Unser Alltag ist voll von englischen Wörtern, in Songs, in der Werbung, im Fernsehen… Kein Wunder also, dass viele Eltern denken: Je früher mein Kind die Sprache lernt, desto besser!
In den meisten deutschen Bundesländern lernen die Schulkinder ab der dritten Klasse Englisch, in einigen sogar ab der ersten. Doch das reicht manchen Eltern nicht – sie sprechen schon mit ihren Kindergartenkindern Englisch. In der Hoffnung, sie damit besonders fit für die Zukunft zu machen.
Aber: So gut gemeint das auch ist, Sprachlehrende und Expert*innen warnen, dass dieser Trend in vielen Fällen mehr schaden als nützen kann.
Wenn das Englisch nicht passt, wird es eher lustig als lehrreich
In einem Reddit-Forum teilte kürzlich ein*e User*in ihre/seine Beobachtung: „Ich bekomme immer öfter mit, wie Eltern mit ihren kleinen Kindern auf Englisch sprechen – obwohl sie selbst kaum Englisch können.“
Die Kommentare unter dem Post zeigten vollstes Verständnis für diese Skepsis: „Ganz schrecklich. ‚Leopold siss is not okee. Plies dont du dädd!‘“ schrieb jemand. Eine andere Person meinte trocken: „Absoluter Blödsinn. Macht halt ein gewisser Schlag Eltern.“
Weniger lustig, dafür eher aufrüttelnd ist der Kommentar einer Frau, die englische Muttersprachlerin ist und Englisch an einer deutschen Universität lehrt: „Ich sehe das als Rezept für viele Probleme. Eltern, die das machen, können häufig nicht so gut Englisch, wie sie denken – und bringen ihren Kindern falsche Wörter und Strukturen bei.“ Ihr Beispiel: Eine Mutter habe ihrem Kind „Securities“ als englische Übersetzung für „Sicherheitsmänner“ beigebracht – tatsächlich heißt das aber Wertpapiere.
Solche Fehler, schreibt die Dozentin, würden sich festsetzen – und später dann nur schwer korrigieren lassen. Es gäbe zwei ganz große Probleme daran: Erstens „Die Fehler, die die Kinder von den Eltern gelernt haben, müssen von den Eltern verbessert werden. Kind: ,Aber ich habe ___ von meinen Eltern gelernt.‘ Lehrer: ,Das ist aber nicht richtig.’Das führt manchmal zu Konflikten – soll das Kind machen, was Mama und Papa machen oder was der Lehrer macht?“ und außerdem hören die Kinder „die Probleme, die von den Lehrern in der Schule verbessert werden, immer wieder von den Eltern. Das macht die Sprachverbesserung in der Schule immer schwieriger.“
Was Expert*innen wirklich empfehlen, um Sprache zu fördern
Natürlich ist es grundsätzlich erstmal toll, wenn Kinder mehrere Sprachen lernen! Und es fällt ihnen tatsächlich auch leichter als Erwachsenen. Der Linguist Jürgen Meisel von der Uni Hamburg sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass Kinder sehr wohl mehrere Sprachen fast wie Muttersprachler lernen können – wenn nur das Umfeld stimmt.
Das heißt: Das Kind braucht Menschen, die die Sprache wirklich gut sprechen und emotional mit ihm verbunden sind. Wenn Mama oder Papa also kein richtiges Englisch sprechen, bringt das frühe Üben meist nichts – und kann sogar verwirren.
Die Logopädin Nathalie Frey von der Uni Würzburg erklärt, was Eltern stattdessen tun können: „Sprache entsteht durch Beziehung. Wenn Eltern sich mit ihrem Kind ein Buch ansehen, sollten sie nicht nur abfragen, was da zu sehen ist. Sondern erzählen: ‚Das ist eine Kuh. Die Kuh ist braun. Ihr Fell ist weich,“ empfiehlt sie in der HNA. So lernt das Kind in seiner Muttersprache, Wörter mit Bedeutung, Gefühlen und echten Situationen zu verbinden – die beste Grundlage, um später auch Fremdsprachen leichter zu lernen.
Das Fazit lautet also: Erst Muttersprache, dann Multitalent
Natürlich wollen wir alle nur das Beste für unsere Kinder. Und wenn sie neugierig sind auf die englische Sprache und ihre Begriffe, können wir natürlich alle Fragen beantworten. Aber: Die wichtigste Sprache bleibt erstmal die eigene. Wenn Kinder in ihrer Muttersprache sicher sind, fällt ihnen alles andere später viel leichter.
Wie ist es bei dir: Sprecht ihr zuhause mehrere Sprachen? Und wie kommt dein Kind damit klar?
Quellen:
„Warum sprechen immer mehr Deutsche Eltern mit ihren Kleinkindern auf Englisch?“ auf reddit.com, abgerufen am 7.11.2025
„So lernen Kinder neue Sprachen“ auf sueddeutsche.de, abgerufen am 7.11.2025
„,Ganz schrecklich‘: Deutsche Eltern sprechen Englisch mit ihren Kita-Kindern, auf HNA, abgerufen am 7.11.2025
