„Ich bin Katharina, werde bald 30 und bin seit fast sechs Jahren Mama eines Sohnes. Ich bin alleinerziehend und arbeite in einer leitenden Position in einem systemrelevanten Beruf. Ich möchte hier über meinen Schwangerschaftsabbruch sprechen, weil ich der Meinung bin, dass jede Frau das Recht hat, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Trotzdem ist so eine Entscheidung nie leicht, auch das möchte ich mit meinem Text zeigen.

Als ich den positiven Test in meinen Händen hielt, war ich augenblicklich in eine Art Parallelwelt verbannt worden, in der es nur Pro und Contra gab. Eine Welt, in der man sich nicht durchmogeln oder die Entscheidung letzten Endes anderen überlassen konnte. Dieses Universum verlangte einen Entschluss, bleiben oder gehen, beides mit allen Konsequenzen. Wenn ich eins nicht hören wollte, dann dass ich es schaffen würde. Ich wusste, dass ich es kein zweites Mal alleine könnte und dafür schämte ich mich zutiefst.

Diese Zeilen fallen mir nicht leicht, doch wenn ich eines nicht mehr ertragen kann, dann dass sich Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch im Stillen schämen und leiden, weil sie Angst davor haben missverstanden und verurteilt zu werden. Keine Frau entscheidet sich leichtsinnig und unbeschwert für einen Schwangerschaftsabbruch. Niemand in dieser meistens sehr belastenden Situation, tut es als einfaches Missgeschick ab, welches man einfach gelöst bekommt, wenn man das möchte.

In diesem Text geht es auch nicht um richtig oder falsch. Diese Frage bleibt ungelöst.

Weil zu viele Fragen davor unbeantwortet bleiben. Dafür habe ich die Gewissheit, dass ich, wenn ich es ‚getan‘ habe, diese Entscheidung mit ins Grab nehmen muss. Doch manchmal geht es nicht nur um die, die noch kommen sollen, sondern um die, die schon da sind. Mit dem positiven Test in der einen und dem Telefon in der anderen Hand, wählte ich die Nummer meiner Gynäkologin.

Als ich der Sprechstundenhelferin schilderte, dass ich einen Termin benötigen würde, da ich wohl schwanger sei, fragte sie mich beiläufig, ob ich es denn behalten oder wegmachen möchte. Einfach so als hätte sie mich gefragt, ob mir eher Mittwoch oder Donnerstag passen würde. Ich konnte die Frage umgehen, obwohl ich die Antwort schon kannte. Ich war einfach nicht in der Lage, mich dazu zu äußern. Mein Wissen, dass ich diesem Kind nicht gerecht werden könnte, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht mal richtig mir selbst eingestehen können.

Ein paar Tage später begrüßte man mich in der Praxis freudestrahlend.

Glückwünsche und Gratulationen folgten. Alle waren guter Dinge, nur ich nicht, ich schrie innerlich und kam in der Realität nicht zu Wort. Ich spielte sogar mit dem perfiden Gedanken, mich nur für diese halbe Stunde auch zu freuen. Einfach mitspielen und von der Stimmung treiben lassen, um für einen Moment zu vergessen, wie tragisch die Realität in Wirklichkeit aussah. Ich tat es nicht und noch im Wartezimmer googelte ich, ob bei einem Abbruch zwingend eine Überweisung notwendig sei.

Die Antwort war Nein, also schwieg ich für den Rest des Termins. Mit einem Ultraschallbild und der Erkenntnis, dass man es ganz offensichtlich von mir erwartete, dieses Kind zu bekommen, ging ich weinend nach Hause. Ich hatte mir von diesem Termin nichts erhofft, ich wollte auch gar nicht verstanden oder ermutigt werden, doch ich wollte mich auch nicht mehr mit der Frage nach richtig oder falsch auseinandersetzen müssen. Ich hatte meine Entscheidung doch schon getroffen, trotzdem riss es mir jetzt den Boden unter den Füßen weg.

Katharina setzt sich bei Instagram als cruchedevinaigre für Feminismus und Empowerment ein

Katharina setzt sich bei Instagram als „katharinaessigkrug“ für Feminismus und Empowerment ein. Foto: Instagram katharinaessigkrug

Nach knapp drei Wochen, einem Beratungsgespräch und weiteren 72 Stunden gesetzlich auferlegter Bedenkzeit, fand ich mich in einem sterilen Raum wieder.

Ich war erleichtert endlich hier angekommen zu sein, denn gleich würde alles zu einem Ende kommen und die Versuchung, das Ruder in letzter Sekunde vielleicht doch noch rumzureißen, würde verwirkt sein. Denn auch, wenn ich fest entschlossen war, begleitete mich die Frage nach dem ‚was wäre wenn‘, die ganze Zeit.

Ich hatte mich vorab für einen medikamentösen Abbruch entschieden. Das frühe Stadium der Schwangerschaft ließ es zu. So konnte ich, auch wenn sich das vielleicht grotesk lesen mag, ‚dabei‘ sein, wenn es geschieht und hoffentlich einen Abschluss finden. Zusätzlich hatte ich nach der Einnahme des Medikaments die Chance, nach Hause zu gehen und den Dingen in einer gewohnten Umgebung ihren Lauf zu lassen.

Begleitet wurde ich in der Klinik von einer sehr lieben Krankenschwester.

Sie klärte mich vorab nochmal über alle möglichen Risiken auf. Zum ersten Mal fühlte ich mich aufgehoben, gesehen und richtig begleitet, denn sie nahm mir nicht nur die Angst, sondern auch meinen Kummer. Sie stellte mir den Becher mit dem alles entscheidenden Medikament und ein Glas Wasser auf den Tisch und beteuerte mir, dass ich alle Zeit der Welt hätte.

Ich überlegte in diesem Moment nicht mehr lange, denn das hatte ich schon viele quälende Tage und Wochen zuvor. Mit allen Begleiterscheinungen, die eine Schwangerschaft eben mit sich bringt, kreisten meine Gedanken Tag ein Tag aus, um dieses Thema. Ich griff zum Becher, spürte die Tablette in meinem Mund, schloss die Augen und spülte sie mit einem Schluck Wasser runter. Die Krankenschwester notierte die Uhrzeit. Zeitpunkt des Abbruchs.

Als ich die Klinik verließ, trafen mich warme Sonnenstrahlen im Gesicht, weswegen ich beschloss, den Weg nach Hause zu spazieren. Und zum ersten und letzten Mal unterhielten wir zwei uns und ich entschuldigte mich.“

Liebe Katharina, vielen Dank, dass Du Deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen Dir alles Liebe!

Ihr möchtet mehr von Katharina erfahren? Dann folgt doch ihrem Instagram-Account. Dort erzählt sie auch von ihrem Schwangerschaftsabbruch und von ihrem Leben als alleinerziehende Mama.

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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