„An alle Mamas mit Babys, die schlecht schlafen: Es tut mir leid, dass ich so arrogant zu euch war.“

„Wenn man ein Baby hat, das schlecht schläft, gibt es viele Leute, die sofort mit diversen Tipps zur Stelle sind. Und es gibt noch mehr Leute, die innerlich die Augenbrauen heben, bei all dem Zeugs, das junge Mütter mit ihren schlechten Schläfern veranstalten. Das Pezziball-Gehopse? Die 1000 Föhn-Apps? Acht Kilometer am Tag spazieren, weil das Kind nur im Kinderwagen schläft? Puh. Hätte man halt gar nicht erst anfangen sollen. Ich weiß das, weil ich selbst so eine Mama war. Also eine von denen, die die Augenbrauen hob und innerlich den Kopf geschüttelt hat.

Bis ich zu der Mutter wurde, die nachts den Kinderwagen um den Esstisch schob, weil nichts helfen wollte, mein übermüdetes, schreiendes Baby zu beruhigen.

Ich habe zwei Kinder, mittlerweile fünf und drei Jahre alt. Einen Bilderbuch-Schläfer und „hochreaktives“ Kind. Als mein Sohn geboren wurde, waren mein Mann und ich überglücklich. Und total entspannt! Alarmiert durch diverse Erzählungen meiner Freundinnen hatte ich mich auf schlaflose Nächte und anstrengende Tage eingestellt. Doch schon im Krankenhaus schlief mein Baby sehr viel im Beistellbettchen und weinte kaum einmal.

Auch zu Hause – alles entspannt und wunderbar.

Schon mit wenigen Monaten schlief mein Sohn nicht nur im eigenen Bettchen, sondern auch im eigenen Zimmer. Ganz ohne Zwang oder Dramen, denn das hätten wir nicht gemacht. Ich legte ihn abends in sein Bett, saß noch kurz daneben und streichelte ihn und dann konnte ich aus dem Zimmer gehen – er brabbelte fröhlich vor sich hin und schlief dann ein. Wenn er mal kurz weinte, schauten mein Mann und ich in sein Zimmer, streichelten und beruhigten ihn und schon konnten wir wieder hinausgehen.

Da ich nach acht Monaten wieder anfing zu arbeiten, passten auch häufiger mal andere Menschen, denen ich vertraute, auf mein Baby auf. Meine Mutter oder eine Babysitterin. Auch bei ihnen war mein Kleiner total entspannt und schlief mittags und abends ein, ohne zu murren.

Ja, ich wusste, dass wir Glück hatten. Und trotzdem, dachte ich selbstgefällig, liegt das nicht auch alles etwas an den Eltern? Je entspannter man ist, desto entspannter auch die Kinder? Klagte eine Freundin über ihr stundenlanges Abendritual, dass eine Menge Einsatz von ihr forderte, dachte ich mir insgeheim: „Warum hast du das alles denn deinem Kind auch angewöhnt?“. Das Kind einer anderen wollte nächtelang durch die Wohnung getragen und auf einem Pezziball gewippt werden. Ich dachte: „Das kann doch gar nicht sein. Das würde ich einfach nicht mitmachen!“

Kurzum: Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand wirklich so ein Trara machen MUSSTE, um sein Kind zur Schlafenszeit zu beruhigen. Ein bisschen war dieser ganze Stress doch hausgemacht, oder?

Nun, da ich diese „Probleme“ ja nicht hatte, blickte ich ganz gelassen auf unsere künftigen Nächte, als ich wieder schwanger war.

Meine kleine Tochter belehrte mich so schnell eines Besseren, wie ich es mir nie hätte vorstellen können. Schon im Krankenhaus wirkte sie nervöser als mein Sohn, als dieser frisch auf der Welt war. Sie weinte häufig und benötigte viel mehr Körperkontakt mit mir.

So friedlich schlief meine Tochter tatsächlich nur selten. Symbolbild. Foto: Bigstock

Zurück zu Hause, musste ich jeden Abend innerlich Abbitte bei meinen Freundinnen leisten. Ich machte alles genauso wie beim ersten Kind – aber meine Tochter schlief einfach nicht. Und schon gar nicht alleine.

Nach einigen Nächten war ich unglaublich müde – und unglaublich verzweifelt. Mein Mann und ich probierten so vieles aus, damit unsere Tochter abends einschlief. So vieles, über das wir vorher immer heimlich geschmunzelt hatten.

Ich schaukelte unsere Kleine abends im Arm, bis sie schlief. Wenn ich dieses kleine schlafende Persönchen dann vooooorsichtig in ihr Bettchen legte….. machte es sofort wieder die Augen auf und weinte. Ich fuhr sie so lange im Kinderwagen um unseren großen Esstisch, dass ich mir sicher war, dass der Boden hier richtige Fahrrinnen aufweisen müsste. Nichts half, zumindest nicht für lange. Sie weinte und schien hellwach. Oder auch todmüde – schlief aber trotzdem ewig nicht ein.

Heute, mit so viel Abstand, bin ich mir eigentlich sicher: Ich habe es mit viel zu viel Action versucht und war viel zu ungeduldig, weil ich so „verwöhnt“ von meinem Sohn war. Denn ab und zu legte ich mich erschöpft mit meiner Babytochter in unser Bett – und sie schlief schnell und friedlich ein. Ich war aber unruhig und wollte möglichst schnell wieder aufstehen, um etwas Zeit für mich und für meinen Mann zu haben.

Wäre ich heute noch einmal in dieser Situation, würde ich mich einfach mit ihr ins Bett legen und schlafen. Sie brauchte von Anfang an meine Nähe und so wären wir beiden viel entspannter durch die Nacht gekommen. Die Zeit für sich selbst kommt schnell genug wieder zurück.

Aber hinterher ist man ja immer schlauer. Und so musste ich eben auch einsehen, dass meine Gedanken über die verzweifelten Einschlafversuche anderer Mamas reichlich arrogant waren.

Das ist eine echte Geschichte aus unserer Echte Mamas-Community.
Danke Julia, dass du deine Story so ehrlich mit uns geteilt hast.

Laura Dieckmann
Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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Arbeiten mit Kind! Meine neue Art des Arbeitens - Echte Mamas
4 Jahre zuvor

[…] meine Tochter jede Nacht regelmäßig drei- bis viermal weckte und ich tagsüber ein Zombie war – Schlafmangel interessierte dort keinen. Verständnis suchte ich vergebens, wir trennten uns im gegenseitigen […]