„Meine Tochter wusste vor mir, dass ich schwanger bin – von unserem Sternenkind.“

Als Mareike* (echter Name ist der Redaktion bekannt) ihr Baby verlor, wusste sie in all dem Schmerz nicht, ob sie noch ein weiteres Mal versuchen würde, schwanger zu werden. Doch dann erfuhr sie auf ungewöhnlichste Art und Weise, dass sie es längst war. Sie hat uns ihre Echte Geschichte erzählt:

„Ich habe letztes Jahr mein Kind verloren.

Wir hatten uns so sehr ein Geschwisterchen für unsere große Tochter gewünscht. Ich wurde dann auch sofort wieder schwanger und wir haben uns einfach nur gefreut, dass es wieder ein Sommerbaby werden sollte. Bis zur elften Woche war alles in Ordnung.

Wir feierten noch den 60. Geburtstag meiner Schwiegermutter, als ich in der Nacht auf einmal Schmerzen bekam. Ich ging vorsichtshalber zum Frauenarzt, um abzuklären, dass mit unserem Baby alles in Ordnung ist.

Woher die Schmerzen kamen, konnte die Frauenärztin nicht erklären. Aber sie konnte sofort sehen, dass mit unserem Baby etwas nicht stimmte.

Die Nackenfalte war um ein Vielfaches vergrößert, so dass selbst ich als Laie sehen konnte, dass etwas nicht stimmte. Wir wurden zu einem Feindiagnostiker geschickt, der genau schauen sollte, was mit unserem Baby nicht stimmt. Er erklärte uns direkt, dass unser Kind schwer krank sei und eine Überlebenschance außerhalb des Mutterleibes nicht besteht. Unser kleines Mädchen war in ihrer Entwicklung zurück. Dazu hatte sie große Wasseransammlungen am Gehirn, am Rücken und am Herzen.

Es musste aber immer noch geklärt werden, was genau mit ihr nicht stimmt. Also wurde durch meine Bauchdecke eine Probe aus der Plazenta genommen Es sollte aus ihren Genen bestimmt werden, was für eine Krankheit sie hat und ob sie eventuell doch operiert werden könnte. Sie wurde auf jegliche Form von Trisomie getestet. All diese Tests fielen negativ aus, also haben wir immer weiter gehofft, dass es irgendwas ist, was ,repariert` werden kann.

Kurz vor Silvester haben wir dann die traurige Nachricht bekommen, dass sie einen schweren Gendefekt hat – eine Laune der Natur, so dass sie so leider nicht überlebensfähig war.

Zu diesem Zeitpunkt war ihr Herz schon sehr schwach, da sich schon so viel Wasser angesammelt hatte. Aber sie war eine Kämpferin. Meine kleine Tochter war trotz allem immer noch da! Die Ärzte erklärten uns ,durch die Blume´, dass sie uns zu einem Schwangerschaftsabbruch raten würden, weil der weitere Verlauf der Schwangerschaft sonst für mich lebensgefährlich werden könnte.

Somit mussten wir uns Anfang letzten Jahres schweren Herzens dazu entscheiden, unser Kind gehen zu lassen. Dieses Gefühl, dass ich daran Schuld bin, dass mein Kind gehen muss, zerfrisst mich bis heute. Denn für mich hat es sich so angefühlt, als wenn ich mein Kind umbringe. Wir haben uns so sehr gewünscht, dass sie selber entscheiden kann, wann sie geht. Es vergingen vom Tag der Diagnose bis zum Tag, an dem die Geburt eingeleitet werden sollte, nur 6 Tage. Es ging alles so schnell.

An dem Tag, an dem wir nachmittags zur Einleitung ins Krankenhaus kommen sollten, habe ich  meiner Tochter einen Abschiedsbrief geschrieben.

Ich habe darin geschrieben, wie sehr es mir leid tut, dass wir sie nie kennenlernen dürfen. Dass wir sie nie lachen hören werden. Dass sie nie Laufen lernen kann. Und dass ich mir sie so sehr gewünscht habe und dass wir so sehr gekämpft haben. Dass ich sie über alles liebe und ich alles getan hatte, um sie zu retten, aber dass ich leider versagt habe.

Da spürte ich plötzlich eine Ruhe in mir. Ich war fast wie gelähmt. Plötzlich bekam ich starke Blutungen.

Meine Tochter hatte selbst entschieden, wann sie geht. Ich hatte mich von ihr verabschiedet und sie sich von mir.

Ich war total geschockt und habe einfach nur noch geweint. Wir haben direkt im Krankenhaus angerufen, und es hieß, dass wir doch bitte sofort kommen sollten. Die Geburt wurde eingeleitet und vier Stunden später war sie dann da. Mit 15 Zentimetern in der 16. Schwangerschaftswoche. Sie kam still zur Welt. Sie legten sie in ein kleines Tuch gebettet direkt auf mein Herz und wir konnten uns dann von ihr verabschieden. Dieses Gefühl, als sie geboren wurde. Dieses Gefühl, als ich sie verloren habe. Das werde ich niemals vergessen.

