Als Deutsche in Japan: „Ich habe mich verliebt und bin geblieben.”

Hallo, ich bin Janaina. Ich bin vor fünf Jahren nach Japan gegangen, habe mich in einen Japaner verliebt und bin geblieben. Inzwischen sind wir Eltern von einem kleinen Jungen. Aber von Anfang an…

Mit 25 habe ich mich dazu entschieden, ein ‚Work and Travel‘ in Japan zu machen. Ich flog nach Osaka und lebte in einer WG mit drei weiteren Deutschen. Das Haus war voller Kakerlaken, deswegen war ich froh, als ich einen Job in einem japanischen Kindergarten als Englischlehrerin fand. Nach 2 Monaten konnte ich dann in eine eigene Wohnung ziehen.

Ich lebte mein Leben ziemlich frei und ging auf viele Partys.

Auf Onlineportalen schrieb ich mit vielen verschiedenen Menschen, darunter auch mein Mann. Ich weiß noch genau, wie ich für das erste Date ein knappes Kleid und High Heels zum Kindergarten mitnahm und mich nach der Arbeit dort auf dem Klo umzog. Meine Chefin und die Mütter waren positiv schockiert.

Als ich aber dann meinen Mann traf, war es anders als meine Dates zuvor. Ich hatte nie geplant, eine Beziehung zu führen oder zu heiraten. Schließlich war ich eher ein Partygirl. Aber wir hatten dieselben ungewöhnlichen Interessen und Hobbies. Und aus irgendeinem Grund ging er mir nicht auf die Nerven, was sonst immer der Fall war. Wir beide mögen Insekten, besonders Spinnen, Gottesanbeterinnen und Käfer.

Also gingen wir zusammen Nashornkäfer und Zikaden suchen.

Er ist ein Star Trek-Fan und hatte mich damit angesteckt, ich habe ihn für Marvel begeistert. Nach fünf Monaten haben wir geheiratet, einen Monat vor der Hochzeit zog ich zu ihm. Da war sogar die TV-Sendung Galileo dabei und finanzierte meinen Umzug. Ich lebte dann mit meinem Mann und meinen Schwiegereltern zusammen in Kobe für ungefähr 2,5 Jahre.

Danach zogen wir endlich in unser Mietshaus, ebenfalls in Kobe in den Bergen. Dort führe ich seitdem eine Auffangstation für Haus- und Wildtiere. Als ich dann schwanger wurde, legten wir aber erstmal einen Aufnahmestopp ein. Allerdings wurden dann eine abgemagerte, kranke Straßenkatze und ihre drei Katzenbabys zu uns gebracht, die im Müll gefunden worden sind.

Nachdem wir beim Tierarzt abgeklärt hatten, dass sie mich und mein ungeborenes Kind nicht gefährden konnten, nahmen wir die vier bei uns auf.

Da dann Corona anfing, war ich in meiner Schwangerschaft sehr isoliert, was leider heute immer noch so ist. Anfangs weinte ich viel und war sehr empfindlich. In dieser Zeit haben die Katzen mir sehr geholfen, sie waren immer für mich da. Mein Mann musste leider viel arbeiten und war danach immer sehr müde.

Als dann das Baby kam, waren wir in einem privaten Krankenhaus. Unser Baby kam via Kaiserschnitt zur Welt, da ich zwar starke Wehen hatte, sich der Muttermund aber nicht öffnete. Mein Arzt riet von einer Einleitung ab, da mein Blutdruck rapide sank und ich zu zittern begann. Sie mussten mich zuerst stabilisieren, damit der Kaiserschnitt möglich war.

Leider bekam ich während des Kaiserschnitts Panik.

Ich hatte das Gefühl, dass ich keine Luft bekam. Ich hatte solche Angst zu ersticken, dass ich den Schnitt gar nicht mitbekam. Ich atmete zwar, allerdings fühlte ich nicht, wie die Luft meine Lungen erreichte. Später stellte sich dann heraus, dass bei mir das Zwerchfell betäubt worden war.

Anfangs hatte ich sehr starke Schwierigkeiten, mich an mein Kind zu binden, da die Geburt ein Horrortrip war. Zum Glück war mein Mann dabei. Trotz der traumatischen Geburt hatte ich großes Glück, weil ich in einem Privat-Krankenhaus war. Dadurch war das Essen super und ich hatte ein Einzelzimmer, was in Japan eigentlich nicht üblich ist. In einem öffentlichen Krankenhaus sind gerne mal 10 Gebärende auf einem Zimmer, wo es als Sichtschutz nur Gardinen gibt.

Nach einer Woche durfte ich nach Hause, leider bekam mein Mann nur einen Tag frei.

Das heißt, dass ich mich ab Tag 2 ganz alleine um das Baby, einen Bernhardiner, einen Pitbull, drei Meerschweinchen, 10 Ratten, zwei Sittiche, einen Igel und drei Katzen (eine wurde vermittelt) kümmerte. Daher war ich zwangsläufig ziemlich flott wieder auf den Beinen. Doch trotz seiner zehn bis zwölf Stunden Arbeit war auch mein Mann mir in dieser Zeit eine große Hilfe. Er hat den Haushalt und die Tiere sauber gemacht, wenn er Feierabend hatte.

Janainas Mann verbringt jede freie Minute mit seinem Kind.

