Baby oder Mama: „Fast hätte mein Mann wählen müssen, wer leben darf.”

„Ich bin Jana und inzwischen 33 Jahre alt. Mit 26 Jahren bin ich schwanger geworden und mein Partner und ich haben uns sehr gefreut. Da ahnten wir noch nicht, was uns bevorstehen würde…

Alle Voruntersuchungen, die ich beim Arzt gemacht habe, waren gut.

Niemand hätte ahnen können, dass mein Baby per Notkaiserschnitt mit nur 660 Gramm zur Welt kommen wird. Alles begann in der 25. Schwangerschaftswoche. Ich bekam plötzlich sehr starke Kopfschmerzen, dachte mir aber erstmal nichts dabei. ‚Stell dich nicht so an, das wird schon‘, beruhigte ich mich selbst.

Einen Tag später hatte ich plötzlich Ödeme an den Beinen, aber als ich deswegen bei meinem Frauenarzt anrief wurde ich mit der Auskunft abgewimmelt, dass man in der 25. Schwangerschaftswoche noch gar keine Ödeme bekommen könnte. Als es mir am nächsten Tag immer noch nicht besser ging, rief ich wieder an und auf mein Drängen hin, wurden mir dann Kompressionsstrümpfe verschrieben.

Ich bat dann meine Schwester, das Rezept abzuholen.

Ich hatte inzwischen so starke Kopfschmerzen, dass ich mich hinlegen musste. An alles, was danach kam, kann ich mich nicht mehr erinnern. Aus den Erzählungen meiner Familie weiß ich, dass mein Vater mich bewusstlos in meiner Wohnung fand. Er führte die Erstversorgung durch und rief den Notarzt. Ohne meinen Papa wäre ich wohl nicht mehr am Leben.

Ich wurde dann sofort ins Krankenhaus gebracht und für meine Familie folgten sehr schlimme Stunden. Niemand konnte feststellen, was mir fehlt. Erst nachdem ich drei Krampfanfälle erlitten hatte, wurde ich schließlich in eine Uniklinik gefahren.

Dort diagnostizierten die Ärzte dann endlich eine schlimme Schwangerschaftsvergiftung.

Ich wurde ins künstliche Koma versetzt. Die Ärzte bereiteten meinen Mann darauf vor, dass er sich möglicherweise entscheiden muss, ob das Baby oder ich gerettet werden, weil es momentan für uns beide sehr schlecht aussehe. Er hat mir danach erzählt, dass er einfach nur funktioniert hätte und versucht hätte, irgendwie stark zu bleiben. Dann wurde mein Baby in der 26. Woche per Notkaiserschnitt geholt. Ich hatte eine kleine Tochter geboren und bekam gar nichts davon mit.

Die Kleine kam sofort in eine Kinderklinik, ich lag noch weitere zwei Tage im Koma. Dann wurden die Medikamente langsam abgesetzt und ich kam nach und nach wieder zu mir. Auch mein Mann ging durch die Hölle, er war zum ersten Mal Vater geworden und gleichzeitig erlebte er die schlimmste Zeit seines Lebens. Er musste zwischen den beiden Kliniken hin und her fahren, um sowohl mich als auch unsere Tochter zu sehen.

Als ich am dritten Tag die Augen öffnete, teilten die Ärzte mir mit, dass ich Mutter einer kleinen Tochter geworden bin.

Ich reagierte zwar auf Stimmen, aber verstand eigentlich nichts. Auch am vierten Tag konnte ich das alles überhaupt nicht realisieren. Es kam mir so vor, als ob ich im Kino sitzen und darauf warten würde, dass der Film zu Ende geht. Ich wollte einfach nur schlafen, damit beim Aufwachen alles wieder beim Alten wäre.

Ich wurde dann von der Intensivstation auf die Wöchnerinnenstation verlegt und hatte bis dahin meine Tochter noch nicht mal gesehen. Dann packte mich mein Mann in den Rollstuhl und wir fuhren zu ihr in die Kinderklinik. Und da lag sie: Eine Handvoll Leben, an zig Kabel angeschlossen, umringt von Monitoren, die piepten. Mein Mann sah mich mit großen Augen an und wartete auf meine Reaktion.

Ich kann gar nicht genau sagen, was ich in dem Augenblick gefühlt hab.

Ich habe einfach versucht, die Situation so anzunehmen wie sie war. Seit diesem Tag waren mein Mann und ich dann täglich bei unserer Tochter auf der Neonatologie und haben ihr mit der Känguru-Methode Körperkontakt gegeben. Jedes Mal wieder waren wir angespannt, als wir in der Neonatologie ankamen. Schließlich wussten wir nie, was uns erwarten würde.

Wir wurden in dieser Zeit täglich mit dem Tod konfrontiert, denn unsere Tochter war so winzig, dass niemand uns sagen konnte, ob sie es schaffen würde. Doch dann gab es diesen magischen Moment, als meine Kleine endlich die 700 Gramm geknackt hatte. Sie streckte ihre Arme in die Luft und lächelte mich an und ich wusste: Sie wird es schaffen.

Insgesamt lag meine Kleine drei Monate lang auf der Frühchen-Station, dann durften wir sie endlich mit nach Hause nehmen.

Jana und Mann gaben ihrer Tochter so viel Körperkontakt wie möglich.

Jana und ihr Mann gaben ihrer Tochter so viel Körperkontakt wie möglich. Foto: Privat

Ich habe damals Tagebuch geführt und an jedem Tag, an dem wir um ihr Leben gebangt haben, einen Eintrag gemacht. Mir hat das in dieser schweren Zeit sehr geholfen. Dieses Buch möchte ich meiner Tochter eines Tages schenken. Meine Familie und unsere Freunde haben alles getan, um uns zu unterstützen und waren zum Glück immer für uns da.

Auch wenn dieses Gefühl der Ohnmacht nur jemand begreifen kann, der in der gleichen Situation war, hat es mir sehr geholfen, diese lieben Menschen um mich zu wissen.

Mein Vater, der mich und meine Tochter gerettet hat, hatte noch lange damit zu kämpfen.

Noch viele Monate lang hatte er immer wieder schlimme Ängste. Er bekam zum Beispiel Panik, wenn ich mal nicht ans Handy ging. Wir alle haben Zeit gebraucht, um uns von dem Schock zu erholen. Auch mein Mann denkt noch oft daran zurück. Er ruft sich immer wieder in Erinnerung, wie gut es uns heute geht und ist dankbar, dass wir als Familie alle  zusammen sein können.

Meine kleine Kämpferin ist der stärkste Mensch, den ich kenne und deswegen mein größtes Vorbild!

In wenigen Tagen wird meine Tochter schon sieben, sie ist ein bezauberndes, gesundes Mädchen.Wir hatten also das große Glück, dass noch mal alles gut gegangen ist. Durch die Unterstützung von meinem Mann und meiner Familie, durch die vielen lieben Freunde, die für uns da waren, haben wir es beide geschafft und sind als Mama und Tochter vereint. Ich bin dankbar für jeden einzelnen Tag.


 

Vielen Dank, liebe Jana, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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