Wir mussten unsere Tochter gehen lassen. Und wir mussten unsere Tochter beerdigen. Das war für uns ein Schock und unvorstellbar, das jemals zu verarbeiten. Wir konnten erst nicht einmal über ein weiteres Kind nachdenken. Für meinen Mann war ganz klar, dass er so etwas nie wieder miterleben möchte, dass er mich nie wieder so sehen möchte und dass er nie wieder ein Kind verlieren möchte – deswegen war für ihn der Kinderwunsch begraben. Für mich war das aber nicht so klar. Natürlich nicht sofort, aber ich habe trotzdem noch einen Kinderwunsch gehabt. Wir haben irgendwie versucht, damit zu leben.

Wir haben unserer großen Tochter erzählt, dass sie eine kleine Schwester im Himmel hat. Und dass es okay ist, über sie zu sprechen und dass es auch okay ist, traurig zu sein. Sie wünschte sich so sehr, eine große Schwester zu sein. Doch mein Mann, wollte einfach nie wieder in so eine Situation kommen. Das hat mich innerlich zerfressen.

Drei Monate später sagte meine große Tochter auf einmal ,Mama, du hast ein Baby im Bauch‘. .Das war unmöglich, weil wir es nicht versucht haben noch mal schwanger zu werden. Der Kinderwunsch war für uns erst mal in weiter Ferne. Aber es ließ mich nicht locker, was meine Tochter da zu mir gesagt hatte. Also habe ich einen Schwangerschaftstest besorgt – und dieser war tatsächlich positiv.

Ich fragte meine Tochter daraufhin, wie sie denn darauf kam, dass ich ein Baby im Bauch habe.

Ob man mir das ansehen würde, oder wie sie darauf kam. Sie sagte ,Nein, Mama, meine kleine Schwester im Himmel hat mir das gesagt! Weil ihr so traurig seid, dass sie nicht hier sein kann und sie hat mir gesagt, dass ich einen Bruder bekomme.‘ Ich war völlig in einer Schockstarre. 3 Tage lang. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Wie sollte ich das meinem Mann erklären? Die ganzen Ängste kamen wieder hoch: Was ist, wenn auch dieses Baby krank ist? Und werde ich das noch mal schaffen, werde ich das noch mal überleben können? Werde ich denn überhaupt noch eine Mutter für unsere große Tochter sein können? Wird unsere Ehe das aushalten?

Das Schlimmste war dieser Ekel vor mir selbst. Unsere kleine Tochter wäre eigentlich noch in meinem Bauch, wenn sie gesund gewesen wäre. Und jetzt ist da schon ein neues Baby in meinem Bauch!

Irgendwann habe ich mich überwunden, es meinem Mann zu sagen. Auch er war völlig geschockt. Bis zur 14. Schwangerschaftswoche, in der wir wirklich sicher sein konnten, dass unser Baby gesund ist, war es für uns eine Höllenfahrt aus purer Angst. Erst als die Schwangerschaft weiter fortgeschritten war, konnten wir unsere Ängste ein bisschen ablegen, uns tatsächlich auf unser Wunder freuen und es auch unserer Familie sagen.

Wir sind fest davon überzeugt, dass uns dieses Wunder von unserem kleinen Sternenkind aus dem Himmel geschickt hat. Und ihrer Schwester Bescheid gegeben hat. Denn wie konnte unsere große Tochter wissen, dass ich schwanger bin, obwohl ich es selber noch nicht wusste? Wie konnte sie wissen, dass sie einen Bruder (denn es ist wirklich ein Junge) bekommt? Sie muss ihn geschickt haben.

Das größte Zeichen ist, dass unser Sternenmädchen am 05.01.2024 geboren wurde und unser kleines Regenbogenbaby sich am 05.01.2025 auf den Weg gemacht hat. Die beiden, unser Sternmädchen und unser Regenbogenbaby sind für immer verbunden – und erst recht durch den gleichen Geburtstag.“

Hast auch du ein Baby verloren? Hier findest du Hilfe:

Sternenkinder: Hier finden Eltern Hilfe, Austausch und Beratung


Liebe Mareike, vielen Dank, dass du uns deine Geschichte anvertraut hast. Wir wünschen dir und deiner Familie alles, alles Liebe für die Zukunft!

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Laura Dieckmann

Als waschechte Hamburgerin lebe ich mit meiner Familie in der schönsten Stadt der Welt – Umzug ausgeschlossen! Bevor das Schicksal mich zu Echte Mamas gebracht hat, habe ich in verschiedenen Zeitschriften-Verlagen gearbeitet. Seit 2015 bin ich Mama einer wundervollen Tochter.

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