Janainas Mann verbringt jede freie Minute mit seinem Kind. Foto: Privat

Kochen musste ich auch nicht, da meine Schwiegermutter meinem Mann immer Essen für uns mitgab. Mittlerweile haben wir uns als Familie gut eingespielt und uns entschieden, die drei Katzen zu behalten, die mir in meiner Schwangerschaft so viel Kraft gegeben haben.

Ich weiß, dass in Deutschland viele denken, dass die Japaner kalt sind.

Aber ich kann das nicht bestätigen, ich habe hier nur das Gegenteil erlebt. Alle waren stets hilfsbereit. Einmal wollte mir sogar eine alte Dame mit einer Gehhilfe dabei helfen, den Kinderwagen eine Treppe hochzutragen. Viele Japaner rufen mir und meinem Sohn zu ‚Schau, ein gemischtes Baby‘, aber das ist nie böse oder abwertend gemeint.

Sie lieben die großen Augen von unserem Sohn und sind sehr begeistert, wenn sie ihn sehen. Einmal habe ich mir mit dem Baby und unseren Hunden eine Pepsi am Automaten gegönnt. Das haben ein paar Biker beobachtet und mir später zehn Flaschen vor die Haustür gestellt.

Was mir auffällt, sind die festen Traditionen der Japaner.

Diese unterscheiden sich stark von unseren und werden von ihnen streng befolgt. Ich achte ihre Traditionen und berücksichtige sie auch in der Erziehung unseres Kindes. Als unser Sohn ein Monat alt war, gingen wir zum Beispiel traditionell zum Schrein und er bekam dafür einen besonderen Kimono. Als er dann fünf Monate alt war, gab es das Essensritual. Dabei wird Essen an seinen Mund gehalten und davon Fotos gemacht.

Das Essen haben wir dann gegessen, da es nichts für ein Baby war. Das Ritual ist noch aus vergangenen Zeiten, heute weiß man, dass zum Beispiel Fischeier nichts für ein Baby sind. Aber man hält an der Tradition fest, mit dem Unterschied, dass die Eltern das Essen verspeisen.

Am fünften Mai ist Kindertag in Japan.

Dann bekommt auch unser Sohn einen Kimono an und wird mit seinem Kabuto, also einem Samuraihelm, fotografiert. Ich mag diese Traditionen und respektiere sie. Meine Schwiegereltern respektieren dafür meine Entscheidungen. Wie zum Beispiel, dass der erste Brei nicht mit drei Monaten gefüttert wird, sondern erst mit fünf Monaten, wenn alle Reifezeichen da sind. Oder, dass unser Sohn nicht jeden Tag gebadet wird, sondern zweimal die Woche.

Janaina und ihre drei Glückskatzen.

Janaina und ihre drei Glückskatzen. Foto: Privat

Wir kommen uns bei allen entgegen und finden eine Mitte, damit beide Seiten glücklich sind, das ist mir persönlich auch sehr wichtig. Unser Sohn wird zweisprachig aufwachsen und hat dann auch einen deutschen Pass. Da sind wir uns ebenfalls alle einig.

Obwohl ich in Deutschland ganz anders aufgewachsen bin, fühle ich mich inzwischen sehr wohl hier in Japan mit meiner Familie.

Mein Vater verstarb vor drei Jahren, meine Mutter arbeitet auf einem Kreuzfahrtschiff. Daher vermisse ich Deutschland bzw. die Familie dort nicht wirklich. Klar, es wäre schön, alle wieder zu sehen, aber wir konnten uns schon immer kaum sehen, da änderte sich nicht viel. Mit meinen deutschen Freunden und meiner Mama telefoniere ich zum Ausgleich ganz viel.

Nur mein Japanisch ist noch nicht so gut. Deswegen suche ich gerade einen Homeoffice-Job, um mir Japanischunterricht leisten zu können. Unser Sohn ist inzwischen sechs Monate alt und mein Mann ist wirklich sehr liebevoll und tut, was er kann. Er nimmt mir den Kleinen am Wochenende immer ab, damit ich ausschlafen kann. Meine Schwiegereltern passen auch immer gerne auf ihn auf.”


Vielen Dank, liebe Janaina, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles Liebe für die Zukunft!

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Lena Krause
Ich lebe mit meinem kleinen Hund Lasse in Hamburg und übe mich als Patentante (des süßesten kleinen Mädchens der Welt, versteht sich). Meine Freundinnen machen mir nämlich fleißig vor, wie das mit dem Mamasein funktioniert. Schon als Kind habe ich das Schreiben geliebt – und bei Echte Mamas darf ich mich dabei auch noch mit so einem schönen Thema befassen. Das passt einfach! Bevor ich bei Echte Mamas gelandet bin, habe ich Literatur und Medienwissenschaften studiert und nebenbei in einer Agentur als Texterin gearbeitet. Danach habe ich im Lokaljournalismus angefangen und sogar mit meinem Team den „Vor-Ort-NRW-Preis” gewonnen. Die große Nähe zu Menschen und Lebensrealitäten habe ich dort lieben gelernt und das lasse ich jetzt in unsere Echten Geschichten einfließen. Die sind mir nämlich eine Herzensangelegenheit, genauso wie die Themen Vereinbarkeit, Female Empowerment und Psychologie.

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